Der neue Press-Hai-Mülleimer – Stückpreis: 8000 Euro. Foto: Haar

Ein hochtechnisierter und 8000 Euro teurer Mülleimer, der in Zukunft in der Stadt vermehrt eingesetzt werden soll, versetzt sozial Schwache in Aufregung. Pfandsammler sehen ihre Existenzgrundlage bedroht.

Stuttgart - Die schöne neue Welt verspricht vieles. Und in Bezug auf den Fortschritt im Rahmen des Projektes „Saubere Stadt“ hält der Abfall-Presshai diese Versprechen. Der Eigenbetrieb Abfallwirtschaft (AWS) hat den modernen Mülleiner mit Solarantrieb in der City am Standort Schul-/Königstraße 2017 getestet – und ist zufrieden. Immerhin: Der Hai schluckt je nach Abfallart 700 Liter Müll. „Der Presshai wurde von den Passanten gut angenommen, sagt die AWS-Sprecherin Annette Hasselwander. Der große Vorteil sei: „Überlaufen kann er nicht, da der Behälter den weiteren Einwurf von Müll durch eine automatische Verriegelung verhindert. Eine Anzeige außer Betrieb gibt hierzu einen Hinweis.“

Das schöne, neue und saubere Stuttgart wird derzeit weiter erprobt. Derzeit steht der Abfall-schluckende Hai in der Stiftstraße. Und weil er auch dort funktioniert, ist laut AWS die Anschaffung weiterer Abfall-Presshaie geplant.

„Überall dort in der Innenstadt, wo keine Unterflurabfallsammelbehälter installiert werden können und größere Mengen an Abfall anfallen, ist der Abfall-Presshai durchaus eine Alternative und könnte in das Papierkorbkonzept Eingang finden.“ Vorteilhaft bei dieser Art von Behälter sei die Option, bei einem Verbund von zehn Behältern diese online wirtschaftlich zu steuern. Über ein Online-Portal könnten zielgerichtet Füllstände, Wartungshinweise und Betriebszustände abgefragt werden.

Wo die zehn Müll-Haie stehen sollen, „wird im Rahmen des Projektes Saubere Stadt noch festgelegt“, sagt Anette Hasselwander, „definitiv geplant sind vorerst nur Behälter dieser Art am Marienplatz.“ Die Stück-Kosten des Behälters beziffert die AWS-Sprecherin auf „rund 8000 Euro.“

Sozial Schwache sind entsetzt

Manchen Menschen in der Stadt verschlägt es nicht nur wegen des Preises den Atem. Für die inzwischen zu einem Heer angewachsenen Pfandsammler bedeutet dieser Mülleimer das Ende. „Bei diesem Ding kommt man mit der Hand nur noch schlecht ran, um ihn nach Flaschen abzusuchen“, sagt ein älterer Herr, der sich durch das tägliche Pfandsammeln seine Rente aufbessert. Auch mit seinem Dreikantschlüssel kommt er beim Presshai nicht weiter. Während sich die üblichen Mülleimer damit öffnen lassen, ist der Solar-Mülleimer nur mit einem Schlüssel zu öffnen.

„Wenn sich diese Dinger durchsetzen“, sagt der Rentner, „können wir ganz einpacken.“ Schon jetzt überlegt er, ob er nicht aufgibt. „Im Vergleich zu früher bleibt kaum noch was übrig.“ Die Konkurrenz werde immer größer: „Immer mehr alte Menschen bessern sich so ihre Rente auf. Zudem gibt es organisierte Gruppen.“

Diese Einschätzung teilt Gabi Großhans. Sie arbeitet in der Tagesstätte „Olga 46“ des Caritasverbandes in der Olgastraße, wo wohnungs- und obdachlose Menschen, Menschen in Armut, aus unsicheren Verhältnissen, aus Notunterkünften oder Wohnheimen täglich das Notwendigste bekommen, was man zu einem würdevollen Leben braucht. „Bei uns herrscht helle Aufregung wegen dieser Mülleimer“, sagt sie, „für viele ist das Pfandsammeln ein wichtiger Bestandteil ihres Lebensunterhalts.“ Nicht nur finanziell. Das Sammeln hält diese Menschen aktiv und trägt zu ihrem Selbstwert bei. So erwirtschaften sie selbst etwas und sind nicht von Almosen abhängig. Auch die Gäste des Olga 46 berichten, dass immer mehr Menschen in Stuttgart das Pfandsammeln als Erwerbsquelle nutzen. Neben Rentnern, Langzeitarbeitslosen und Wohnsitzlosen, sind es nun auch Flüchtlinge und organisierte Banden, die Pfand sammeln. „Als sie das erste Mal vom Müll-Hai gehört hatten, machte sich Fassungslosigkeit breit“, sagt Gabi Großhans. In der anschließenden Diskussion fragten sich die Olga-46-Gäste: „Warum macht man so etwas. Haben wir noch einen Platz in dieser Stadt.“ Einer stellte betrübt fest: „Erst waren es die Bänke, jetzt sind es die Mülleimer. Man will das, was stört und Dreck ist in dieser Stadt unsichtbar machen.“ Angesichts des Einzelpreises von 8000 Euro fragte man sich zudem: „Was bin ich als Mensch dieser Stadt wert?“ Gabi Großhans meint dazu nur: „Mit 8000 Euro kann ich etwa 50 Besucher der Tagesstätte zwei Monate lang mit einer warmen Mahlzeit täglich versorgen.“