Laut dem Krankenhaus habe die Operation vier Stunden gedauert, der Patient erhole sich gut und werde wohl bald entlassen werden können. Foto: Michelle Rose/Massachusetts General Hospital/dpa

In den vergangenen Jahren hatte die Transplantation von Schweineherzen als Ersatzorgan für Menschen für Schlagzeilen gesorgt. Jetzt ist erstmals eine Schweineniere verpflanzt worden. Wird das bald zum Standard?

Boston - Bei der Transplantation tierischer Organe in den Menschen machen Mediziner Fortschritte - wenn auch in kleinen Schritten. Erstmals weltweit setzte ein US-Team nun erfolgreich einem Menschen eine Schweineniere ein. Der an einer lebensgefährlichen Nierenkrankheit leidende 62-jährige Mann habe das genetisch veränderte Organ am Samstag bekommen, teilte das Massachusetts General Hospital (MGH) in Boston (US-Bundesstaat Massachusetts) mit. Die Operation habe vier Stunden gedauert, der Patient erhole sich gut und werde wohl bald entlassen.

"Der wahre Held ist heute der Patient", sagte Joren Madsen, Direktor des MGH-Transplantationszentrums, laut Mitteilung. Die Operation wäre ohne seinen Mut und seine Bereitschaft, sich auf eine Reise in medizinisches Neuland zu begeben, nicht möglich gewesen. Er werde zu einem "Hoffnungsträger für zahllose Menschen, die an einer Nierenerkrankung im Endstadium leiden", sagte Madsen. Allein in Deutschland warten Tausende Menschen auf eine Organtransplantation, Spenderorgane von Menschen sind rar. 

Sogenannte Xenotransplantationen -  also Übertragungen von tierischen Organen auf den Menschen - werden seit Jahrzehnten erforscht. Schweine sind als Spender besonders geeignet, weil ihre Organe und ihr Stoffwechsel dem von Menschen ähneln. Zuletzt waren in den USA zwei schwerkranken Patienten Schweineherzen eingepflanzt worden, beide Patienten waren mehrere Wochen nach der OP gestorben. Zudem war eine Schweineniere auf einen hirntoten Menschen übertragen worden.

Noch viel Forschungsarbeit nötig

Christian Hagl, Xenotransplantationsexperte und Direktor der Herzchirurgie an der Uniklinik München, wertet die nun erfolgte Nierentransplantation als Erfolg. "Es macht Sinn, weiter an der Thematik zu arbeiten. Ich bin aber skeptisch, ob wir im kommenden Jahr bereits im großen Stil Schweinenieren verpflanzen werden", sagte Hagl der Deutschen Presse-Agentur. 

"Ich gehe davon aus, dass in zwei bis drei Jahren einzelne ausgesuchte Patienten, für die andere Verfahren nicht infrage kommen, ein Schweineherz eingesetzt bekommen können." Bei Nieren seien es vielleicht noch fünf Jahre, da das Organ deutlich komplexere Aufgaben im Körper habe. "Dass diese Verfahren aber zu Standardtherapien werden, wird deutlich länger dauern."

Der nun operierte Patient litt der US-Mitteilung zufolge seit vielen Jahren an Typ-2-Diabetes und Bluthochdruck.  Er hatte 2018 eine menschliche Spenderniere erhalten, die aber etwa fünf Jahre später starke Probleme verursachte. Deshalb habe der Patient wieder mit der Dialyse begonnen. "Bei ihm traten immer wieder Komplikationen am Dialyse-Gefäßzugang auf, die alle zwei Wochen Krankenhausbesuche zur Gerinnselentfernung und chirurgische Korrekturen erforderten. Dies beeinträchtigte seine Lebensqualität erheblich", hieß es in der Mitteilung.  

Mini-Studie in Deutschland geplant

Wissenschaftler versuchen seit geraumer Zeit, Organe aus Schweinen für Menschen nutzbar zu machen. Damit das möglich ist, muss allerdings unter anderem das Erbgut der Spendertiere verändert werden. Ohne genetische Anpassung käme es bei der Übertragung auf den Menschen zu einer sofortigen schweren Abstoßungsreaktion. Im konkreten Fall seien 69 genetische Modifikationen vorgenommen worden, so die Klinik. 

Hagl und Kolleginnen und Kollegen wollen in Deutschland eine Art Mini-Studie mit Schweineherzen starten, angepeilt ist dafür Anfang 2027. Dabei soll gleich vier Menschen Organe eingepflanzt werden. "Wir glauben, wir können es besser machen", sagt Hagl mit Blick auf die Schweineherztransplantationen in den USA. So seien die Schweine, die in Deutschland für diesen Zweck gezüchtet werden, besser geeignet, unter anderem weil sie kleinere und damit für den Menschen geeignetere Herzen haben, erklärte Hagl. Auch für Nierentransplantationen seien die hiesigen Schweine besser.

Grundsätzlich gelte: "Die Niere ist eigentlich komplexer als das Herz. Das Herz ist grob gesagt primär ein Muskel, der Blut pumpt. Die Niere muss unter anderem das Blut filtern und Hormone produzieren." 

Weitere Xenotransplantate sind Inselzellen aus den Bauchspeicheldrüsen von Schweinen. Sie werden in klinischen Studien bereits auf Menschen mit Diabetes übertragen und sollen dort Insulin produzieren. Gängig sei bereits, Menschen modifizierte Herzklappen von Schweinen einzusetzen, so Hagl.