Blaulicht: Hat die Polizei genügend Personal, um die Sicherheit zu gewährleisten? Foto: dpa

Deutschland braucht keine schärferen Gesetze, sondern eine konsequente Umsetzung des bereits bestehenden Rechts. Und das sei für die Polizei wegen des Stellenabbaus in den vergangenen Jahren alles andere als einfach, kommentiert Politikredakteur Nils Mayer.

Angela Merkel dreht ihr Fähnchen nach dem Wind. Mal wieder. Nach den Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht in Köln, Stuttgart, Hamburg und Frankfurt und den sich verdichtenden Anzeichen, dass auch Flüchtlinge unter den Tätern sein könnten, will sie wie auch andere Politiker nun härtere Gesetze prüfen, um straffällige Asylbewerber schneller abschieben zu können. Doch das ist nicht mehr als ein billiges Ablenkungsmanöver. Der Ruf nach Gesetzesverschärfungen folgt immer dann, wenn Politiker ratlos sind, wie bereits bestehendes Recht energischer umgesetzt werden kann.

Es steht außer Frage, dass die Behörden gegen Asylbewerber, die Straftaten begehen, mit aller Konsequenz durchgreifen und selbige abschieben müssen. Auch, um die breite Masse an Flüchtlingen und Migranten, die hierzulande friedliebend lebt, vor rechtsextremen Angriffen zu schützen. Doch dafür braucht es keine schärfere Gesetzgebung, sondern Kenntnis darüber, wer die Täter sind. Jetzt rächt sich, dass bei der Polizei über Jahre hinweg massiv Personal abgebaut wurde. Zwischen 1998 und 2014 strichen Bund und Länder insgesamt 17 000 Stellen. Rund 1000 davon sparte die schwarz-gelbe Landesregierung im Südwesten Ende der 90er Jahre und Anfang der Nullerjahre ein.

Mehr Arbeit, aber weniger Personal für die Polizei

Die Arbeit für die Polizei ist in den vergangenen Jahren immer mehr und immer komplexer geworden – Fußballspiele, Demonstrationen, Kundgebungen, Massenschlägereien in Flüchtlingsunterkünften sowie Internet- und Einbruchskriminalität erfordern einen enormen personellen Aufwand. Weniger Personal, aber mehr Aufgaben – beim Thema Sicherheit ist das eine fatale Lösung. Um Bagatelldelikte wie Diebstähle, Sachbeschädigungen und selbst Körperverletzungen konsequent verfolgen zu können, mangelt es bereits an personellen Ressourcen. Auch bei Einbrüchen oder spontanen nächtlichen Angriffen auf offener Straße sind Polizei und Justiz häufig machtlos. Meistens fehlt von den Tätern jede Spur. Und falls die Beamten sie doch mal fassen, gibt es nicht genügend Beweise, um sie rechtskräftig zu verurteilen. Das ist die frustrierende Realität.

Dass nun ausgerechnet die Spitzenkandidaten von CDU und FDP, Guido Wolf und Hans-Ulrich Rülke, nach mehr Polizeipräsenz auf der Straße rufen und bis zu 1500 zusätzliche Stellen versprechen, ist grotesk. Oder darf es etwa als Eingeständnis gewertet werden, dass ihre Parteien in der Vergangenheit beim Thema Sicherheit geschlampt haben? Bei dem Vorwurf, der Schwarz-Gelb zu machen ist, geht es nicht um die wachsende Terrorgefahr und die seit Jahren steigende Einbruchskriminalität – das war nicht zwingend zu erahnen. Aber dass der demografische Wandel auch die Polizei trifft und die Digitalisierung eine neue Form der Kriminalität mit sich bringt, hätten selbst jene Hinterbänkler voraussehen können, die bis heute die Nutzung eines Computers verweigern.

Polizei muss Schwerpunkte setzen

Der aktuellen grün-roten Landesregierung ist an dieser Stelle kaum ein Vorwurf zu machen. Innenminister Gall plant eine Einstellungsoffensive. In den Jahren 2017 und 2018 sollen 1400 neue Polizeischüler eingestellt werden. Bis der Nachwuchs einsatzfähig ist, dauert es aber drei Jahre. Und bei Licht betrachtet dürften die Neueinstellungen gerade mal reichen, um die massive Pensionierungswelle, die die Polizei Ende dieses Jahrzehnts treffen wird, halbwegs auszugleichen.

Vorerst wird die Polizei bei der Aufgabenbearbeitung weiter Schwerpunkte setzen müssen. Der Bevölkerung bleibt deshalb vorerst nur eins: zu akzeptieren, dass die Politik die öffentliche Ordnung zugunsten des Haushalts geopfert hat und die Sicherheit deshalb nur noch teilweise gewährleistet ist.

n.mayer@stn.zgs.de