Einträchtig präsentieren CDU und Grüne in Hessen ihr erstes gemeinsames Werk, den Koalitionsvertrag. Dass es soweit kommen würde, haben sie am Anfang selbst nicht gedacht. Jetzt muss das ungewohnte Bündnis die letzte große Hürde nehmen: einen Parteitag der Grünen.

Einträchtig präsentieren CDU und Grüne in Hessen ihr erstes gemeinsames Werk, den Koalitionsvertrag. Dass es soweit kommen würde, haben sie am Anfang selbst nicht gedacht. Jetzt muss das ungewohnte Bündnis die letzte große Hürde nehmen: einen Parteitag der Grünen.

Wiesbaden - Ernst und angespannt sitzen die beiden Spitzenpolitiker nebeneinander, als sie am Mittwoch ihr historisches Vertragswerk präsentieren. Drei Wochen lang haben der hessische CDU-Chef Volker Bouffier und der Grünen-Vorsitzende Tarek Al-Wazir die erste schwarz-grüne Koalition in einem deutschen Flächenstaat ausgehandelt. Nun sind die Vereinbarungen zu Papier gebracht. Dass es so weit kommen würde, hat sie offenbar selbst überrascht.

„Wir haben uns das beide nicht träumen lassen“, gesteht Al-Wazir bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags im Landtag. Sein letzter Termin mit Bouffier im Medienraum des Plenargebäudes sei eine öffentliche Diskussion vor der Wahl am 22. September gewesen. Damals haben sich CDU und Grüne noch heftig bekämpft - persönliche Angriffe auf die Kontrahenten inklusive.

Nun sitzt der 42-jährige Al-Wazir, seit mehr als 13 Jahren Fraktionschef der Öko-Partei in Wiesbaden, einträchtig neben Bouffier, seit Mittwoch 62 Jahre alt und seit Mitte 2010 Chef der konservativen Hessen-CDU. Geduldig hört Al-Wazir Bouffiers Eingangsworten zu, nickt ab und zu, schmunzelt, macht sich Notizen. Später beschreibt er die „gemeinsamen Überzeugungen“ von Grünen und CDU beim Autobahnbau.

Beide Politiker, einst spinnefeind, sind seit einigen Tagen Duz-Freunde. Zwischen ihren Parteien liegen allerdings weiterhin Welten. Auch das wird am Mittwoch deutlich: Al-Wazir, der wie viele seiner Parteifreunde ungern mit Krawatte auftritt, erhält als Geschenk der CDU eine ebensolche, und zwar mit schwarz-grünen Streifen. Die Grünen dagegen überraschen Bouffier mit ungewohnter Kost. Der bekennende Fleischsalat-Anhänger, erhält eine vegane - und damit fleischlose - Variante seiner Leibspeise. Noch im Wahlkampf hatte Bouffier aus Protest gegen die Grünen-Forderung nach einem „Veggie Day“ im Landtag Wurst gegessen.

Dass die Koalition trotz der kulturellen Unterschiede zwischen Schwarz und Grün in Hessen zustande kam, ist offenbar zu einem nicht unbeträchtlichen Teil dem 62-jährigen hessischen Ministerpräsidenten zu verdanken. Nur er habe ein solches Bündnis schmieden können, sagt Al-Wazir bei einem Besuch im CDU-Landesvorstand. Bouffier hatte zunächst im kleinen Kreis mit den Grünen verhandelt und schließlich, nach weiteren Sondierungsrunden, das Koalitionsangebot in die ungewohnte Richtung ausgesprochen. Die Hessen-CDU brachte er dazu einstimmig hinter sich.

Die Frage, ob Schwarz-Grün auch ein Modell für den Bund sein könne, beantwortet Bouffier zurückhaltend. Zunächst müsse die neue Koalition erfolgreich sein, dann könne sie Schule machen, sagt der stellvertretende CDU-Vorsitzende auf Bundesebene.

An Al-Wazir liegt es nun, dem Bündnis über die vorerst letzte große Hürde zu helfen, dem Grünen-Parteitag am kommenden Samstag. Kritik entzündet sich bisher vor allem an den Vereinbarungen für weniger Lärm am größten deutschen Flughafen in Frankfurt. Bürgerinitiativen befürchten eine Mogelpackung. Mit einer Demonstration wollen sie am Samstag vor dem Verhandlungssaal der Grünen noch einmal kräftig Stimmung gegen das Vertragswerk machen.

Al-Wazir wird als Wirtschafts- und Verkehrsminister unmittelbar für das große Reizthema der hessischen Landespolitik zuständig sein. Versprochen hat er, dass Anwohner spürbar entlastet würden. Daran wird ihn nicht nur seine Partei messen.