Winfried Kretschmann und Thomas Strobl (vorne) treffen sich zu Gesprächen in Stuttgart. Foto: dpa

Wie viel Geld ist in den kommenden fünf Jahren für neue landespolitische Projekte vorhanden? Um diese Frage ging es im ersten inhaltlichen Gespräch der potenziellen Koalitionäre von Grünen und CDU.

Stuttgart - Mit einem Kassensturz haben Grüne und CDU in Baden-Württemberg ihre inhaltlichen Gespräche über eine erste grün-schwarze Koalition auf Landesebene begonnen. Ein Experte des Finanzministeriums erläuterte den beiden Verhandlungsteams mit jeweils 18 Teilnehmern am Mittwoch in Stuttgart die Haushaltslage. Das Staatsministerium hatte den Bericht angefordert. Auf dieser Grundlage wollen die Koalitionäre in spe herausfinden, welche möglichen gemeinsamen Projekte sie realisieren können. Die CDU hatte im Wahlkampf etwa 1500 neue Polizistenstellen und 500 Millionen Euro für den Ausbau des schnellen Internets in Aussicht gestellt. Überdies schlagen die Christdemokraten ein kostenfreies letztes Kindergartenjahr vor.

Keine neuen Schulden

Der Bund der Steuerzahler mahnte finanzpolitischen Realismus an. „Die Konsequenz aus einer ehrlichen Analyse kann nur lauten: Im Mittelpunkt der nächsten Legislaturperiode muss eine strikte Haushaltsdisziplin stehen“, teilte der Verband mit. Der Steuerzahlerbund verweist auf sprudelnde Steuereinnahmen der vergangenen fünf Jahre, die in der kommenden Legislaturperiode nicht mehr zu erwarten seien. Problematisch sei, dass die Ausgaben enorm ausgeweitet worden seien. Strikte Haushaltsdisziplin mit Verzicht auf Steuererhöhungen und neue Schulden müsse das Ziel einer grün-schwarzen Koalition sein. CDU-Landeschef Thomas Strobl sagte kurz vor Gesprächsbeginn, dies sei ein „ganz wichtiger“ Punkt.

Unterdessen schießen Spekulationen über die künftige Rolle Strobls in einem möglichen grün-schwarzen Kabinett ins Kraut. Die „Rheinische Post“ berichtete, der CDU-Bundesvize werde Super-Minister in Stuttgart. Darauf reagierte dieser zurückhaltend: „Meine Konzentration gilt der Sache.“ Das Blatt berichtete unter Berufung auf CDU-Kreise, der 56-Jährige habe sich bereiterklärt, Vize-Ministerpräsident und Minister mit den Zuständigkeiten für Inneres, Integration und Infrastruktur zu werden.

“Erst das Land, dann die Partei, dann die Person“

Strobl betonte, sein vorrangiges Ziel sei es, eine für das Land vorteilhafte Koalition zu bilden. „Deshalb ist mein Credo der Satz von (Ex-Ministerpräsident) Erwin Teufel (CDU): erst das Land, dann die Partei, dann die Person.“ Das Finanzministerium wolle Strobl, Schwiegersohn von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), nicht übernehmen, hieß es in der „Rheinischen Post“. Kretschmann, angesprochen auf die Personaldebatte, sagte: „Ministerposten werden am Schluss verteilt.“

Zugleich kamen die ersten der insgesamt neun Arbeitsgruppen zusammen. Jeweils sieben Mitglieder von Grünen und CDU arbeiten konkret an den wichtigsten Feldern der Landespolitik und bereiten damit einen Koalitionsvertrag vor. Am Mittwoch kamen die Teams zu den Themenkomplexen Verkehr, Landwirtschaft und Umwelt zusammen. Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) nannte die Atmosphäre in seiner Arbeitsgruppe „sehr angenehm“. CDU-Fraktionsvize Friedlinde Gurr-Hirsch sprach von einer „sehr produktiven“ Sitzung der von ihr mitgeleiteten Arbeitsgruppe zu den Themen ländlicher Raum und Verbraucherschutz.

Streit-Thema Bildung

Am Donnerstag tagen die Arbeitsgruppen zum Streit-Thema Bildung und zum vergleichsweise unstrittigen Bereich Hochschulen. Am Freitag kommender Woche soll den kleinen Verhandlungsdelegationen mit sechs Vertretern der Grünen und vier der CDU ein Tableau der gemeinsamen Positionen präsentiert werden. Es gibt auf jeder Seite zwei Verhandlungsgruppen, je eine kleine und eine große. Die kleinen sind automatisch Bestandteil der großen Gruppen. In der kleinen Besetzung sollen Themen verhandelt werden, bei denen die Arbeitsgruppen keinen gemeinsamen Nenner finden können.

Der Handwerkstag Baden-Württemberg rief Grüne und CDU auf, für einen Schulfrieden zu sorgen. Grüne und CDU sollten nicht über ihre Differenzen in der Schulpolitik, sondern über ihre Schnittmengen diskutieren, sagte Landeshandwerkspräsident Rainer Reichhold. Diese lägen etwa im Ziel eines längeren gemeinsamen Lernens.