Keine Berührungsängste: Steffen Bilger (rechts) hat sich schon 2013 mit Jürgen Walter (Grüne) gut verstanden. Foto: factum/Archiv

Der Ludwigsburger CDU-Bundestagsabgeordnete Steffen Bilger verhandelt in Stuttgart bei der grün-schwarzen Regierungsbildung mit – strebt aber kein Amt im Land an.

Ludwigsburg – - Eine ziemlich steile Karriere hat Steffen Bilger in den vergangenen Jahren hingelegt – vom Landesvorsitzenden der Jungen Union bis zum Bundestagsabgeordneten und Bezirkschef Nord-württemberg. Als Verkehrsexperte Bilger hat sich einen Namen gemacht und ist jetzt hautnah dabei, wenn Grüne und CDU eine Koalition schmieden wollen. Er berichtet im Interview über Nachtsitzungen, hitzige Wortgefechte und darüber, ob der Job ein Karrieresprungbrett für ihn sein könnte.
Herr Bilger, wie wird man im Alter von 37 Jahren der Gegenpart zu Winfried Hermann in der Verhandlungsgruppe Verkehr?
Als CDU-Bezirksvorsitzender war ich bereits Mitglied unserer Sondierungskommission vor dem Beginn der Koalitionsverhandlungen. Nachdem ich schon Erfahrungen zum Beispiel von den Koalitionsverhandlungen in Berlin und als Verkehrspolitiker mitbringe, wurde mir die Leitung der Arbeitsgruppe angeboten.
Ist Ihre Position ein Sprungbrett für einen Posten als Minister oder Staatssekretär?
Ich bin gerne Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Ludwigsburg. Ambitionen auf einen Ministerposten im Land habe ich keine. Zumal ich davon ausgehe, dass die Grünen ein großes Interesse daran haben, Winfried Hermann im Amt zu halten.
Das würden Sie aber auch sagen, wenn Sie Ambitionen hätten.
Es wird gerade viel spekuliert über Personen. Dabei verhandeln wir ja jetzt erst einmal die Inhalte. Danach steht dann die Frage, welche Partei welches Ressort beanspruchen wird und dann geht es um die innerparteilichen Personalfragen. Aber als Verkehrsminister hätte die CDU sicher viele geeignete Kandidaten, die es besser machen würden als Herr Hermann.
Warum geht die Union mit einer Delegation von 18 Mitgliedern in die Verhandlungen, während die Grünen nur sechs Mitgliedern haben? Haben Sie Angst vor den Grünen?
Bestimmt nicht. Wir sind zwar derzeit nicht mehr eine Partei mit einem großen Wahlergebnis, aber immer noch eine große Partei. Daher müssen auch viele Mitglieder eingebunden werden. Bei den Grünen ist es umgekehrt: Sie haben ein großes Wahlergebnis, aber im Verhältnis zur CDU weniger Mitglieder. Daher wollten sie kleinere Verhandlungsgruppen.
Wie stellen wir uns das vor, wenn am Verhandlungsort der L- Bank in Stuttgart die Klingen gekreuzt werden?
Jede Partei hat sieben Arbeitsgruppen-Mitglieder, dazu noch drei Experten aus den Fraktionen und Ministerien. Bis Freitag müssen wir in allen Punkten einen Konsens erzielt haben, dann tragen wir unsere Ergebnisse der großen Runde mit den Parteichefs vor. Das sind dann in neun Tagen gut 25 Stunden Verhandlungen, dazu noch 25 Stunden parteiinterne Vor- und Nachbereitung, das ist schon sehr intensiv.
Und wie ist die Stimmung? Beim Verkehr müssen doch die Fetzen fliegen.
Das ist schon eine besonders schwierige Arbeitsgruppe. Da wird es auch einmal etwas lauter, und es wird ausgesprochen hart diskutiert. Aber wir lassen auch die Meinung des anderen stehen. Vor allem bei Stuttgart 21, Tempolimit oder Straßenbau lässt sich nur schwer eine Einigung erzielen. Einfacher ist es bei alternativen Antrieben für Autos oder der Digitalisierung des Verkehrs.
Wird da ein Konsens möglich sein? Über diese Themen streiten CDU und Grüne schon seit mehr als 30 Jahren.
Wir werden sehen, aber es gibt das klare Ziel, am Freitag Lösungen zu präsentieren.
Wie fühlt man sich als Gegenspieler des grünen Ministers Winfried Hermann?
Wir kennen uns aus der gemeinsamen Zeit im Verkehrsausschuss in Berlin. Winfried Hermann und seine Politik waren für uns in den vergangenen Jahren immer ein rotes Tuch. Umgekehrt hat er sich immer über unsere harte Kritik geärgert.
Das macht es nicht unbedingt einfacher, aber wir sind auch alle professionell genug, um ordentlich miteinander umzugehen.
Gibt es in den Koalitionsrunden auch Nachtsitzungen mit Augenringen?
Am Montag ging es bis Mitternacht. Immerhin haben wir das Wochenende im Gegensatz zu anderen Arbeitsgruppen verhandlungsfrei gehalten und uns dafür von zuhause aus um die Textarbeit gekümmert.
Ist das nicht alles ziemlich stressig? Sie müssen zwischendurch in der Sitzungswoche ständig nach Berlin fliegen.
Gerade bin ich wieder auf dem Weg zum Flughafen. Die Arbeit im Bundestag ist mir wichtig. Bis auf einen Tag vor fünf Wochen, als mein Sohn zur Welt gekommen ist ...
... herzlichen Glückwunsch!
Vielen Dank. Also, bis auf diesen Tag habe ich im Bundestag noch nie bei einer Abstimmung gefehlt. Am Freitag wird dies wieder der Fall sein wegen der Koalitionsverhandlungen in Stuttgart. Aber dafür haben die Kollegen sicher Verständnis.
Dürfen Sie uns solche Details über die Koalitionsverhandlungen überhaupt erzählen?
Ja, nur zu den Inhalten der Verhandlungen sind wir zu strengstem Stillschweigen verpflichtet. Leider haben sich wie so oft in der Politik nicht alle Kollegen daran gehalten.