Zum Renaturierungsplan der EU gehört auch das Vernässen von Mooren. Foto: imago/imagebroker/imago stock&people

Nach langem Streit gibt es in Brüssel eine Einigung über das wichtige Gesetz zur Wiederherstellung der Natur.

Die EU hat einen großen Schritt beim Schutz der Umwelt gemacht. Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten einigten sich in der Nacht zu Freitag auf das heftig umstrittene Gesetz zur Wiederherstellung der Natur. Es soll verbindliche Ziele für die EU-Mitgliedsstaaten zur Renaturierung geschädigter Ökosysteme festlegen. So soll zum Beispiel Flüssen mehr Raum gegeben, Moore vernässt und alte Wälder erhalten werden. Geplant ist auch die verstärkte Begrünung von Städten.

Ziel ist dabei, mehr Kohlenstoff in der Natur zu speichern. Auf diese Weise können Hitzewellen, Dürren, Starkregenereignisse und Überschwemmungen abgemildert werden. Hintergrund des Gesetzes ist, dass nach EU-Angaben rund 80 Prozent der Lebensräume in der Europäischen Union in einem schlechten Zustand sind. Zudem seien 10 Prozent der Bienen- und Schmetterlingsarten vom Aussterben bedroht und 70 Prozent der Böden in einem ungesunden Zustand.

Schmerzhafte Kompromisse auf allen Seiten

Der Einigung vorausgegangen waren erbitterte Auseinandersetzungen der verschiedenen Fraktionen im Europaparlament. Nun aber äußern sich alle Seiten zufrieden und lesen aus dem Text das in ihren Augen Positive heraus. So betont die Grünen-Politikerin Jutta Paulus: „Der Kompromiss zum Renaturierungsgesetz ist eine gute Grundlage, um dem Artensterben in Europa endlich entgegenzuwirken.“ Die Europaabgeordnete sprach zwar von schmerzhaften Kompromissen, doch „bleiben die übergeordneten Ziele und alle als schützenswert festgelegten Ökosysteme Teil des neuen Gesetzes“.

Auch Christine Schneider, die für die konservative EVP-Fraktion am Verhandlungstisch saß, sieht sich in gewisser Weise als Siegerin. Die CDU-Politikerin begrüßt, dass die nun erzielte Einigung „wenig mit dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag zu tun hat“, der wäre nämlich eine „Katastrophe“ für die Land- und Forstwirtschaft gewesen. Mit dem nun ausgehandelten Kompromiss werden Landwirte künftig nicht verpflichtet sein, einen bestimmten Prozentsatz ihres Landes für umweltfreundliche Maßnahmen zur Verfügung zu stellen, was Bauern befürchtet hatten. Sie freue sich, dass sich die anderen Fraktionen bei vielen zentralen Anliegen in Richtung der Christdemokraten bewegt hätten.

Hoffen auf die Mehrheit im Parlament

Allerdings betonte Christine Schneider am Freitag: „Die EVP-Fraktion wird die heutigen Ergebnisse vor den anstehenden Entscheidungen im Umweltausschuss und im Plenum ernsthaft prüfen und sorgsam abwägen.“ Denn der gefundene Kompromiss muss noch formell von den EU-Staaten und dem Europaparlament abgesegnet werden. Normalerweise ist das Formsache. In diesem Fall ist jedoch nicht sicher, dass genug Christdemokraten von der EVP dem Kompromiss zustimmen, um eine ausreichende Mehrheit im Parlament zu bekommen. Die Konservativen hatten im Sommer schon einmal einen Anlauf unternommen, das gesamte Vorhaben zu kippen. Ein Antrag, das Gesetz zurückzuweisen, bekam im Parlament dann allerdings knapp keine Mehrheit.

Streit in ungewöhnlicher Schärfe

Die Auseinandersetzung um das Renaturierungsgesetz wird seit Monaten mit ungewöhnlicher Schärfe geführt. So werfen die Grünen den Christdemokraten „politische Spielchen und Strategien“ vor. Die Kritik bezieht sich auf ein Positionspapier, das die Konservativen im Frühjahr nach einem Parteitag in Vorbereitung auf die Europawahl im Juni 2024 beschlossen haben.

Auf der Suche nach zündenden Themen für den Wahlkampf ist vor allem den deutschen CDU/CSU-Vertretern die aktuelle Schwäche der Grünen in Deutschland und einigen anderen EU-Staaten ins Auge gefallen – deutlich zu sehen etwa in den Niederlanden. Dort konnte die rechts-konservative Bauern-Bürger-Bewegung (BBB) nach heftigen Protesten gegen verschärfte Stickstoffgrenzwerte bei den Provinzwahlen erdrutschartig Stimmen einfahren. Der Streit um das Renaturierungsgesetz war in diesem Fall eine gute Gelegenheit für die EVP-Fraktion, sich prominent als Verteidigerin der Interessen von Land- und Forstwirten zu positionieren.

Politisch pikant wird dieser Kurs dadurch, dass der Kampf für mehr Umweltschutz und gegen den Klimawandel das zentrale Projekt der konservativen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist. Ausgerechnet ihre Parteigenossen aus der CDU versuchen nun immer wieder, wichtige Klima- und Umweltschutzgesetze des Green Deal auszubremsen.