Der Konflikt um das russische Gas bringt aktuell besonderen Schwung in die Diskussion ums Heizen. Foto: Philipp Braitinger

Bis 2040 soll weitgehend klimaneutral geheizt werden. Eine Bestandsanalyse in Leinfelden-Echterdingen zeigt: Hotels und Messe brauchen viel Wärme, doch den Großteil an Emissionen verursachen andere Quellen.

Heutzutage heizt man in Leinfelden-Echterdingen vor allem mit fossilen Energieträgern. Wie dies in Zukunft klimafreundlicher gestaltet werden kann, das erklärte Tobias Nusser vom Stuttgarter Ingenieurbüro EGS Plan während der jüngsten Sitzung des Technischen Ausschusses. EGS steht für Energie-, Gebäude und Solartechnik. Das Ziel ist eine klimaneutrale Wärmeversorgung bis zum Jahr 2040. Das Klimaschutzgesetz in Baden-Württemberg schreibt Städten mit mehr als 20 000 Einwohnern vor, einen kommunalen Wärmeplan zu erstellen, der alle sieben Jahre fortgeschrieben werden muss.

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Der Weg zur klimaneutralen Wärmeversorgung soll über eine Abkehr von fossilen Energieträgern wie Gas oder Öl gelingen. Bis 2040 soll der Umstieg auf erneuerbare Energien in vier Phasen erfolgen: Am Anfang steht die Bestandsanalyse, anschließend folgt die Potenzialanalyse, die Formulierung eines Ziels und daraufhin eine Handlungsstrategie.

Daten von mehr als 15 000 Gebäuden erfasst

Für die Bestandsanalyse wurden bereits Daten von mehr als 15 000 Gebäuden in Leinfelden-Echterdingen erfasst. Dabei wurde schnell deutlich, dass die Hotels im Echterdinger Norden und die Messe sowie der Flughafen viel Wärme benötigen. Den Löwenanteil der Emissionen verursachen allerdings die Wohngebäude in der Stadt.

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Die erste Phase, die Bestandsanalyse, ist gemäß den Angaben des beauftragten Ingenieurbüros bereits abgeschlossen. Die Potenzialanalyse wird derzeit durchgeführt und soll bis Mai fertig sein. „Wir sind mittendrin“, erklärte Nusser. Klar sei bereits jetzt, dass die Wärmeversorgung der Zukunft über eine bessere Isolierung bestehender Gebäude und einem Ausbau regenerativer Energiequellen gelingen muss.

Zentrale Rolle von Wärmepumpen

Was nach der Potenzialanalyse ansteht, ist die Formulierung von Zielen für Leinfelden-Echterdingen, um die klimaneutrale Wärmeversorgung bis 2040 zu schaffen. „Wärmepumpen werden eine zentrale Rolle spielen“, ist sich Tobias Nusser bereits heute sicher. Dass die konkrete Umsetzung an zahlreichen bestehenden Gebäuden schwierig werden könnte, daraus machte der Fachmann keinen Hehl. Eine Wärmepumpe, die mit Strom aus Solarenergie vom eigenen Dach des energetisch auf dem neuesten Stand gebauten Hauses betrieben werde, sei eine runde Sache.

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Beim beschriebenen Beispiel kann das klimaneutrale Heizen weitgehend problemlos gelingen. Doch was ist mit den Jahrhunderte alten Fachwerkhäusern in der historischen Mitte, die womöglich noch unter Denkmalschutz stehen? Wie können diese Gebäude fit für eine klimaneutrale Zukunft gemacht werden? „Diese Gebäude lassen sich in der Regel nicht einfach sanieren“, sagte Nusser. Für diese Häuser müssten Einzellösungen gesucht werden. Vorstellbar wäre beispielsweise der Anschluss an ein Wärmenetz. Die Erörterung von Einzellösungen sei aber nicht Inhalt der kommunalen Wärmeplanung.

Höherer Strombedarf als Knackpunkt

Ein weiterer Knackpunkt der Strategie zum klimaneutralen Heizen ist der höhere Strombedarf, der das Heizen mit Wärmepumpen verursachen wird. „Der Strombedarf wird um 50 Prozent steigen“, schätzt Tobias Nusser. Doch falls der Strom nicht aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen wird, wäre auch beim verstärkten Einsatz von Wärmepumpen nichts gewonnen. Woher der regenerativ gewonnene Strom auf den Fildern in großem Umfang kommen soll, ist derzeit aber noch unklar.

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Auf die Notwendigkeit der Umsetzung der kommunalen Wärmeplanung wies nach der Vorstellung des Zwischenberichts von Tobias Nusser der Grünen-Stadtrat Konrad Pfeilsticker hin. In diesen Tagen werde es angesichts des Konflikts um russisches Gas deutlich, wie drängend die Frage nach Alternativen sei. „Jeder kann sich ausrechnen, was im nächsten Winter passieren wird“, so Pfeilsticker.

Aufs Tempo drückte der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler/FDP, Eberhard Wächter. „Der Umstieg muss schnell erfolgen“, sagte er. Gleichzeitig bezweifelte er, dass alle Häuser in den nächsten Jahren mit Wärmepumpen ausgestattet werden könnten. Und Wächters Fraktionskollege Walter Vohl fügte hinzu, dass die Beratung der Gebäudebesitzer ebenfalls Teil der Strategie sein müsse.