Bald mehr Unterstützung für die Ukraine? Foto: dpa//Hendrik Schmidt

Deutsche Alleingänge wollen Scholz und seine Kanzlerpartei nicht. Die Bundestagsfraktion signalisiert aber, dass sie die Lieferung moderner Kampfpanzer an die Ukraine mittragen würde, wenn die westlichen Partner mit von der Partie wären.

Ein wenig schöngeredet hat sich Olaf Scholz die Gemengelage in seiner Ampelkoalition am Mittwochabend schon. Als der Kanzler im Beisein von Georgiens Premiers Irakli Gharibaschwili auf Panzerlieferungen für Kiew angesprochen wurde, wiederholte er „die Haltung der gesamten Bundesregierung, aller ihrer Mitglieder und der sie tragenden Parteien, dass es keine deutschen Alleingänge geben wird“.

Mit keinem Wort ging er ein auf den Druck, eben jene Leitlinie zu überdenken: Wegen der jüngsten Erfolge der ukrainischen Armee soll Deutschland nach dem Willen vieler Liberaler und Grüner vorangehen und Kampfpanzer liefern, die Russlands Truppen eventuell ganz aus dem überfallenen Land vertreiben könnten. Solche öffentlichen Aufforderungen aber mag der Regierungschef nicht, wie auch Parteifreund Nils Schmid weiß, der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion. „Scholz wird nicht wegen der Profilierungsversuche von Grünen und Liberalen über Panzerlieferungen entscheiden“, sagt er, „sondern anhand der gemeinsamen Lageanalyse mit unseren Bündnispartnern.“

Beistand für die Ukraine

Schon einmal sind die SPD, ihr Kanzler und ihre Verteidigungsministerin Christine Lambrecht von den Koalitionspartnern zum Jagen getragen worden. Um Ostern war das, als für schwere Waffen getrommelt wurde, bis es Ende April zum Bundestagsbeschluss kam. Nun finden sich die Sozialdemokraten wieder in der Defensive wieder, sehen sich mit dem Vorwurf konfrontiert, der Verweis auf den Gleichschritt im Bündnis sei nur ein Vorwand dafür, der Ukraine immer noch nicht entscheidend beistehen zu wollen. Nun gibt sich Scholz zwar noch unbeeindruckt, in der Partei aber wird diskutiert.

Einer derjenigen, der bei Waffenlieferungen zur Vorsicht neigt, ist der frühere Parteivize Ralf Stegner. „Ich plädiere nicht für ein Ende der militärischen Unterstützung der Ukraine“, stellt er klar – das Mitglied im Auswärtigen Ausschuss hat dem, wenn auch skeptisch, im Bundestag zugestimmt: „Ich will aber nicht, dass sich Deutschland wieder zur militärischen Führungsmacht aufschwingt oder als erstes Land hochmoderne westliche Kampfpanzer nach Kiew schickt.“ Es gebe schließlich gute Gründe dafür, dass die USA, Frankreich und Großbritannien das bisher auch nicht getan hätten. „Da gibt es einen klaren Dissens in der Koalition“, so Stegner, „und auch mit Einzelnen in der SPD.“

Dazu gehören sein Parteichef Lars Klingbeil, der in einer Grundsatzrede vor der Sommerpause eben jenen deutschen Anspruch als „Führungsmacht“ formulierte und damit für lebhafte Debatten in der SPD sorgt – und Stegners Ausschussvorsitzender Michael Roth, der von Anfang an mehr Unterstützung für die Ukraine verlangte. „Es ist höchste Zeit, dass Nato und EU die Waffenlieferungen der neuen Lage anpassen“, schrieb er diese Woche auf Twitter. Und auch Kevin Leiser, Mitglied im Verteidigungsausschuss, tendiert in diese Richtung: „Ich kann den Impuls gut verstehen, die jüngsten Erfolge der ukrainischen Armee möglichst schnell weiter unterstützen zu wollen.“

Panzer können geliefert werden

Anders als Grüne und Liberale betonen die Sozialdemokraten geschlossen und auf Kanzlerlinie – so auch Leiser –, „dass wir nur in enger Abstimmung mit unseren Verbündeten agieren“. Ein absolutes Nein zu Kampfpanzern, die bisher auch nicht aus Frankreich, Großbritannien oder den USA zur Verfügung gestellt wurden, soll das aber nicht sein. „Es gibt keine rote Linie in der SPD, die Panzerlieferungen an die Ukraine ausschließt“, sagt der Außenpolitiker Schmid: „Wir sind in dieser Frage offen, wenn es innerhalb des Westens nun zu einer neuen Einschätzung kommen sollte.“ Selbst Stegner denkt in diese Richtung: „Gäbe es im Bündnis eine neue Linie dazu, wäre ich immer noch skeptisch – dann wäre für mich eine Zustimmung aber eher denkbar.“

Freilich ist noch nicht ausgemacht, ob es zu einer solchen Neubewertung kommt, die nicht nur Kiews Außenminister Dmytro Kuleba fordert („Die Ukraine braucht die Leoparden und Marder jetzt“), sondern auch Scholz’ Chefdiplomatin Annalena Baerbock. Der „FAZ“ sagte die Grüne, sie halte das „nicht für eine Entscheidung, die lange hinausgezögert werden sollte.“

Kein Druck aus Washington

Aus dem Kanzleramt ist dagegen zu hören, dass es keinen Druck aus Washington gebe und man sich im Bündnis weiter einig sei, vorerst keine modernen Kampfpanzer zu liefern. Für Wirbel sorgte diese Woche daher die „Bild“-Meldung, wonach US-Außenminister Anthony Blinken es in einem Brief an Baerbock und Scholz begrüßt hätte, wenn die Bundesregierung ihre Position in Bezug auf Panzer ändern würde. Die amerikanische Botschaft in Berlin stellte daraufhin klar, man wisse „die militärische Unterstützung Deutschlands für die Ukraine zu schätzen“ und werde sich „weiterhin eng mit Berlin abstimmen. Die Politik der Vereinigten Staaten hat sich nicht geändert“. Es folgte freilich noch der Aufruf, „so viel Unterstützung wie möglich zu gewähren“.

So oder so bleibt der Erwartungsdruck an Deutschland hoch. Diesem die Spitze zu nehmen dürfte denn auch das politische Ziel der SPD-Ministerin Lambrecht sein, die am Donnerstag neue Waffenlieferungen für die Ukraine ankündigte – zwei weitere Mehrfachraketenwerfer vom Typ Mars und 50 geschützte Dingo-Transportfahrzeuge. Das liegt ganz auf der bisherigen Scholz-Linie ohne Panzer, die er in dieser Woche erneut bekräftigt hat: „Wir haben uns ganz beziehungsweise sehr auf die Lieferung von Artillerie und von Waffen konzentriert, die der Luftverteidigung dienen, und werden das auch weiterhin tun.“ Ob und, wenn ja, wann die neue Offenheit der SPD-Fraktion für im Bündnis angestimmte Panzerlieferungen zum Tragen kommt, bleibt daher unklar.