Eine neue Auswertung des Jobcenters Stuttgart zeigt: 21 Prozent der Flüchtlinge, die man seit 2015 betreut, haben mittlerweile eine Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt gefunden. Meist verrichten sie aber Helferjobs.
Stuttgart - Es ist gerade viel die Rede von Förderjobs für Flüchtlinge. Aber wie sieht es aus mit Vermittlungen in den ersten Arbeitsmarkt? Beim Stuttgarter Jobcenter, wo man diese Zahl erstmals erhoben hat, haben 21 Prozent der Flüchtlinge, die man seit dem vergangenen Jahr betreut hat, direkt eine Stelle bekommen. „Das ist hoffnungsvoll“, findet Jobcenter-Chef Jürgen Peeß. Mehr als ein Anfang sei damit aber nicht gemacht.
Rund 8100 Flüchtlinge sind zurzeit in der Landeshauptstadt untergebracht. Bis jetzt hat nur ein Teil von diesen einen anerkannten Asylantrag in der Tasche. Sobald dies der Fall ist, erhalten die Menschen Hartz IV, zuständig für sie ist dann das Jobcenter. Dort sind inzwischen rund 1600 Familien registriert, in denen etwa 3000 Flüchtlinge leben, rund 800 von diesen sind unter 25 Jahre alt. 2200 Personen gelten als erwerbsfähig.
Berufsbezogene Sprachförderung ist nötig
Doch nicht alle haben bereits den Integrationskurs mit Sprachunterricht absolviert. „Ohne Integrationskurs nimmt uns die Leute niemand ab“, sagt Jürgen Peeß. Auch das Sprachniveau, das Flüchtlinge aus diesen Kursen mitbrächten, reiche in der Regel noch nicht und müsse durch eine berufsbezogene Sprachförderung ergänzt werden.
Um sich ein Bild zu machen, ob und in welchem Umfang die Vermittlung von Flüchtlingen in den ersten Arbeitsmarkt gelingt, hat man eine Gruppe ausgewählt, die darüber Aufschluss gibt: rund 700 Personen, die 2015 in den Hartz-IV-Bezug gekommen und erwerbsfähig sind und die man seither betreut hat. Aus dieser Gruppe seien bis jetzt 149 Menschen in Arbeit vermittelt worden, sagt Jürgen Peeß, eben jene 21 Prozent. Diese Quote mache ihn „sehr zuversichtlich“, erklärt der Jobcenter-Chef. Denn weil auch die Menschen aus diesem Kreis zum Teil noch nicht den Integrationskurs absolviert oder zeitweise wegen eines Sprachkurses gar nicht für die Vermittlung zur Verfügung gestanden hätten, hält Peeß den Wert durchaus für steigerbar, realistisch seien etwa 30 Prozent. Im Schnitt aller Gruppen liege die Vermittlungsquote bei 25 Prozent, sagt der Jobcenter-Chef.
Viele haben keine formale Berufsausbildung
Das ist die positive Seite der Sache. Die andere: Der größte Teil der vermittelten Flüchtlinge hat Helferjobs bekommen, in der Reinigungsbranche, als Lagerarbeiter, im Gastgewerbe oder auf dem Bau, um nur einige zu nennen. Aber: „Die offenen Stellen gerade im Helferbereich wachsen nicht in gleichem Maß wie die Zahl der Flüchtlinge, die anerkannt werden“, sagt Jürgen Peeß. Wodurch „relativ kurzfristige Integrationserfolge“ wie bisher schwieriger würden. So hätten nach bisherigen Erfahrungen mehr als 65 Prozent der erwerbsfähigen Flüchtlinge „keine formale Berufsausbildung“. In vielen Fällen müsse man sich auf Integrationsprozesse „von drei bis vier Jahren einstellen“, sagt der Jobcenter-Chef. Die Voraussetzungen, dass dies funktioniert, seien geschaffen. Peeß: „Die Struktur haben wir jetzt, die Akteure arbeiten engagiert.“
Teil dieser Struktur sind auch die Wirtschaftskammern und die Arbeitsagentur. Letztere hat eine ähnliche Rolle wie das Jobcenter, mit Zuständigkeit für noch nicht anerkannte Asylbewerber und für Geduldete. „Das sind etwa zehn Prozent der Fälle“, sagt Kugenthini Annalingam, die bei der Agentur für das Thema zuständig ist. Rund 500 Flüchtlinge habe man derzeit in der Beratung. Auch hier kann man Integrationen in den ersten Arbeitsmarkt vorweisen: 31 Personen haben einen Helferjob gefunden, fast ebenso viele eine Ausbildungsstelle. Dazu kommen mehr als 30 Praktikanten. Nach diversen Infoveranstaltungen in Unterkünften, bei Freundeskreisen und Sprachkursen kommen inzwischen Flüchtlinge in größerer Zahl zur Agentur. Dort kümmert man sich auch um die rund 400 jungen Neuankömmlinge, die gegenwärtig in 27 sogenannten Voba-Klassen (Vorqualifizierung Arbeit und Beruf mit Schwerpunkt auf dem Spracherwerb) an den beruflichen Schulen lernen.
Die meisten wollen schnell Geld verdienen
Dabei machen alle mit dem Thema befassten Stellen eine Erfahrung: Viele Flüchtlinge möchten gar keine Berufsausbildung machen, sie wollen schnell arbeiten und Geld verdienen, um ihre Familien zu unterstützen. Ein Ansatz der Agentur ist deshalb, die Menschen parallel zur Arbeit weiterzuqualifizieren. Und nicht wenige Flüchtlinge streben eine Hochschulausbildung an. „In Syrien gehen alle studieren“, hat Michaela Geya manchmal den Eindruck. Sie betreut bei der Handwerkskammer der Region das Projekt „Coaching für Flüchtlinge“, dessen Kernelement das Programm „Profil Match“ ist, bei dem die Kompetenzen der Flüchtlinge ermittelt werden. In vielen Fällen mangele es den Teilnehmern noch an den nötigen Sprachkenntnissen. Von 40 Personen, welche die Potenzialanalyse bisher durchlaufen haben, kämen acht für das Handwerk infrage, sagt Michaela Geya. Sie hofft nun, dass die Zahl der Teilnehmer des im April gestarteten Projekts bald deutlich steigen wird.
Jürgen Peeß bestätigt die Schul- und Hochschulorientierung gerade vieler junger Syrer. „Etwa 80 Prozent der unter 25-Jährigen waren auf dem Gymnasium oder an der Uni“, erzählt er. Das Ausbildungssystem dort ist sehr viel stärker schulisch geprägt. Und weil es in den Herkunftsländern der Flüchtlinge so etwas wie das duale System nicht gibt, sondern nur Learning by Doing, stehen Ausbildungsberufe bei jüngeren Flüchtlingen auch nicht so hoch im Kurs.
Die Flüchtlinge kennen das duale System nicht
So gehört es zu den wichtigen Aufgaben, diesen die Vorzüge des dualen Systems zu vermitteln. „Die Motivation zu arbeiten ist hoch“, sagt Zvonimir Markovic über die jungen Leute. „Aber man muss sie oft bremsen.“ Markovic ist Mitarbeiter der Koordinierungsstelle Ausbildung und Migration bei der IHK Region Stuttgart. Seit August werden dort auch Flüchtlinge betreut und wird deren Kompetenz festgestellt. Von den 250 Leuten, die man seither dort beraten hat, wurden neun in eine Ausbildung vermittelt, 40 in eine Einstiegsqualifizierung. Es sei nicht immer einfach, die Leute zu überzeugen, dass es besser sei, eine Ausbildung zu machen, sagt Markovic. Für die Kammer und für die Betriebe ist klar: „Wir sind an langfristigen Lösungen interessiert.“