Im Optimalfall wären die Module, die die Solarfirma produziert, schon vor der Herstellung verkauft – beispielsweise an einen Bürgerenergiepark. Foto: dpa/Jens Büttner

Gerhard Kreutz aus Kirchberg im Jagsttal will Mitmenschen an der Energiewende beteiligen und plant die erste deutsche Solarfabrik in Bürgerhand. Am Geld oder Standort sollte das Projekt nicht scheitern.

Statt zu antworten, lacht Gerhard Kreutz. Gefragt wurde er, warum die Idee bisher noch keinem kam. Er weiß es nicht. Er jedenfalls hatte sie im November 2021, erstmals an die Öffentlichkeit gegangen sei er damit erst im Sommer 2022 bei einer Veranstaltung in Stuttgart. Der 69-Jährige aus Kirchberg an der Jagst (Kreis Schwäbisch Hall) trägt gerade dazu bei, die erste Bürger-Solarfabrik Deutschlands aus dem Boden zu stampfen. Wer dieser Tage mit ihm telefoniert, hat einen optimistischen Mann in der Leitung. Die Geldgeber seien da, Standort-Optionen gebe es gleich mehrere, und einen Projektleiter hätten sie inzwischen auch, sagt er.

In seinem Berufsleben hatte Gerhard Kreutz nichts mit der Energiewende zu tun. Er war bei der Post, später arbeitete er als Lehrer. Im kleinen Kirchberg hat er allerdings 1994 als Pionier ehrenamtlich etwas mit aufgezogen: die rührige Energieinitiative Kirchberg. Das, was er jetzt zusammen mit anderen vorhat, dürfte deutlich höhere Wellen schlagen. „600 Millionen Euro Eigenkapital, das ist schon eine Hausnummer“, sagt Kreutz. So viel braucht es, um die Idee in die Tat umzusetzen. Die Fabrik koste eine Milliarde Euro. Zusammenkommen soll das Eigenkapital durch ein Crowdinvesting, also eine Beteiligung von Menschen aus ganz Europa. „Es sind etliche, die sagen, wir haben Geld, wir machen mit“, berichtet Kreutz.

15 Millionen Module im Jahr sollen produziert werden

Mitmachen könne im Prinzip jeder. Sei es über eine Bürgerenergie-Genossenschaft, die in die Solarfabrik investiert, sei es privat. Durchaus auch mit kleineren Beträgen. Ein weiteres Modell wäre, dass man Solarmodule, die man braucht, per Vorkasse kauft. Jährlich sollen in der Fabrik 15 Millionen Solarpaneele hergestellt werden – für das Dach, aber auch für den Balkon. Wer die Module in einer Freiflächenanlage verbauen will, darf das, wenn auch an ihr wiederum Bürger beteiligt sind.

Und genau an dieser Stelle sieht der Projektleiter Paul Grunow – der vor 20 Jahren selbst zwei Solarfabriken gebaut hatte und inzwischen im Ruhestand ist – einen wichtigen Stellhebel: Man stelle sich vor, Städter, die bei sich in direkter Nachbarschaft nicht in Photovoltaik investieren könnten, könnten sich an einer Freiflächenanlage außerhalb der Stadt beteiligen. Bestückt würde die Anlage mit Modulen aus der Bürger-Solarfabrik. Oder anders ausgedrückt: Die Großanlage entsteht durch viele Modul-Investoren. Optimalerweise, so Paul Grunow, würde bereits die erste Produktionslinie für ein solches Solarprojekt vorbestellt. „Damit wäre die ganze Unternehmung abgesichert.“

Ein Ziel ist es auch, die Abhängigkeit von Asien zu verringern

Wie Kreutz sagt auch Grunow, das Projekt scheitere nicht am Geld oder dem Standort. „Dieses Moment der Investitionsbereitschaft stimmt mich optimistisch.“ Er spricht mit Blick auf die Bürgerbeteiligung beim Ausbau der Erneuerbaren von einem „ungehobenem Potenzial“. Probleme machen könnte der „ungewöhnliche Finanzierungsweg“ aber durchaus. Es gebe für Banken keine Blaupause. Zudem seien Module aus China günstig verfügbar. Doch genau darum gehe es ihnen ja auch: eine heimische Alternative zu bieten, die Abhängigkeit von Asien zu verringern und „eine Basistechnologie“, wie Grunow es nennt, aufzubauen. Oder besser gesagt: wieder aufzubauen, denn es gab ja durchaus Zeiten, als die Branche hierzulande aufblühte. Sie wurde abgewürgt, als die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung vor rund zehn Jahren die Förderung für erneuerbare Energien gestrichen hatte.

Die Kampagne, um das Geld für die Bürger-Solarfabrik einzusammeln, soll im Mai beginnen, den Spatenstich erhofft man sich für 2024. Zu klären wäre freilich zunächst die Standort-Frage. Derzeit gibt es laut Gerhard Kreutz vier konkrete Anfragen: aus Nordrhein-Westfahlen, Sachsen-Anhalt, Berlin-Brandenburg und Saarlouis. Sogar eine alte Solarfabrik ist darunter. Was sie sich gut vorstellen könnten: die Produktionsstätte in einem Kohlegebiet aufzubauen und damit in der Gegend etwa 4000 neue Jobs zu schaffen.

Infos zur Solarfabrik

Kontakt
Wer bei dem Solarfabrik-Projekt von Gerhard Kreutz und Paul Grunow auf dem Laufenden bleiben will, kann sich über diese Internetadresse informieren: www.bürger-solarfabrik.de. Fragen beantwortet aber auch Gerhard Kreutz per E-Mail an kreutzgerhard@gmail.com. Die europaweite Finanzierungskampagne für die Solarfabrik soll im Mai 2023 beginnen.

Produktion
Im Jahr sollen in der Solarfabrik 15 Millionen Module mit einer Gesamtleistung von fünf Gigawatt gefertigt werden. Die Ideengeber rechnen mit rund 4000 Arbeitsplätzen. Die Herstellung der Module soll nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip erfolgen; das heißt, dass die Rohstoffe sich in einem Kreislauf bewegen. Die Anschlussleistung der Fabrik selbst soll bei 160 Megawatt liegen, sie soll gleichzeitig ein großes Strom-, Wärme- und Speicherkraftwerk sein. ana