Arzneimittel in homöopathischen Dosen: Globuli bestehen aus Milchzucker, der mit den Wirkstoffen benetzt wurde Foto: Andrea Warnecke/dpa

Derzeit schniefen, husten und fiebern wieder viele Menschen. Gerade Kinder bekommen dann häufig Globuli oder andere Homöopathika. Doch darin sind meist keine Wirkstoffe, die etwas bewirken können. Was also ist Homöopathie eigentlich? Und wie soll sie helfen?

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will offenbar endgültig die Homöopathie aus dem gesetzlichen Kassenwesen verbannen. "Homöopathie macht als Kassenleistung keinen Sinn. Auch den Klimawandel können wir nicht mit Wünschelruten bekämpfen. Die Grundlage unserer Politik muss die wissenschaftliche Evidenz sein", erklärt Lauterbach zu seinen Plänen.

Die Einnahme von Globuli und anderen Homöopathika ist in Deutschland weit verbreitet. Diese heißen etwa Euphorbium, Meditonsin oder Belladonna D12. Zahlreiche Menschen denken, dies seien gute Arzneimittel. Aber stimmt das überhaupt? Ein Faktencheck: 

Wirkt Homöopathie gegen Krankheiten?

Die Antwort: Jein. Diese Mittel wirken nicht direkt gegen Krankheiten. In den allermeisten Homöopathika sind überhaupt keine Inhaltsstoffe enthalten, die im Körper etwas ähnliches ausrichten könnten wie schulmedizinische Medikamente. 

Der Arzt und Schulmediziner Andreas Berger-Waltering arbeitet am Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in Berlin. Zu seinen Aufgaben gehört es, der Bevölkerung Informationen zu gesundheitlichen Fragen zu geben. Er sagt: „Es gibt keine wirklich gute Untersuchung, die zeigt, dass Globuli mehr wirken als eine Zuckertablette.“

Was ist Homöopathie?

Die Homöopathie ist vor rund 200 Jahren entwickelt worden. Die Idee dahinter: Alles, was einen Gesunden krank macht, kann auch einen Kranken gesund machen. Deswegen werden Krankheiten mit den Mitteln behandelt, die ähnliche Beschwerden hervorrufen. Weil diese aber normalerweise zu schädlich wären, werden sie stark verdünnt.

Aktivierung der Selbstheilungskräfte

In Deutschland ist die Homöopathie ein weit verbreitetes Verfahren, bei dem die Selbstheilungskräfte des Körpers aktiviert werden sollen. Die Substanzen werden extrem verdünnt und meist als Tropfen, Tabletten oder Kügelchen (Globuli) verabreicht.

Manchmal werden sie so verdünnt, als würde man einen Tropfen in eine Badewanne mischen. Manchmal sogar so sehr, als würde man den Tropfen in einen Ozean geben. Die Anhänger der Homöopathie glauben: Je mehr verdünnt, desto stärker die Wirkung, denn Wasser habe ein Gedächtnis. Berger-Waltering erklärt dazu: „Das ist so stark verdünnt, dass es gar keine Wirkung mehr haben kann.“

Mehr Wirkung als Placebos?

Trotzdem sagen immer wieder Menschen, dass es ihnen nach der Einnahme von Globuli & Co. deutlich besser geht. Der Gesundheitsexperte erklärt das mit dem Placebo-Effekt. Das seien positive Effekte, die bei der Behandlung mit einem Scheinmedikament hervorgerufen werden. „Mein Körper denkt: Ich habe etwas genommen, jetzt muss etwas passieren.“

Laut Berger-Waltering zeigten "alle richtig guten Studien", dass die Wirkung von Globuli nicht über die Wirkung eines Placebos hinausgehen. „Man hat dabei einer Gruppe Globuli gegeben und einer Gruppe Zuckerkügelchen, und die hatten alle gleich lang Beschwerden und waren gleich lang krank.“

Potenz D 78: Wie ein Tropfen der Urtinktur im Universum

Das von dem deutschen Arzt Samuel Hahnemann (1755-1843) begründete Heilverfahren beruht auf zwei Säulen:

  • der Ähnlichkeitsregel und
  • der Potenzierungsregel.

„Ähnliches soll durch Ähnliches geheilt werden“, lautet der wichtigste Glaubenssatz. An Gesunden soll das Homöopathikum ähnliche Symptome hervorrufen wie die, an denen Kranke leiden.

Die Mittel wird in extrem niedriger Dosis zubereitet. Bei dieser sogenannten Potenzierung wird die Ursubstanz so lange mit einer Wasser- oder Alkohollösung verdünnt und verschüttelt, bis das Extrakt kein einziges Wirkstoffmolekül mehr enthält.

Ein Beispiel: Ein Mittel der Potenz D 23 (Verhältnis eins zu 100 Trilliarden) entspricht einem Tropfen der Urtinktur im Mittelmeer. Die Potenz D 78 entspricht eins zu einer Tredezillion – ein Tropfen im Universum. In Deutschland werden Mittel bis zu einer Potenz von D 1000 hergestellt. Hier streikt jedoch die Vorstellungskraft.

Baden-Württemberg ist Homöopathie-Hochburg

Der Südwesten ist Deutschlands Homöopathie-Hochburg. Viele Firmen sind hier ansässig - zum Beispiel:

  • Weleda (Schwäbisch Gmünd)
  • Wala Heilmittel (Bad Boll)
  • Staufen-Pharma (Göppingen) 
  • Biologische Heilmittel Heel (Baden-Baden)

Sie stellen aus pflanzlichen, tierischen und mineralischen Substanzen homöopathische Präparate her.

In den Arzneimittelschränken vieler Haushalte stehen braune Fläschchen mit weißen Kügelchen. In keiner homöopathischen Hausapotheke dürfen Globuli mit Aconitum (Eisenhut), Arnica (Bergdotterblume) oder Belladonna (Schwarze Tollkirsche) fehlen.

Über keine andere Komplementärmedizin wird so kontrovers diskutiert wie über die Homöopathie. Ihre Anhänger preisen die therapeutischen Erfolge der bis zur Flüchtigkeit verdünnten Wirkstoffe, die in Globuli, Tabletten und Lösungen angeboten werden. Kritiker dagegen prangern sie als Scharlatanerie und Hokuspokus an.

„Memory Effekt“ und Potenzierung

In der Homöopathie geht man davon aus, dass Stoffe in extremer Verdünnung stärker wirken als in konzentrierter Form. Dass in den Mitteln keinerlei Rückstände der Ursubstanz mehr vorhanden sind, ist irrelevant, weil deren Informationen im Wasser „energetisch“ gespeichert sind. In der molekularen Struktur von H2O werden Informationen wie auf einem Magnetband gespeichert.

Auf diesem Memory-Effekt beruht die Homöopathie. Sie behandelt zudem keine Krankheiten und Symptome, sondern den ganzen Menschen. Eine sanfte, ganzheitliche Medizin ohne Nebenwirkungen, betonen ihre Anhänger, die oft helfe, wenn die Schulmedizin versagt – vor allem bei chronischen Leiden wie Heuschnupfen, Neurodermitis, Migräne oder Allergien.

Reine Glaubenssache?

Die zahllosen Kritiker sind da ganz anderer Meinung. Für sie ist die Homöopathie reine Glaubenssache, für die es keine wissenschaftlichen Beweise gibt. Sie gehen davon aus, dass mögliche Erfolge ausschließlich auf einem Placeboeffekt beruhen. Placebos sind vorgetäuschte Behandlungen oder Scheinmedikamente, die wirken können.

Schon die Vorstellung, dass man eine Arznei erhält, kann bei vielen Patienten einen Heilungseffekt bewirken. Der Placeboeffekt ist allerdings keineswegs auf die Homöopathie beschränkt, sondern spielt auch in der Schulmedizin eine wichtige Rolle.