Eine Frau schiebt einen Kinderwagen und geht begleitet von mehreren Kindern. Die Ampel-Koalition hat sich beim Streitthema Kindergrundsicherung geeinigt. Foto: dpa/Fernando Gutierrez-Juarez

Aus einem Einigungspapier der Ampel-Koalition geht hervor, dass die Kindergrundsicherung bei ihrer Einführung im Jahr 2025 etwa 2,4 Milliarden Euro Mehrkosten verursachen würde und in den Folgejahren gar auf sechs Milliarden Euro ansteigen könnte. In der Kindergrundsicherung sollen bisherige Leistungen gebündelt werden.

Kurz vor ihrer Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg hat sich die Ampel-Regierung beim Streitthema Kindergrundsicherung geeinigt. Der Einigung gingen monatelange und verbissene Grundsatzdiskussionen vor allem zwischen den Grünen und der FDP in der Ampel von Kanzler Olaf Scholz (SPD) voraus.

Wie viel kostet die Kindergrundsicherung?

Für die geplante Kindergrundsicherung werden im Jahr ihrer Einführung 2025 zunächst rund 2,4 Milliarden Euro Mehrkosten veranschlagt. Das geht aus einem Einigungspapier der Ampel-Koalition vor.

Aus Regierungskreisen heißt es, dass bei steigender Inanspruchnahme der Leistungen der Kindergrundsicherung die Kosten in den Folgejahren auch auf bis zu 6 Milliarden Euro ansteigen könnten.

Wann hat sich die Ampelkoalition geeinigt?

Grüne und FDP hatten monatelang hart über die Finanzierung gestritten und sich in der Nacht zum Montag schließlich geeinigt. Die Familienministerin Lisa Paus von den Grünen wollte zuerst zwölf Milliarden Euro pro Jahr für das Vorhaben. Finanzminister Christian Lindner (FDP) nannte als „Merkposten“ eine Summe von nur 2 Milliarden Euro.

Was beinhaltet die Kindergrundsicherung?

In der Kindergrundsicherung sollen bisherige Leistungen wie das Kindergeld, Leistungen aus dem Bürgergeld für Kinder oder der Kinderzuschlag gebündelt werden. Durch mehr Übersichtlichkeit und mithilfe einer zentralen Plattform sollen auch viele Familien erreicht werden, die bisher wegen Unkenntnis oder bürokratischer Hürden ihnen zustehende Gelder nicht abrufen.

„Künftig wird es nur eine Anlaufstelle für alle Kinderleistungen geben“, heißt es in dem Papier. Zuständig sein soll demnach der „Familienservice der Bundesagentur für Arbeit“. Die Familienkassen sind bereits heute etwa für die Auszahlung des Kindergelds zuständig.

Wann werden die Leistungen der Kindergrundsicherung erhöht?

Zu möglichen konkreten Erhöhungen von Leistungen im Zusammenhang mit der Einführung der Kindergrundsicherung trifft das Papier keine Aussagen. Durch eine Neuberechnung des soziokulturellen Existenzminimums würden sich aber Regelbedarfe in der zweiten Säule der Kindergrundsicherung – dem sogenannten Zusatzbetrag – erhöhen. Konkrete Daten lägen hierzu erst nach Berechnungen durch das Statistische Bundesamt vor.

Was ist die Kindergrundsicherung?

Bei der Kindergrundsicherung geh es um das Minimum an Mitteln, das Kinder benötigen, um materiell abgesichert zu sein und das ihnen gleichzeitig ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht – also etwa Kino, Sportverein oder Musikunterricht.

Dieses Existenzminimum wird auf Basis von Statistiken berechnet. Daran sind dann etwa Bürgergeldsätze und andere staatliche Leistungen ausgerichtet. Im Koalitionsvertrag hatte sich die Ampel vorgenommen, das soziokulturelle Existenzminimum neu zu definieren. Darauf pocht Paus in der Hoffnung, dass am Ende höhere Leistungen für Kinder stehen. Die möglichen Kosten dafür sind offen.

Wer ist von Kinderarmut betroffen?

Die Zahl der Kinder mit deutscher Staatsbürgerschaft, die mit ihren Eltern auf Bürgergeld – also aufsozialstaatliche Grundsicherung – angewiesen sind, ist in den vergangenen acht Jahren deutlich um mehr als ein Drittel gesunken. Das geht aus aktuellen Daten der Bundesagentur für Arbeit hervor.

2015 hatten noch 1,57 Millionen solcher Kinder von den damaligen Hartz-IV-Bezügen gelebt, bis März diesen Jahres sank die Zahl auf 1,03 Millionen, die auf das seit 1. Januar 2023 eingeführte Bürgergeld angewiesen sind.

Wie haben sich die Zahlen hilfsbedürftiger ausländischer Kinder entwickelt?

Die Gesamtzahl der betroffenen Kinder ist demnach allerdings über diese acht Jahre konstant geblieben. Denn durch Fluchtmigration kamen viele Kinder neu nach Deutschland und in das Hilfesystem hinein.

Den Angaben der Bundesagentur zufolge haben derzeit insgesamt 47,8 Prozent der Kinder im Bürgergeld eine ausländische Staatsangehörigkeit – gegenüber 18,9 Prozent im Jahr 2015.

Seit 2015 kamen demnach mehr als 300 000 Kinder aus Syrien, Irak, Afghanistan und anderen Asylherkunftsländern in das Sozialsystem hinzu, seit 2022 dann noch rund 270 000 Kinder aus der Ukraine.

Sind Kinder in Deutschland von Armut besonders betroffen?

Zuletzt hatte die Bertelsmanns Stiftung in Gütersloh eine Studie zur Kinderarmut in Deutschland vorgelegt. Der Analyse zufolge sind die Zahlen unverändert hoch und das Problem eine „unbearbeitete Großbaustelle“, heißt es in dem Bericht. Rund 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche wachsen in Armut auf – 21,3 Prozent aller unter 18-Jährigen, wie die Bertelsmann Stiftung Mitte Juli berichtete. „Seit Jahren ist der Kampf gegen Kinderarmut eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen in Deutschland.“

Mehr als jeder fünfte Heranwachsende sei betroffen – mit regional starken Unterschieden. Nach Bundesländern werden in den Stadtstaaten Bremen und Berlin besonders viele Kinder und Jugendliche in finanziell schwachen Verhältnissen groß. In Bayern und Baden-Württemberg sieht es für sie im Vergleich am besten aus.

Info: Armut in Deutschland

Armut
In Deutschland waren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) in Wiesbaden im vergangenen Jahr rund 17,3 Millionen Menschen von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Das entsprach etwa einem Fünftel (20,9 Prozent) der Bevölkerung. Im Vorjahresvergleich blieben die Zahlen nahezu unverändert. So lag der Anteil im Jahr 2021 bei 21 Prozent. Die Statistiker bezogen sich bei ihren Daten auf erste Ergebnisse der Erhebung zu Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC).

Kriterien
Laut den Angaben gilt ein Mensch in der EU als von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht, wenn mindestens eine der folgenden drei Bedingungen zutrifft: • Das Einkommen liegt unter der Armutsgefährdungsgrenze. • · Der Haushalt ist von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen. • Die Person lebt in einem Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung.

Armutsgefährdungsquote
Die sogenannte Armutsgefährdungsquote gibt den Anteil derjenigen an, deren verfügbares Einkommen unter Einbeziehung möglicher Sozialleistungen unter 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung liegt. 2022 lag dieser Wert beispielsweise für Alleinlebende hierzulande bei 1250 Euro netto im Monat. Konkret waren 2022 etwa 12,2 Millionen Menschen (14,7 Prozent) armutsgefährdet. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 hatte die Armutsgefährdungsquote 16 Prozent betragen.

Grade von Armut
Erhebliche materielle und soziale Entbehrung: Den Daten zufolge waren 5,1 Millionen Menschen (6,1 Prozent) 2023 von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen (2021: 4,3 Prozent). „Das bedeutet, dass ihre Lebensbedingungen aufgrund von fehlenden finanziellen Mitteln deutlich eingeschränkt waren“, erklären die Destatis-Statistiker. So seien sie beispielsweise nicht in der Lage, Rechnungen für Miete oder Hypotheken zu zahlen, eine Woche in den Urlaub zu fahren, abgewohnte Möbel zu ersetzen oder einmal im Monat im Freundeskreis oder mit der Familie etwas essen oder trinken zu gehen. • Sehr niedrige Erwerbsbeteiligung: Etwa 9,7 Prozent der Bevölkerung unter 65 Jahren oder 6,1 Millionen Menschen in Deutschland lebten 2022 in einem Haushalt mit sehr niedriger Erwerbsbeteiligung (2021: 9,5 Prozent). „Das heißt, die Haushaltsmitglieder waren insgesamt sehr wenig oder nicht in den Arbeitsmarkt eingebunden“, heißt es seitens Destatis.