Winamax ist seit dieser Saison Haupt- und Trikotsponsor des VfB Stuttgart. In unserer Bildergalerie blicken wir auf sämtliche Trikotsponsoren der Bundesligaclubs. Foto: Baumann

Die Aufregung war groß, als sich der VfB Stuttgart zu Saisonbeginn mit Winamax einen Wettanbieter auf die Trikotbrust holte. Nun ist der Ärger verflogen, Branchenkenner kommen zu dem Urteil: „Richtig Geld verzockt wird woanders.“

Um Winamax ist es ruhig geworden. Die kritische Masse des Fans arbeitete sich zuletzt am geplatzten Investoren-Deal der DFL ab. Und aktuell bietet der Fußball-Bundesligist reichlich vereinspolitische Anknüpfungspunkte, sich mit ihm zu beschäftigen. Die kritischen Stimmen gegen den Haupt- und Trikotsponsor des VfB Stuttgart sind hingegen weitgehend verstummt. Den Anti-Wettspiel-Aktivisten Thomas Melchior hat man rund um die Stuttgarter Arena schon lange nicht mehr gesehen, Investor Porsche (zu diesem Thema) nicht mehr gehört, und auch Winamax selbst hält sich dezent zurück. Seit der umstrittenen Rubbellos-Aktion zu Saisonbeginn hat man die Franzosen nicht mehr in (PR-)Aktion erlebt.

 

Was ist passiert?

Außer dass der VfB erstaunlich erfolgreich Fußball spielt, tatsächlich einiges. Das mit einem Drei-Jahres-Vertrag ausgestattete Unternehmen ist Teil der Stuttgarter Normalität geworden. „Unser Plan mit dem VfB Stuttgart“, sagt der Marketing-Beauftragte Felix Boddenberg, „ist bislang voll aufgegangen.“ Was viel mit den sportlichen Erfolgen zu tun hat, die den Tabellen-Dritten in der kommenden Saison womöglich in die Champions League führen und dem Sportwetten-Anbieter weitere Bekanntheit versprechen dürfte. Vor allem stellt das Unternehmen mit Erleichterung fest, dass unter den zahlreichen Gegnern eine gewisse Reinwaschung stattgefunden hat. Winamax gilt unter Kritikern plötzlich nicht mehr als Übel schlechthin. Als Teil einer maximal schlecht beleumundeten Branche, die mit dem Leid ihrer Kunden – Stichwort Wettsucht – Kasse macht.

„Man könnte fast sagen, sie sind das weiße Schaf unter den schwarzen“, sagt Florian Friederich. Mit seinem Stuttgarter Unternehmen Chargeback24 kämpft er als eine Art Wettspiel-Robin-Hood darum, Verluste von Spielsüchtigen vor Gericht zurückzuholen. Von Winamax habe er nur einen einzigen Kunden, wie er berichtet. Dabei gehe es um 3300 Euro. „Richtig Geld verzockt wird woanders“, sagt Friederich.

Wettanbietern droht Klagewelle

Zum Beispiel bei Anbietern wie Tipico, Bet 365, Bet-at-home oder Betano. Kürzlich verurteilte das Stuttgarter Oberlandesgericht Tipico zur Rückzahlung von 377 000 an einen Spieler aus dem Raum Heilbronn. Grundlage des Urteils: Tipico – wie allen anderen schon länger auf dem deutsche Markt befindlichen Anbietern – habe bis 2020 die rechtliche Grundlage für ihr Angebot gefehlt. Erst da trat der aktuell gültige Glücksspielstaatsvertrag in Kraft. Ganz aktuell hat auch der Bundesgerichtshof als höchste deutsche Instanz in einem Fall von Betano, einem der großen Sponsoren der Fußball-EM, zu Gunsten eines Zockers entschieden. Rechtsexperten wie die auf Sportwetten spezialisierte Kanzlei HFS aus Ludwigsburg erwarten nach dem Urteil eine riesige Klagewelle.

Winamax ist außen vor. Der Grund: Die Franzosen sind erst seit 2021 auf dem deutschen Markt aktiv. Sie unterscheiden sich laut Experten von der Konkurrenz, indem sie sich an die vorgegebenen, aber schwer zu kontrollierenden Spielregeln halten. Vor allem, was das umstrittene Live-Wetten-Spiel Cashout und das Einzahlungslimit von 1000 Euro betrifft. Ein gesetzlicher Schutz gegen das Abdriften in die Spielsucht. „In Deutschland haben wir mit dem Glücksspielstaatsvertrag eine der strengsten Regulierungen Europas. Die Anbieter werden intensiv geprüft und kontinuierlich überwacht. Tatsächlich ist die Regulierung so restriktiv, dass wir eine Abwanderung der Spielenden in den Schwarzmarkt - wo es keinen Spielerschutz gibt - beobachten“, sagt der Deutsche Sportwettenverband.

„Behörden wird auf der Nase herumgetanzt“

Worüber Florian Friederich nur müde lächeln kann. „Auch die allermeisten lizenzierten Anbieter diesseits des Schwarzmarkts halten sich nicht daran. Das Einzahlungslimit kann leicht umgangen werden, andere Restriktionen genauso. Den kontrollierenden Behörden wird auf der Nase herumgetanzt,“ hat der Stuttgarter Unternehmer festgestellt.

Im Unterschied zu Winamax sind Tipico und Co. historisch bedingt im lange Zeit ungeregelten und entsprechend ungezügelten deutschen Markt groß geworden – und nutzen noch immer die sich bietenden Schlupflöcher und Graubereiche wie Cashout. Winamax, der Neueinsteiger, kommt im Vergleich dazu daher wie früher das staatliche Oddset. Regelkonform und ohne kickbringende Extras. Für echte Zocker also fast ein wenig langweilig.

Winamax selbst formuliert es so: „Wenn man sich als lizenzierter Anbieter streng an die geltenden Regeln hält, so wie wir es bei Winamax auch machen, ist das Business in Deutschland hart umkämpft. Hinzu kommt ein wachsender Schwarzmarkt, der uns große Probleme bereitet.“ Der Markt für legale Anbieter hingegen unterliege strengen Regeln, sodass „die Wirtschaftlichkeit eines solchen Geschäftsmodells nicht zwingend von Anfang gegeben ist“, sagt Felix Boddenberg. Die 8,5 Millionen Euro, die das Unternehmen für sein Sponsoring an den VfB jährlich überweist, müssen erst einmal eingespielt werden. Der Marketing-Beauftragte für Deutschland beklagt zudem viele Restriktionen im Bereich der Werbung. Mit ein Grund, warum das Unternehmen zurückhaltend agiert und nicht so, wie es eigentlich gerne würde.

Mit anderen Worten: Winamax hat sich den Einstieg auf dem deutschen Markt anders vorgestellt. Angesichts einer wachsenden Zahl von Spielsüchtigen – Schätzungen zufolge 1,3 Millionen in Deutschland – werden zugleich die Stimmen lauter, die ein komplettes Verbot von Sportwettenwerbung in Deutschland fordern. Es würde die Branche hat treffen – und damit auch den eng verknüpften Fußballbetrieb.