Hat die Bundesregierung den VW-Skandal durch Wegschauen befördert? Diese Frage sollen nun Gerichte klären. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

438 000 Kläger stehen hinter dem Prozess, in dem Dieselkäufer den VW-Konzern auf Schadenersatz verklagen. Ein Teil von ihnen will nun auch den Staat in Haftung nehmen.

Stuttgart - Der Bundesrepublik Deutschland droht eine Flut von Staatshaftungsklagen von VW-Besitzern, die der Bundesregierung vorwerfen, beim Dieselskandal zu lange weggeschaut und damit Beihilfe zum Betrug geleistet zu haben. „Wenn der VW-Konzern noch bis Mitte 2018 manipulierte Autos verkaufen konnte, spricht vieles dafür, dass der Staat seinen Aufgaben nicht gerecht geworden ist“, sagte Ralf Stoll, dessen Kanzlei VW in einem sogenannten Musterfeststellungsverfahren verklagt. Seit Ende August haben sich der Klage 8000 weitere Dieselkäufer angeschlossen, insgesamt sind es nun 438 000. Rund 50 Klagen gegen den Staat seien bereits eingereicht, mehrere Hundert würden noch folgen, sagte Stoll.

„Rolle des Staats wiegt noch schwerer als die von VW“

Die meisten Kläger seien auch an der Musterklage beteiligt, sagte Stoll. „Dass der Staat beim Diesel mit drin hängt, wiegt für viele noch schwerer als die Rolle von VW“, sagte der Anwalt. In den Verfahren werde auch geprüft werden müssen, ob sich Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer und sein Vorgänger Alexander Dobrindt (beide CSU) persönlich schuldig gemacht hätten.

Unterdessen rufen Rechtedienstleister die Käufer von Dieselautos dazu auf, sich bis zum 30. September aus der Musterfeststellungsklage abzumelden und stattdessen über Prozessfinanzierer gegen VW vorzugehen. Angesichts der jahrelangen Dauer des Musterverfahrens könne VW von einer Schadenersatzzahlung hohe Summen als sogenannte Nutzungsentschädigung abziehen, sagte Jan-Eike Andresen, Chefjustiziar des Berliner Rechtsdienstleisters My Right, der rund 60 000 VW-Besitzer vertritt, unserer Zeitung. Stoll dagegen warnt, durch die Provisionszahlungen an den Dienstleister könne der wirtschaftliche Vorteil aus einem gewonnenen Prozess verloren gehen.