Bernd Klingler hat die Partei gewechselt Foto: dpa

Im Stuttgarter Rathaus kommt die Flurbereinigung zwischen FDP und AfD voran. Das persönliche Schicksal von Bernd Klingler, der ins Visier der Staatsanwaltschaft geriet, die Liberalen im Streit verließ und die Rechtskonservativen zur Fraktion machte, entscheidet sich aber nicht vor April.

Stuttgart - Es muss nicht immer Streit sein. Am Mittwoch wurde im Rathaus friedlich geklärt, wie die FDP und die Alternative für Deutschland (AfD) fortan in Ausschüssen, Aufsichtsräten und Beiräten vertreten sein werden – nachdem Bernd Klingler (46) die Liberalen verlassen und die AfD anstelle der FDP zur Fraktion gemacht hatte.

In den wichtigsten Ausschüssen ändert sich ohnehin nichts, weil dort beide Parteien schon bisher je einen Sitz hatten. Da, wo Klingler mitwirkt, sitzt er künftig halt für die anderen. In sonstigen Gremien, vor allem in Beiräten, überließen der FDP-Abtrünnige und seine neuen rechtskonservativen Freunde der FDP mehr Sitze, als dieser zustünden. Das führt dazu, dass Dr. Heinz Lübbe das eine oder andere kulturelle Steckenpferd weiterreiten kann. Der FDP-Stadtrat also, der Klinglers väterlicher Duzfreund war, ehe Lübbe und Co. ihrem damaligen Fraktionschef Klingler Unstimmigkeiten bei den Fraktionsfinanzen vorwarfen und die Staatsanwaltschaft auf den Plan riefen.

Die AfD honoriert mit der Großzügigkeit allerdings auch ein Entgegenkommen der FDP. Die zeigte sich bereit, im Gemeinderatsplenum nach ganz hinten zu rücken und die AfD nach vorn zu lassen – samt Zugang zur ersten Reihe. Die neue Sitzordnung spruchreif zu machen, wird allerdings dem OB und Gemeinderatsvorsitzenden Fritz Kuhn (Grüne) vorbehalten sein.

Konfliktträchtiger könnte noch werden, in welchen Räumen die FDP und die AfD künftig ihre Büros und Besprechungen haben. Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle (Grüne) kann keine zusätzlichen Flächen anbieten. Da die AfD aber bedeutender wurde, hat sie Ansprüche. Also hofft Wölfle auf einen einfachen Tausch. Bei dem Gespräch am Mittwoch, zu dem alle Fraktionschefs zusammenkommen sollten, sich die sachlich nicht betroffene Riege von SÖS/Linke-plus pikanterweise aber von Alexander Kotz (CDU) vertreten ließ, wurde schon mal eine Variante ins Auge gefasst: Die FDP gibt einen ihrer Räume an die AfD ab. Die Sache kranke aber noch daran, heißt es, dass Klingler den Liberalen früher im Streit gesagt habe, er werde auf dem Fraktionsvorsitzenden-Stuhl in den FDP-Räumen sitzen bleiben. Der interne Streit erhielt so ein Symbol. An diesem Donnerstag will die FDP die Raumfrage noch mal beraten. Danach muss Wölfle vielleicht schlichten.

Eine Frage spielte bisher offiziell keine Rolle; die Frage, was passiert, wenn sich die Sitzverhältnisse wieder ändern. Gegen den AfD-Rechtsausleger Dr. Heinrich Fiechtner ist ein Parteiordnungsverfahren anhängig, weil er Kuhn beleidigte und über Gemeinsamkeiten zwischen dem Koran und Hitlers Machwerk „Mein Kampf“ schwadronierte. Ein Ausschluss könnte bedeuten, dass auch die AfD wieder zur Gruppierung absteigt. Damit würde sie 60 000 Euro pro Jahr verlieren, die sie durch den Fraktionsstatus soeben zur Finanzierung von Fraktionspersonal, Sachmitteln und Öffentlichkeitsarbeit mit dem Fraktionsstatus hinzugewann.

Spekulationen, die AfD wolle deshalb das Ausschlussverfahren verschleppen und niederschlagen, seien „Kappes“, sagte der Co-Fraktionschef und Pressesprecher der Stuttgarter AfD, Lothar Maier, unserer Zeitung. Allerdings sei völlig unklar, wie lang sich das Verfahren hinziehen werde und wie es ende.

Das persönliche Schicksal des Mannes, der im Mittelpunkt der Turbulenzen im Gemeinderat steht, ist noch weniger vorherzusagen. Gegen Bernd Klingler ermittelt die Staatsanwaltschaft „ergebnisoffen“ wegen Verdachts auf Untreue. Dreh- und Angelpunkt ist die Frage, welche Gegenleistungen die FDP bekam, nachdem Klingler nach anderen Aufträgen auch noch die Herstellung einer Imagebroschüre über die FDP-Riege an eine Firma im Stuttgarter Westen vergeben hatte. Für insgesamt vier Tranchen von je 20 000 Exemplaren sollen viermal je 5875,01 Euro geflossen sein. Erst nachdem die Fraktion Unstimmigkeiten moniert hatte, konnte Klingler Ende 2014 Rechnungen von 2013 beibringen.

Auffällig blieb, dass es von der Adresse bis zur Telefonnummer Gemeinsamkeiten gegeben haben soll zwischen der Auftragnehmerin und einem Verwandten der Frau, mit der Klingler zu jener Zeit gesehen wurde. Die Versuche der FDP, den weiteren Weg der Drucksachen nachzuverfolgen, und die Kontaktaufnahme mit der Auftragnehmerin scheiterten, heißt es bei der FDP. Von einem Großteil der Druckerzeugnisse wisse man nichts über den Verbleib. Listen, wie die Flyer verteilt wurden, habe man bis heute nicht. Ein Gerichtsvollzieher habe ein FDP-Schreiben auch nur in den Briefkasten werfen können. Ähnliche Probleme scheinen nun auch die Ermittler zu haben. Die Firma im Westen existiert offenbar nicht mehr.

Wieder erhalten hat die FDP 12 500 Euro, die Klingler zur Begleichung von Rechnungen für die FDP der Einfachheit halber in seinen eigenen Geschäftsräumen aufbewahrt haben will. Auch hier jagen sich die Gerüchte. Klingler soll damit einen Engpass in seiner Werbeagentur überbrückt haben, lauten die Vorwürfe. Doch Klingler lässt alles von sich abprallen, spricht von Intrigen. Die angebliche Freundin sei für ihn „nicht Partnerin in dem Sinne“ gewesen. Die Auftragnehmerin habe er bei einer Fachmesse kennengelernt, ihr günstiges Angebot genutzt. Die Entnahme der 12 500 Euro habe er korrekt im Kassenbuch vermerkt. Im Privatgeschäft habe er keine Zahlungsschwierigkeiten gehabt, nur manche Beträge wie die Umsatzsteuer verspätet überwiesen. „Ich habe da manches schleifen lassen, weil ich mich für die FDP abhetzte“, sagt er. Für Frauen habe er damals keine Zeit gehabt. „Ich war dumm und blind, hatte nur die FDP im Kopf“, sagt er. Jetzt sei das anders.

Im Sommer möchte Klingler eine frühere CDU-Kandidatin für den Gemeinderat heiraten. Er hofft natürlich, dass er dann nicht mehr an den Staatsanwalt denken muss. Der braucht aber mindestens noch bis April. Vielleicht noch länger. Eine Zitterpartie.