Flüchtlinge in der voll belegten Turnhalle des Solitude-Gymnasiums in Weilimdorf – solche Bilder soll es in Stuttgart bald nicht mehr geben Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Jetzt geht alles doch schneller als erwartet: Von diesem Donnerstag an sollen bis Juli 1200 Flüchtlinge Turn- hallen, Waldheime und zwei weitere Notunterkünfte verlassen. Das Land hat seine Zuweisungen deutlich gesenkt – allerdings nicht so stark wie erhofft.

Stuttgart - 8585 Flüchtlinge leben derzeit in Stuttgart. Wenn es nach der Stadt geht, soll in den nächsten Monaten fast keiner von ihnen mehr in Notquartieren wohnen müssen. Bereits an diesem Donnerstag beginnt deshalb der große Umzug. Dann machen 99 Asylsuchende aus der Turn- und Versammlungshalle in Birkach den Anfang. Insgesamt 1200 Menschen, die bisher in fünf Turnhallen, zwei Waldheimen, der Friedensschule und einem Bürogebäude an der Borsigstraße in Feuerbach untergebracht sind, sollen bis Ende Juli ein neues Zuhause in besseren Unterkünften finden.

Möglich macht dies die Bautätigkeit der Stadt, die derzeit an allen Ecken und Enden neue Systembauten sowie Container errichtet. Dorthin sollen die Flüchtlinge ziehen. Das geht aber nur, weil sich die Lage auch auf einem anderen Feld positiv entwickelt: Es kommen nicht mehr so viele Leute nach. Durch die weit gehend geschlossenen Grenzen in Europa geht die Zahl der Flüchtlinge, die das Land den Stadt- und Landkreisen zuweist, erheblich zurück.

Gerechnet hat die Stadtverwaltung in diesem Jahr mit durchschnittlich 600 neuen Asylbewerbern pro Monat. Diese Zahl hätte sie vor erhebliche Unterbringungsprobleme gestellt. Zumal es in den ersten Monaten so aussah, als ob sogar noch mehr Menschen kommen könnten. Im Januar musste für 863 Leute ein Dach über dem Kopf gefunden werden, im Februar für 802 und im März für 621. Im April dann die erste Erleichterung, als nur noch 400 Menschen untergebracht werden mussten.

Im Mai kommen nur noch 106 Flüchtlinge

Im Mai kann sich die Stadt nun endgültig Luft verschaffen. „In diesem Monat werden uns vom Land 106 Personen zugewiesen“, sagt Sprecherin Jana Braun. Der deutliche Rückgang war erwartet worden. Vor wenigen Wochen hatte das Land angekündigt, von Mai an nur noch 500 Flüchtlinge pro Monat an die Kreise weiterzureichen. Für Stuttgart hätte das bedeutet, dass gemäß der Quote nur noch 30 bis 40 Menschen neu ankommen. Ganz so wenige sind es nun doch nicht geworden, aber die Zahl ist gering genug, um mit der Räumung der zahlreichen Notquartiere beginnen zu können, die teils schon seit Oktober in Betrieb sind.

„Menschen, die Sicherheit bei uns suchen, wollen wir angemessen unterbringen“, sagt der Erste Bürgermeister Michael Föll. Es sei der Stadt deshalb nicht leicht gefallen, Flüchtlinge interimsweise in Turnhallen oder Waldheime einzuquartieren. Immer wieder hatte es gegen die Bedingungen in den Hallen auch Protest der Asylsuchenden bis hin zu Hungerstreiks gegeben. Föll betont, man habe versprochen, die Leute schnellstmöglich in Regelunterkünfte zu verlegen – „und nun freue ich mich, dass wir Wort halten können“.

Dank an Schulen und Sportvereine

Die Stadt denkt aber nicht nur an die Bewohner der Hallen, sondern auch an die eigentlichen Nutzer. „Die Situation ist für die betroffenen Schulen und Sportvereine nicht leicht“, so Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer am Mittwoch. Sie danke für deren Bereitschaft, die Hallen zur Verfügung zu stellen: „Damit haben sie sich bürgerschaftlich engagiert und sich gegenüber der Not der Flüchtlinge solidarisch gezeigt.“

Ob die Entspannung von Dauer ist, weiß allerdings niemand. Das hängt von der Entwicklung der Flüchtlingszahlen ab. Bisher weiß die Stadt noch nicht einmal, wie viele das Land im Juni zuweisen wird.

Neue Unterkünfte

Die Stadt will in den nächsten Wochen neun große Notquartiere für Flüchtlinge räumen. Gleichzeitig geht der Bau neuer Unterkünfte weiter. Bis August sollen acht Standorte für Systembauten und Container fertig und mit gut 1800 Bewohnern belegt sein. So sieht die Planung im Detail aus:

Noch in dieser Woche sollen 99 Menschen aus der Turn- und Versammlungshalle Birkach in eine Unterkunft an der Kameral-amtsstraße in Stammheim ziehen. Anfang nächster Woche folgen 204 Flüchtlinge aus der Sporthalle des Weilimdorfer Solitude-Gymnasiums. Sie finden eine Bleibe in den Containern auf der Degerlocher Waldau, die dann komplett belegt sind.

Im Juni sollen 241 Flüchtlinge aus der Friedensschule im Westen in die Container am Killesberg und eine Unterkunft an der Leypoldtstraße in Plieningen verlegt werden. 104 Asylbewerber ziehen von der Turn- und Versammlungshalle im Osten in die neuen Container in Sillenbuch. Zudem werden 45 Menschen aus dem Waldheim Lindental auf andere Quartiere verteilt. Im Waldheim Johannes in Botnang leben derzeit keine Flüchtlinge mehr, es soll auch zunächst nicht mehr genutzt werden.

Im Juli will die Stadt auch die letzten beiden Hallen leeren: 102 Menschen aus der Halle in Obertürkheim und 89 aus der Halle in Hedelfingen sollen in den Containern am Killesberg unterkommen. In der letzten Juli-Woche sollen dann 365 Leute aus der ehemaligen Hahn und Kolb-Zentrale innerhalb Feuerbachs umziehen: Für sie ist vor allem die neue Unterkunft an der Wiener Straße vorgesehen.

Die Turnhallen werden nach Auszug gereinigt und in Stand gesetzt, damit sie nach den Sommerferien von Schulen und Vereinen genutzt werden können. Die Halle in Weilimdorf wird wie geplant saniert.

Die nächsten Unterkünfte, die im August fertig werden: Quellenstraße/Bad Cannstatt, Helene-Pfleiderer-Straße/Degerloch, Breitscheidstraße/Innenstadt sowie Württembergstraße in Untertürkheim. (jbo)