Zu dick? Fettleibigkeit schafft nicht nur Frust, sondern kann auch zu Gesundheitsproblemen wie Diabetes führen. Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Übergewicht ist für mehr als die Hälfte der Deutschen ein großes Problem. Doch warum neigen manche Menschen zu Übergewicht und warum sind andere schlank? Forscher haben jetzt eine bahnbrechende Entdeckung gemacht.

Bei vielen Menschen mit starkem Übergewicht bis hin zur Fettleibigkeit bleibt die Mühe vergebens: Auch wenn sie ihre Ernährung umstellen und Sport treiben, wollen die Pfunde nicht so recht purzeln. Das bedeutet Frust, gerade wenn das Gewicht auch noch mit anderen Gesundheitsproblemen wie Diabetes zusammenhängt.

Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) in Berlin sind in Deutschland mehr als 46 Prozent der Frauen und über 60 Prozent der Männer von Übergewicht (einschließlich Adipositas) betroffen. Fast ein Fünftel der Erwachsenen (19 Prozent) weisen eine Adipositas auf.

Für übergewichtige Menschen sind neuartige Adipositas-Medikamente – im Sprachgebrauch auch „Fett-weg-Spritze“ genannt – gedacht, die man sich zusätzlich zu Änderungen des Lebensstils unter die Haut spritzt.

Warum sind manche Menschen schlank und warum neigen andere zu Übergewicht?

Die viel grundsätzlichere Frage aber lautet: Warum sind manche Menschen schlank und warum neigen andere zu Übergewicht? Forscher aus Basel haben jetzt eine wegweisende Entdeckung gemacht. Sie haben eine Art Schalter ausfindig gemacht, der den Prozess der Fettverbrennung im Körper steuert.

Bei diesem molekularen Schalter handelt es sich um Arf1. Die Abkürzung steht für Adenosyl-Ribosylierungs-Faktor 1.

Die Entdeckung könnte dazu beitragen, Krankheiten wie Diabetes und bestimmte Krebsarten besser zu verstehen. Ihre Studie haben sie jetzt im Fachmagazin „Nature Cell Biology“ veröffentlicht. Doch der Reihe nach:

Wie wichtig ist Fett für den Menschen?

Jeder Organismus benötigt Energie zum Leben. Der Mensch nimmt Energie über die Nahrung auf und verwendet sie teilweise direkt oder speichert sie im Körper.

Während Glucose (das Kohlenhydrat Einfachzucker) als schneller Energielieferant direkt zur Verfügung steht, werden Fette als Energievorrat angelegt. Unsere Zellen speichern Fette – die so genannten Lipide – in Form von Tröpfchen.

Wie verwertet unser Körper Fett?

Wie unser Körper Nahrung verwertet, ist entscheidend für die gesamte Energiegewinnung und den Fettauf- bzw. -abbau.

Beim Fettstoffwechsel kommt einem bestimmten Protein (Eiweißmolekül) eine zentrale Rolle zu, wie die Forscher zeigen. ATP– die Abkürzung steht für Adenosintriphosphat. Es steuert die Speicherung bzw. Umwandlung der Fette in Energie.

Was passiert mit der Energie in Form von Fetten im Körper?

ATP wird im Organismus als der wichtigste Energiespeicher in den Zellen benötigt.

Doch wie viel Energie benötigt der Körper aus seinem ATP-Energievorrat? Wie viel Fett wird in ATP umgewandelt? Wann wird der Umwandlungsprozess gestartet und wann beendet?

Dieser komplexe Prozess läuft folgendermaßen ab: Die überschüssige Energie speichert unser Körper in Form von Fett. Bei Energiebedarf – zum Beispiel weil wir Sport treiben – zapft der Körper diese Fettreserven an. Dazu wird in den Mitochondrien – den Kraftwerken des Körpers – Fett in das Molekül ATP umgewandelt, dass den Zellen Energie liefert.

Wie empfindlich ist das Energiesystem unseres Körpers?

Sehr empfindlich. Wie sensibel der Fettstoffwechsel ist, zeigt sich besonders am Beispiel von Fettstoffwechselstörungen.

Bereits winzige Fehler im Fettstoffwechsel können erhöhte Cholesterinwerte (Blutfettwerte) nach sich ziehen und damit das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen steigern oder Krankheiten wie Fettleibigkeit (Adipositas) oder Diabetes auslösen.

Wie wichtig ist nun der Schalter Arf1?

Extrem wichtig. Arf1 spielt eine zentrale Rolle bei dem Prozess der Energieverbrennung von Fett in ATP im Körper. „Arf1 hält damit den Stoffwechsel in Balance“, erklärt die Studienleiterin Anne Spang vom Biozentrum der Universität Basel.

Damit dieses umfassende System funktioniert, müssten verschiedene Prozesse genau aufeinander abgestimmt ablaufen. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass Arf1 die Umgebung der Kontaktstelle zwischen Fett-Tröpfchen und Mitochondrien so verändert, dass die Fette in die Mitochondrien gelangen können.

Das heißt: Signalisiert der Körper Energiebedarf, lässt Arf1 die Fett-Moleküle in sein Kraftwerk hinein. Sobald der Energiebedarf gedeckt ist, wird der Transport gestoppt. Fehlt Arf1 oder ist es überaktiv, gerät das ganze System aus dem Gleichgewicht. Eine Folge kann auch Übergewicht sein.

Ist ARF1 erst jetzt entdeckt worden?

Nein. Das Protein Arf1 ist seit langem bekannt. „Wir wussten bereits, dass es einige Funktionen beim Golgi-Apparat übernimmt, der Sortierstation in der Zelle. Nun haben wir entdeckt, dass Arf1 auch den Energiestoffwechsel in den Mitochondrien steuert“, sagt Ludovic Enkler von der Universität Basel. „Arf1 sorgt dafür, dass die Lipide, von den Lipid-Tröpfchen in die Mitochondrien transportiert werden.“

Ist damit der Durchbruch bei der Behandlung von Adipositas gelungen?

So schnell geht es nicht. Die Entdeckung der Baseler Forscher ist zwar wegweisend, doch ob und wann sich ihre Forschung konkret umsetzen lässt, ist noch völlig offen. Ohne solche Grundlagenforschung ist die Entwicklung neuer Medikamenten und Therapien indes nicht möglich. Insofern sind die Forschungsergebnisse tatsächlich bahnbrechend.