Christian Lindner ruft die Gesellschaft zu mehr Optimismus auf. Foto: AFP/THOMAS KIENZLE

Die FDP ist in schwieriger Lage. Parteichef Christian Lindner weist auf dem Dreikönigstreffen in Stuttgart nicht nur die SPD zurecht. Er eröffnet eine weitere Front.

Christian Lindner hat Fieber. Das ist das Negative. Doch der FDP-Chef, der sich wegen seines Infekts kurz vor seinem Auftritt beim Dreikönigstreffen seiner Partei neben der Bühne noch einmal die Nase putzen muss, wendet das Ganze gleich ins Positive: Er sei auf Betriebstemperatur, lässt er das Publikum wissen.

Dass das stimmt, muss er schon bald nach Beginn seiner Rede im Stuttgarter Opernhaus, wo das erste Treffen der Liberalen im Jahr traditionell stattfindet, beweisen. Schreiend unterbrechen Aktivisten vom oberen Rang die Rede. Sie entrollen ein Transparent mit dem Slogan: „Menschen mitnehmen – Klimaschutz geht nur sozial gerecht.“ Ihre Forderung: die Einführung eines Klimagelds. Lindner zeigt sich schlagfertig: Wenn die Organisation Attac für das Klimageld werbe, sei dies das erste Mal, dass linke Autonome für das Wahlprogramm der FDP seien.

Vor harten Bewährungsproben

Die FDP ist in einer schwierigen Lage. Und Christian Lindner auch. Die Partei liegt in Umfragen gefährlich nah an der Fünf-Prozent-Hürde. Mit der Europawahl, aber gerade auch den drei Wahlen in ostdeutschen Ländern liegen in diesem Jahr harte Bewährungsproben vor der Partei.

Lindner ist Parteichef und Bundesfinanzminister. Er muss die FDP zusammenhalten, nachdem sich in einer Mitgliederbefragung gerade 47 Prozent für einen Ausstieg aus der Ampel ausgesprochen hatten. Viele in der FDP haben genug, insbesondere von der Zusammenarbeit mit den Grünen. Gleichzeitig wäre es jetzt eigentlich auch Lindners Job für eine reibungslosere Zusammenarbeit in der Bundesregierung zu sorgen – da unter dem vom Dauerstreit geprägten Außenbild der Regierung alle drei Koalitionspartner leiden. Diese Aufgaben sind schwer zusammenzubringen.

Es bezieht sich also vielleicht nicht nur auf die FDP, sondern auch ein wenig auf die eigene Person, als Lindner die Publizistin Marion Gräfin Dönhoff mit dem Satz zitiert: „Der Platz der Liberalen ist zwischen allen Stühlen.“ Mit zur Schau getragener Selbstsicherheit ergänzt Lindner: „Und als Liberaler fühlt man sich dort wohl.“ Lindner setzt sich in seiner Rede tatsächlich zwischen die Stühle, indem er einerseits Streitfragen in der Ampel thematisiert, andererseits aber auch die harte Auseinandersetzung mit der von Friedrich Merz geführten Unionsfraktion im Bundestag sucht.

Rüffel für Mützenich

Der Finanzminister weist SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich zurecht, der mehrfach – zuletzt mit Blick auf die Kosten des Hochwassers – die Aussetzung der Schuldenbremse gefordert hatte. Der Staat könne angesichts der gestiegenen Zinsen die frühere Verschuldungspolitik nicht fortsetzen, sagt Lindner. Die Ausnahme von der Schuldenbremse könne – erst recht nach dem Urteil aus Karlsruhe – nur die Ultima Ratio sein. „Deshalb muss Herr Mützenich wissen, dass ich einen Amtseid geschworen habe, das Grundgesetz zu verteidigen.“ Lindner sagt über sich selbst: „Dieser Finanzminister wird keine Entscheidung unterstützen, die neue verfassungsrechtliche Risiken enthält.“

Der oppositionellen Union wiederum hält der FDP-Vorsitzende vor, sie blockiere das Wachstumschancengesetz im Bundesrat – wisse aber selbst gar nicht, was sie wirklich wolle. Die Union setze auf übertourte Kritik an der Ampel – und blende dabei aus, was für große Baustellen sie aus 16 Jahren Regierungszeit hinterlassen habe: insbesondere auch in der Migrationspolitik, in der jetzt die Ampel erste Erfolge erziele – etwa auf dem Weg hin zu einer faireren Verteilungspolitik in Europa.

Ein Punkt ist Lindner besonders wichtig: Er fordert das Land zu einer Rückkehr zum Optimismus auf. Es gebe Probleme – aber Deutschland sei stark. Und die Wirtschaft könne den Turnaround schaffen. Er könne die „Lust am Untergang“ kaum mehr ertragen, sagt er. Lindner zitiert den Philosophen Friedrich Nietzsche: „Wer zu lange in den Abgrund hineinschaut, in den schaut auch der Abgrund zurück.“ Es sei wichtig, an die eigene Zukunft zu glauben.

Der FDP-Chef richtet diese Worte an die Gesellschaft. Aber er wird fraglos hoffen, dass auch seine – sich in einer schwierigen Lage befindende Partei – sie sich zu Herzen nimmt.