In der Kindergrundsicherung sollen Familienleistungen zusammengefasst, vereinfacht und automatisch ausgezahlt werden. Foto: dpa/Christian Charisius

Die staatliche Unterstützung von armen sowie armutsgefährdeten Kindern und Familien soll einfacher werden. Aber die Umsetzung der Regierungsideen stößt auf viele praktische Probleme.

Ihren Krach um die Finanzierung der Kindergrundsicherung (KIGS) haben Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) beigelegt – doch nun ist ungewiss, ob Paus‘ Lieblingsprojekt 2025 in Kraft treten kann. Die KIGS muss auch noch durch den Bundesrat, wo sie die Zustimmung der Länder braucht, in denen CDU und CSU mitregieren.

Wie wird die KIGS abgewickelt?

Das ist die zentrale Frage. Denn heute ist es so, dass viele Familien, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst aufbringen können, die Leistungen nicht abrufen, die der Staat zur Bekämpfung von Kinderarmut bereitstellt. Deshalb sind sich alle einig, dass die neue Sozialleistung einfacher, schneller und möglichst auf digitalem Weg beantragt und ausgezahlt werden soll.

Paus will dafür eine neue Behörde schaffen: Die heutigen Familienkassen der Bundesagentur für Arbeit (BA) sollen zu so genannten Familienservices werden. Wenn es die in jeder Stadt und in jedem Kreis geben soll, sind etwa 300 neue Anlaufstellen für die Familien nötig, was Geld für zusätzliche Räume, mehr Personal und IT-Investitionen braucht. Die BA meint, dass Paus‘ Ziel, bis 2025 die neue Struktur aufzubauen, unrealistisch ist. Selbst ein schrittweiser Einstieg in die KIGS zum 1. Januar 2025 sei nicht vorstellbar – auch deshalb, weil Paus‘ Entwurf viele organisatorische und inhaltliche Fragen nicht beantworte. Diese Kritik ist für die Ministerin ein echter Rückschlag. Denn sollte die KIGS nicht 2025 kommen, stehen die Grünen in puncto Sozialpolitik im Bundestagswahlkampf 2025 mit leeren Händen da.

Warum setzt Paus auf die Services?

Sie meint, dass es für Kinder mit einem Stigma und Scham behaftet sei, wenn sie weiter im Bürgergeld (früher: Hartz IV) blieben. Deshalb gilt für Kinder die KIGS, womit für sie nicht länger das Jobcenter, sondern der Familienservice zuständig ist. Ihre Eltern allerdings beziehen weiter Bürgergeld. Somit kümmern sich (mindestens) zwei Behörden mit unterschiedlichen Sozialleistungen um ein und dieselbe Familie.

Warum gibt es Kritik an den Services?

Der Deutsche Landkreistag meint, dass so „Doppel- und Parallelstrukturen“ entstünden. „Der Aufwand für die bedürftigen Familien wird nicht reduziert, sondern weiter erhöht“, heißt es in seiner Stellungnahme zu Paus‘ KIGS-Entwurf. Das Ziel, Leistungen aus einer Hand zu geben, verfehle der Entwurf deutlich. Tatsächlich deckt auch bei Paus die KIGS nicht alles ab, was Kinder aus armutsgefährdeten oder armen Familien brauchen. Manche Leistungen wie zum Beispiel die Finanzierung von Ausflügen, Klassenfahrten, Nachhilfe oder der Busfahrt zur Schule sollen Behörden abwickeln, die die Länder festlegen. Der Landkreistag weist darauf hin, dass somit künftig Services, Kommunen, Jobcenter und Arbeitsagenturen mit den verschiedenen Leistungen betraut sein werden: „Dies ist für die Familien deutlich nachteilig und lässt sich keinesfalls unter ‚Vereinfachung und Automatisierung‘ fassen.“

Was sagen die Länder?

Noch äußern sie sich nicht im Detail, was auch daran liegt, dass niemand weiß, bis wann der Bundestag die KIGS beschließt – und erst dann ist ja der Bundesrat am Zug. Fest steht aber, dass Paus die Zustimmung der Länder braucht. Und die wiederum gibt es nur, wenn die Länder mitziehen, in denen CDU und CSU mitregieren. Dort hat in sozialpolitischen Fragen die Stimme des Düsseldorfer Sozialministers Karl-Josef Laumann großes Gewicht. Er macht auf Anfrage deutlich, dass er die KIGS unterstütze. Allerdings nehme Paus‘ Entwurf die Kinder nicht konsequent aus dem Bürgergeld heraus: „Das wäre aber notwendig.“ Denn sonst erhöhe sich der Verwaltungsaufwand. „Und ich glaube auch nicht, dass das Verfahren für die Betroffenen hierdurch vereinfacht wird“, so der CDU-Politiker.

Warum geht das Ganze nicht digital?

Das soll es durchaus. Paus kündigt an, bis 2029 ein „Kinderchancenportal“ einzurichten. Allerdings ist Deutschland bei digitalen Großprojekten der öffentlichen Hand nicht sehr erfolgreich. Und bei der Kindergrundsicherung hat die Ampel wertvolle Vorbereitungszeit vergeudet. Die BA betont, dass sie bisher aus Berlin keine „verwaltungsvertragliche Legitimation“ bekommen habe, um „bereits mit der Analyse der notwendigen IT-Anpassungen beziehungsweise der IT-Entwicklung für die Umsetzung der Kindergrundsicherung zu beginnen.“