Manfred Weber und Ursula von der Leyen gehören zwar zur selben politischen Familie der konservativen Parteien, persönliche Freunde sind sie allerdings nicht. Foto: AFP/FREDERICK FLORIN

Manfred Weber gilt als Mann mit einem ausgeprägten politischen Instinkt. Doch nun hat sich der Chef der konservativen Fraktion im Europaparlament in eine für ihn gefährliche Lage manövriert.

Hinter dem Rücken von Manfred Weber wird viel getuschelt. Jeder im geschwätzigen Brüsseler Politikbetrieb kennt mindestens eine Anekdote über den begnadeten Strippenzieher. Zu erzählen gibt es einiges über den CSU-Politiker, denn auf seinem Weg an die Spitze der Europäischen Volkspartei im Europaparlament war der stets freundlich auftretende Bayer nicht immer zimperlich.

Das musste sogar EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erfahren. Mit der deutschen CDU-Politikerin verbindet Manfred Weber eine gewisse politische Feindschaft, denn sie war es, die ihm einst den schon sicher geglaubten Posten an der Spitze der EU-Kommission weggeschnappt hat. Eine öffentliche Demütigung, die selbst in dem von Intrigen und Winkelzügen reichen politischen EU-Alltag einzigartig war und die Weber bis heute nicht verdaut zu haben scheint.

Das Rennen um die Posten ist eröffnet

Nun dauert es zwar noch mehr als ein Jahr, bis die Spitzenposition in der Kommission nach der nächsten Europawahl erneut besetzt werden muss, doch das Rennen um den prestigeträchtigen Posten ist längst eröffnet. Die größten Chancen werden Ursula von der Leyen zugestanden, die ihre Kandidatur aber noch nicht bekannt gegeben hat. In dieser Situation brachte Manfred Weber für alle überraschend in einem Interview einen zweiten Namen ins Spiel: Roberta Metsola, die Präsidentin des Europaparlaments. „Ursula von der Leyen und Roberta Metsola sind überzeugende Persönlichkeiten mit unterschiedlichem Profil. Beide wären hervorragende Spitzenkandidatinnen“, erklärte Weber. Dieser Satz war mehr als nur eine beiläufige Bemerkung, er war eine gezielte Provokation.

Für Unmut im Europaparlament sorgt inzwischen, dass sich der Streit zwischen dem EVP-Chef und der EU-Kommissionspräsidentin nach Ansicht mancher Abgeordneten sogar auf wichtige Entscheidungen auswirke. So stand in diesen Tagen eine Abstimmung über die Strategie zur Förderung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit auf der Tagesordnung. Ausgangspunkt ist der von Ursula von der Leyen vorangetriebene Green Deal, der grüne Umbau der europäischen Industrie.

Eine Intrige im Europaparlament

Bei der Abstimmung votierte die konservative EVP-Fraktion allerdings gegen den Antrag, der aber dennoch angenommen wurde. Manche vermuten hinter der versuchten Blockade eine persönliche Intrige. Die EVP-Ablehnung sei „ein trauriger Versuch, die Kommissionspräsidentin und Parteikollegin Ursula von der Leyen und den Green Deal politische zu schädigen“, empörte sich die Grünen-Abgeordnete Henrike Hahn über Manfred Weber. Einmal in Rage, legte die Frau aus Bayern den Finger auf eine weitere wunde Stelle des EVP-Vorsitzenden, der mit seinem „Bündnis mit Rechtsaußen“ ganz Europa schade.

Gemeint ist Girogia Meloni, die ultrakonservative Premierministerin Italiens und Parteichefin der Fratelli d‘Italia. Seit Wochen wirbt Weber um ihre Gunst und verfolgt damit einen perfiden Plan. Sein Ziel ist es, das Lager der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) zu pulverisieren, dem bisher zahlreiche rechtspopulistische Parteien in Europa angehören. Möglichst viele von ihnen sollen an die EVP gebunden werden und auf diese Weise auch Manfred Webers politischen Einfluss im Parlament mehren. „Die EVP spürt offenbar den Machtverlust und versucht diesem nun durch eine brandgefährliche Strategie beizukommen“, empört sich der Grünen-Europaabgeordnete Daniel Freund.

Widerstand in den eigenen Reihen

Aber selbst im konservativen Lager stößt dieser Kurs auf Widerstand – und das nicht nur im Europaparlament. In Deutschland etwa betonen CDU und CSU ständig die scharfe Abgrenzung gegenüber der rechtspopulistischen AfD, da passt den Verantwortlichen Webers freundlicher Umgang mit der Postfaschistin Girogia Meloni nicht ins Bild. CDU-Parteichef Friedrich Merz soll dem EVP-Vorsitzenden bereits sein deutliches Missfallen signalisiert haben. Auch nehme er ihm die Querschüsse gegen Ursula von der Leyen übel, denn Merz setzt sich für die Deutsche als alte und neue EU-Kommissionschefin ein.

Manfred Weber scheint sich in eine parteipolitisch schwierige Lage manövriert zu haben. In diese Situation droht weiteres Ungemach mit größter Sprengkraft. Dabei geht es darum, dass Weber als Fraktionsvorsitzender der EVP mit 10 000 Euro pro Monat entlohnt wird, zudem aber noch für seinen Posten als Parteivorsitzender der EVP bezahlt wird. Nach Angaben des Nachrichtenmagazins „Spiegel“ sind es noch einmal bis zu 20 000 Euro. Die Vergütung sei vom EVP-Parteitag im November 2022 in Lissabon „genehmigt“ worden, heißt es von einer Parteisprecherin. Daran können sich allerdings viele Abgeordnete nicht erinnern. So scheint dieses Problem zwar rechtlich geklärt, könnte aber politisch zu einem Fallstrick werden. Sogar CDU-Chef Merz habe den Niederbayern aufgefordert, alle Fragen zügig auszuräumen. Zeit dafür bleibt Manfred Weber nicht allzu viel. Im Juni trifft sich die EVP-Spitze in Spanien, um sich für die Europawahl aufzustellen. Es könnten auch entscheidende Tage für Manfred Weber werden.