Winfried Kretschmann betonte die Schlüsselrolle der Kommunen bei der Energiewende. Foto: EnBW/Christoph Schmidt

Baden-Württemberg hinkt beim Ausbau der Erneuerbaren hinterher – ein Standortnachteil, fürchtet der Ministerpräsident und warnt: Weltkonzerne wollen Windräder und keine „Larifari-Nachhaltigkeit“. Er hat auch ein Beispiel.

Mit eindringlichen Worten hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Städte und Gemeinden im Land aufgefordert, den schleppenden Ausbau erneuerbarer Energien in Schwung zu bringen. „Wer jetzt nicht alles tut, um in seiner Kommune Windkrafträder und Photovoltaikanlagen an den Start zu kriegen, handelt unverantwortlich“, sagte der Grünen-Politiker am Mittwoch auf dem Energietag der EnBW in Stuttgart vor rund 800 Vertretern aus den Kommunen.

Für viele Unternehmen sei heute die Versorgung mit erneuerbaren Energien das wichtigste Verhandlungsargument bei der Standortwahl, betonte der Ministerpräsident. Dass Windräder Weltkonzerne anlocken können, zeige aktuell das Beispiel des Chip-Riesen Intel, der Milliarden in Sachsen-Anhalt investiert. „Intel wollte und will seine Fabrik zu 100 Prozent aus Erneuerbaren betreiben. Die machen nicht mehr Larifari-Nachhaltigkeit“, sagte Kretschmann und schob hinterher: „Auch wir müssen jetzt endlich Ernst machen mit den Erneuerbaren.“ Heute laute die Alternative für die Kommunen: „Erneuerbare oder gar nix.“

Kommunen klagen: „Verfahren sind zu langatmig“

Wer sich unter den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern umhört, merkt dass viele gewillt sind, mehr Windräder und Solaranlagen ans Netz zu bringen. Dass dies oft ein bürokratischer Hürdenlauf ist, berichtet beispielsweise Herbert Juhn. Der Bürgermeister von Bad Ditzenbach beklagt: „Die Genehmigungsverfahren sind viel zu langatmig.“ Bislang drehen sich drei Windräder in der 4000-Einwohner-Gemeinde nahe Stuttgart. Nach seinem Willen soll sich diese Zahl in den nächsten Jahren verdreifachen. „Es tut sich was“, sagt er. „Doch die Politik hat in den vergangenen Jahren viel verschlafen.“

Kretschmann hingegen lobt seine Regierung dafür, dass es gelungen sei, die Dauer einer Genehmigung für ein Windrad von einst sieben Jahren halbiert zu haben. Die Branche ist skeptischer: Die von der Grün-Schwarzen Landesregierung eingesetzte Taskforce habe zwar viel angestoßen, verlautbart die Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg. Wie erfolgreich sie gewesen sei, werde sich aber an der Zahl neuer Anlagen in den kommenden Jahren messen.

Baden-Württemberg hinkt Klimazielen hinterher

„Die Anträge kommen in den Kommunen an“, macht Kretschmann klar, und fordert: „Schöpfen Sie die Spielräume bei den Genehmigungen aus.“ Dass dies notwendig ist, offenbart ein Blick auf die aktuellen Zahlen. Baden-Württemberg hinkt beim Ausbau der Windkraft deutlich hinter den Zielen hinterher. Dass die im Koalitionsvertrag genannten 1000 neuen Windräder auf keinen Fall in dieser Legislaturperiode gebaut werden, gilt inzwischen als ausgemacht. Doch auch vom neu gesteckten Ziel 100 neue Windräder pro Jahr zu schaffen – das wäre bis 2026 also letztlich gerade einmal die Hälfte – ist man weit entfernt.

Gerade mal 13 neue Windräder gingen von Januar bis September ans Netz. „Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. Wir haben noch deutlich Luft nach oben“, mahnt Kretschmann. Auch bei Genehmigungen von neuen Windrädern herrscht im Südwesten Flaute: So wurden hier im Land in den ersten neun Monaten gerade mal 33 Windräder bewilligt.

EnBW-Chef: „Kommunen führen Kampf gegen Klimawandel“

In Baden-Württemberg hat sich die grün-schwarze Koalition zum Ziel gesetzt, bis 2025 mindestens zwei Prozent der Landesfläche für Freiflächen-Photovoltaik und Windkraft zu reservieren. Bis 2040 soll der Südwesten klimaneutral werden.

EnBW-Chef Andreas Schell betonte, dass die Städte und Gemeinden bei der Energiewende eine Schlüsselrolle spielten. „Der Kampf gegen den Klimawandel wird in den Kommunen geführt“, sagte Schell. Diese stellen Flächen für Windräder zur Verfügung, installieren Solaranlagen auf Dächern und Parkplätzen und entwickeln eine eigene Wärmeplanung – und das obwohl Klimaschutz rein rechtlich überhaupt keine kommunale Pflichtaufgabe sei.

Der EnBW-Chef betonte, dass nicht nur fehlende Flächen für Windräder und zu lange Planungszeit Probleme bereiteten, sondern vor allem auch Engpässe im Stromnetz. Da auf der einen Seite immer mehr dezentral gebaute Windräder und Solaranlagen angeschlossen werden sollen und auf der anderen Seite der Bedarf mit E-Autos und Wärmepumpen stark wächst, muss das regionale Netz massiv ausgebaut werden.