Wie erfolgversprechend ein Parteiverbot tatsächlich ist, ist umstritten. Foto: IMAGO/Bihlmayerfotografie/IMAGO

Die AfD liegt in Umfragen bei mehr als 20 Prozent. Drei ihrer Landesverbände gelten als „gesichert rechtsextremistisch“ und seit den Correctiv-Enthüllungen hat die Diskussion um ein Verbot der Partei wieder Fahrt aufgenommen.

Nach den Enthüllungen zu einem Treffen von Rechtsradikalen mit Politikern von AfD und CDU in Potsdam ist die Diskussion um ein AfD-Parteiverbot neu entbrannt. Die Berichte des Recherchezentrums Correctiv über das Treffen haben zugleich bundesweit zu Protest geführt.

Am vergangenen Wochenende hatten nach Polizeiangaben in ganz Deutschland mehr als 900 000 Menschen gegen Rechtsextremismus und für den Schutz der Demokratie demonstriert. Aber wer könnte eine Partei überhaupt verbieten? Und was sind die Voraussetzungen dafür?

Grundgesetz wäre Grundlage für ein Parteiverbot

Politischen Parteien haben in Deutschland eine besondere Bedeutung für die Demokratie. So steht es im Grundgesetz. Deswegen sind die Hürden für ein Parteiverbot hoch. Die Möglichkeit, sie zu verbieten gibt es aber trotzdem. Damit kann eine wehrhafte Demokratie gegen ihre Feinde und somit gegen ihre eigene Abschaffung vorgehen.

Grundlage für ein Parteiverbot bietet Artikel 21 des Grundgesetzes. Dort heißt es: „Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.“

Wer kann eine Partei in Deutschland verbieten?

Eine politische Partei kann hierzulande nur vom Bundesverfassungsgericht (Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG) verboten werden. Den entsprechenden Antrag können Bundestag, Bundesrat oder die Bundesregierung stellen. Außerdem die jeweilige Landesregierung (§ 43 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes), sofern die Parteien, nur in einem Bundesland organisiert sind.

Welche Voraussetzungen gibt es für ein Parteiverbot?

Für ein Parteiverbot müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. So muss man nachweisen können, dass die Partei gegen die Verfassung verstößt. Außerdem muss es auch wahrscheinlich sein, dass sie mit ihren Aktionen Erfolg hat und die Demokratie wirklich bedroht ist. Auf der Internetseite des Bundesinnenministeriums heißt es dazu, eine Partei könne nur dann verboten werden, wenn sie nicht nur eine verfassungsfeindliche Haltung vertrete, sondern diese Haltung auch in aktiv-kämpferischer, aggressiver Weise umsetzen wolle.

Und weiter heißt es dort: „Diese besondere formale Anforderung an ein Parteiverbot (sogenanntes Parteienprivileg) schützt den offenen Wettbewerb der politischen Parteien und Programme.“

Welche Parteien wurden in Deutschland bislang verboten?

Wie erfolgversprechend ein Parteiverbot tatsächlich ist, ist umstritten. In der Vergangenheit wurden in der Bundesrepublik Deutschland zwei Parteien verboten:

  • die Sozialistische Reichspartei (SRP), eine Nachfolgeorganisation der nationalsozialistischen Partei (NSDAP), im Jahr 1952
  • die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) im Jahre 1956

Ein Verbot der rechtsgerichteten Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) wurde 2017 vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt – unter anderem „wegen fehlender Anhaltspunkte für eine erfolgreiche Durchsetzung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele“, hieß es damals vom Bundesverfassungsgericht.

Verbot einzelner Landesverbände oder der AfD-Jugendorganisation

Diskutiert wird aktuell auch, nur das Verbot einzelner Landesverbände zu beantragen - beispielsweise der Landesverbände, die der Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch einstuft. Diese Forderung stellte etwa der Bonner Staatsrechtler Klaus Ferdinand Gärditz in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ auf.

Auch ein Verbot der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative steht zur Debatte. Da es sich um einen Verein handelt, wäre das leichter umzusetzen. Vereine können vom Bundesinnenministerium verboten werden, wenn sie den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richten. Ein solches „deutliches Signal“ forderte etwa der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP), selbst Jurist, vor einigen Tagen in der „Süddeutschen Zeitung“.

Entzug von bestimmten Grundrechten einzelner Politiker

Mehr als 1,5 Millionen Unterschriften zählt derzeit eine Online-Petition auf der Plattform des Kampagnennetzwerks Campact gegen den Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke. Sie hat zum Ziel, dass die Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf Grundrechtsverwirkung für Höcke stellt.

Dabei geht es nicht um alle Grundrechte. Die Menschenwürde etwa kann nicht entzogen werden. Im Grundgesetz ist aber geregelt, dass jemand beispielsweise seine Versammlungsfreiheit oder Meinungsäußerungsfreiheit verwirkt hat, wenn er sie zum Kampf gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung missbraucht. Das hieße nicht, dass derjenige keine Meinung mehr haben dürfe. Er könne sich aber nicht mehr auf das Grundrecht berufen, wenn ihm etwa eine bestimmte öffentliche Äußerung verboten würde.

Von demjenigen muss dafür eine ernsthafte Gefahr ausgehen. Auch das Recht, gewählt zu werden oder ein öffentliches Amt zu bekleiden, könnte entzogen werden, auch nur für einen bestimmten Zeitraum. Darüber entscheiden müsste Karlsruhe, und zwar auf Antrag des Bundestags, der Bundesregierung oder einer Landesregierung.

Petition für AfD-Parteiverbot

Bereits vor fünf Monaten startete der gemeinnützige Anti-Fake-News-Blog „Volksverpetzer“ eine Petition, die die Prüfung eines AfD-Verbots fordert. Prominente wie der Musiker Bela B von der Band Die Ärzte, die Schauspielerin Nora Tschirner, der Schauspieler Julius Feldmeier sowie die Moderatorinnen Ruth Moschner und Enissa Amani zählen zu den Unterzeichnern der Petition.

NPD-Nachfolgepartei „Die Heimat“

In dieser Woche wurde dann die NPD-Nachfolgepartei „Die Heimat“ für sechs Jahre lang von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen. Sie missachte die freiheitliche demokratische Grundordnung und sei in Zielen und Verhalten ihrer Mitglieder und Anhänger auf deren Beseitigung ausgerichtet, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Dienstag verkündeten Urteil (AZ: 2 BvB 1/19). Die Entscheidung fiel mitten in die Debatte, ob ähnliche Schritte auch gegen die AfD erwogen werden sollten. Bei vielen bleibt Skepsis, ob ein Verfahren gegen die AfD ebenso erfolgreich sein kann.

Das Urteil sei „eine Bestätigung für den Kurs, dass man den Feinden der Freiheit nicht viel Raum bieten darf“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin. Mit dem Richterspruch gebe es „ein weiteres Instrument, um gegen Verfassungsfeinde vorzugehen“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). „Unser Rechtsstaat finanziert keine Verfassungsfeinde“. Auf die Debatte über den Umgang mit der AfD ging sie nicht direkt ein, sondern sagte nur, man habe jetzt „ein weiteres Instrument zum Schutz unserer Demokratie“, auch wenn die verfassungsrechtlichen Hürden für künftige Verfahren hoch blieben.

Forderungen, auch der AfD staatliche Finanzierung zu entziehen, kamen aus der Linken. Sie halte es für dringend geboten, auch bei der AfD diese juristische Möglichkeit auszuschöpfen, sagte die Bundestagsabgeordnete Clara Bünger (Linke). SPD-Chefin Saskia Esken sagte der Funke Mediengruppe: „Dieses Urteil ist ein wichtiges Signal für die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie und kommt genau zur richtigen Zeit.“