Die Fraktionen im Gemeinderat können sich vorstellen, die Verkehrsmenge in Stuttgart mit Hilfe von Pförtnerampeln zu reduzieren. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Vom 1. Juli an sind Fahrverbote für Euro-5-Diesel in der Innenstadt, Feuerbach, Zuffenhausen und Bad Cannstatt möglich – wenn sich die Luftqualität bis dahin nicht deutlich verbessert.

Stuttgart - Können Amtsträger des Landes Baden-Württemberg zur Durchsetzung eines stadtweiten Euro-5-Diesel-Fahrverbotes in Stuttgart in Haft genommen werden? Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) macht mit Zwangsgeldanträgen Druck auf die grün-schwarze Regierung und hätte erkennbar kein Problem damit, wenn Kretschmann & Co. ihren Amtsgeschäften von Stammheim aus nachgehen müssten.

Land soll erstmals 25 000 Euro zahlen

Am 21. Januar war das Verwaltungsgericht Stuttgart dem Vollstreckungsantrag der DUH gefolgt und hatte in seinem Beschluss erstmals nicht mehr die Verwaltungsgerichts-, sondern die Zivilprozessordnung (ZPO) angewendet. Das Zwangsgeld kletterte daher von 10 000 auf 25 000 Euro. Und die ZPO lässt auch Zwangshaft zu.

Gegen die Entscheidung, die auch ein Euro-5-Diesel-Fahrverbot in ganz Stuttgart und nicht nur in den Innenstadtbezirken, Zuffenhausen, Feuerbach und Bad Cannstatt vorsieht, hat das Land am Dienstag wie erwartet Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg eingelegt. Man wolle, dass die Mannheimer Richter „entscheidende grundsätzliche Rechtsfragen“ prüfen. Vor allem die Zulässigkeit der Zwangsmittel aus der ZPO, die „in einem weiteren Schritt“ die Möglichkeit einer Zwangshaft gegenüber Amtsträgern eröffnen würde.

Bis das Thema in Mannheim aufgerufen wird, werden voraussichtlich Monate vergehen. Die nächste, 5. Stufe des Luftreinhalteplans soll vom 1. Juli an greifen. Nicht gezündet wird diese nächste Stufe, wenn nachgewiesen werden kann, dass der Stickstoffdioxid-Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft auch ohne weiteres Fahrverbot 2020 erreicht werden könnte. Dazu soll im April auf der Grundlage der dann verfügbaren Werte eine neue Prognose errechnet werden.

2020 muss der Grenzwert erreicht werden

Der Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik des Gemeinderates hat am Dienstag die Fortschreibung des Luftreinhalteplans diskutiert, am Donnerstag entscheidet der Gemeinderat – wobei das Gremium gegenüber dem zuständigen Regierungspräsidium nur eine Stellungnahme abgibt, letztlich also nicht tatsächlich entscheidet. Das seit 2010 geltende Gesetz zur Luftreinhaltung und die Gerichtsurteile seien „eindeutig“, sagte Paul Schulé von der Umweltabteilung des Verkehrsministeriums: „Wir müssen 2020 den Grenzwert einhalten.“

An der Messstelle Neckartor war man davon im Januar 13, an der Hohenheimer Straße 10 Mikrogramm entfernt. Auch an der Prag- und Talstraße war die Luftqualität mit 58 und 50 Mikrogramm Ende 2019 schlecht.

CDU hält hohe Werte noch länger für zumutbar

Die Botschaft schien bei Ioannis Sakkaros (CDU) nicht anzukommen. Er forderte, das stadtweit bestehende Euro-4-Verbot auf die geplante kleinere Zone zu begrenzen. Die Christdemokraten wollen grundsätzlich kein weiteres Fahrverbot, sondern Pförtnerampeln. Es sei den Menschen auch „zuzumuten, dass wir die Überschreitungen auf ein paar Straßenabschnitten länger haben“, sagte CDU-Fraktionschef Alexander Kotz. Sein Antrag auf Ablehnung des Fahrverbots fand keine Mehrheit, der von Björn Peterhoff und der Fraktionsgemeinschaft Puls formulierte Appell, eine „regional abgestimmte Zuflussregulierung“ zu schaffen, wurde einstimmig befürwortet.

Eine Lanze brach Peterhoff für Software-Updates. Wer sie nachweist, soll laut Plan zwei Jahre vom Verbot ausgenommen werden. Dagegen protestiert die DUH. Die Wirksamkeit der Software-Updates ist umstritten. Das Kraftfahrt-Bundesamt sei längst unglaubwürdig, die von ihm im Januar veröffentlichten Minderungswerte bezweifle er, sagte Christoph Ozasek (Linke). Die öko-linke Mehrheit drängt außerdem darauf, dass das Land den Weg für eine Nahverkehrsabgabe frei macht. Die SPD spricht von „Drittnutzerfinanzierung“.