Der Innenstadttunnel soll durch Schnellbusse entlastet werden. Foto: Leif Piechowski

Eigentlich wollte der Landesverkehrsminister im Ringen der Landkreise und der Landeshauptstadt mit dem Regionalverband um das Sagen bei Schnellbussen oder Bahnakten einen Kompromiss austüfteln. Weil die Kreise nicht mitmachen, droht Winfried Hermann mit dem Ende seiner Bemühungen.

Eigentlich wollte der Landesverkehrsminister im Ringen der Landkreise und der Landeshauptstadt mit dem Regionalverband um das Sagen bei Schnellbussen oder Bahnakten einen Kompromiss austüfteln. Weil die Kreise nicht mitmachen, droht Winfried Hermann mit dem Ende seiner Bemühungen.

Stuttgart - Gäste einer Sonderfahrt mit dem Regionalzug von Plochingen nach Geislingen wurden jüngst Zeugen eines ungewöhnlichen Wortwechsels. Eigentlich ging es um die Aufnahme des Landkreises Göppingen in den Verkehrsverbund Stuttgart (VVS). Doch Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) berichtete auch von positiven Gesprächen zwischen den anderen VVS-Landkreisen, der Landeshauptstadt sowie dem Verband Region Stuttgart darüber, wie sich der öffentliche Nahverkehr im Ballungsraum sonst noch verbessern lässt. „Wir sind guter Dinge, dass wir diesen Monat einen Knopf drankriegen“, sagte Hermann. Daraufhin lachte der Esslinger Landrat Heinz Eininger (CDU) und sagte: „Wenn Sie machet, was mir wollet!“ Hermann entgegnete augenzwinkernd: „Das sagt der Landrat, der König des Landkreises. Aber der dient dem König des Landes, und das ist in dem Fall der Verkehrsminister.“

Das offenbar harmlose Geplänkel zwischen den beiden hochrangigen Beamten spricht für Eingeweihte Bände. Im vergangenen Juli hatten der für die S-Bahn zuständige Verband Region Stuttgart auf der einen Seite und die Landkreise Böblingen, Esslingen, Ludwigsburg und Rems-Murr sowie die Stadt Stuttgart auf der anderen im Streit darüber, wer eine Vorschrift für den Busverkehr erlassen darf, den Minister als Schlichter angerufen. Im September kam noch ein Mehrheitsbeschluss der Regionalversammlung dazu, vom Land zumindest die strategische Führerschaft für den gesamten ÖPNV im Ballungsraum zu fordern, ohne kommunale Unternehmen wie die SSB anzufassen.

Dass die Landkreise auch nach mehreren Monaten Verhandlung hinter verschlossenen Türen gar nicht daran denken, von ihrer Macht etwas abzugeben, deutet Einingers Bemerkung im Sonderzug an. Die süffisante Antwort Hermanns macht aber auch deutlich, dass der Verkehrsminister mit Blockadehaltung wenig anfangen kann. „Es kann nicht sein, dass man immer nur sagt, mit gebet nix, mir gebet nix“, sagte Winfried Hermann beim Redaktionsbesuch unserer Zeitung kurz vor Weihnachten zu dem Konflikt. Er räumte ein, dass die Entscheidung von Dezember auf Januar verschoben sei, betonte aber auch, dass sie bald fallen müsse – und nicht von ihm gefällt werde. Der Minister hält nichts von einem Machtwort, sondern ist „aufseiten der besseren umweltfreundlichen Verbundlösung“. Sprich: alle Neuerungen sollten gemeinsam beschlossen werden. Für den Fall, dass dies nicht in den nächsten Wochen geschehe, drohte Hermann: „Irgendwann muss ich die Moderation abgeben, wenn keiner kompromissbereit ist.“

Weiter Verkehrsprobleme ohne regionale Projekte

Dabei zeigt sich der Verkehrsexperte durchaus begeistert, wenn er von den Verhandlungen berichtet: „Da sind so viele gute Ideen auf den Tisch gekommen.“ Etwa Regionalbusse, die Querverbindungen an der Innenstadt vorbei bedienen sollen, um den S-Bahn-Tunnel zu entlasten. Das sieht die Region in ihrer Verantwortung, weil es über Kreisgrenzen geht, während eigentlich die Kreise für Busse zuständig sind. Oder Regionalexpress-Züge, die Fahrgäste aus Heilbronn oder Tübingen direkt nach Stuttgart bringen, ohne in den Städten mit S-Bahnhöfen zu halten. Das wäre Sache des Landes. Die Bahnen sollen auch besser mit Bussen vertaktet und mit Car-Sharing- oder Pedelec-Angeboten verknüpft werden. Außerdem sei keiner für die Konzeption und Finanzierung von Park-and-ride-Anlagen im S-Bahn-Netz zuständig. Ein Umstand, den die Stuttgarter Nachrichten bereits im Mai 2013 aufgegriffen haben. Bei diesen Themen will Hermann bald einen Kompromiss finden – inzwischen ist von Anfang, Mitte Februar die Rede.

Damit fällt es der Regionalversammlung auch unter Grün-Rot immer schwerer, für den gesamten Nahverkehr zuständig zu werden. Die große Mehrheit glaubt, diesen aus einer Hand besser und letztlich günstiger organisieren zu können. Kritisiert wird regelmäßig etwa, dass in den Kreisen Böblingen und Ludwigsburg an den Wochenenden Busse die Fahrgäste von der Nacht-S-Bahn wegbringen, während man in Esslingen und im Rems-Murr-Kreis Ruftaxis anfordern muss. Womöglich kann der Regionalverband nicht einmal die von der EU geforderte Vorschrift alleine erlassen, in der die Verteilung der Fahrgeldeinnahmen der 40 Busunternehmen im Ballungsraum und die Höhe der Zuschüsse dargelegt werden sollen.

Regionalpräsident Thomas Bopp (CDU) hält das mögliche Scheitern der Vermittlung nicht für das Ende seines Vorhabens. „Am Ende müssen die Landesregierung und vor allem der Landtag entscheiden, ob sie im öffentlichen Nahverkehr hier weiterkommen wollen und ob sie notfalls bereit sind, auch gegen die Landkreise zu entscheiden.“ Ohne regionale Projekte werde die Region ihre Verkehrsprobleme nicht in den Griff bekommen und auch Stuttgarts OB Fritz Kuhn (Grüne) nicht 20 Prozent Autoverkehr aus dem Kessel bringen. Insofern versteht Bopp die Haltung Stuttgarts nicht, die dem Regionalverband verweigere, regionale Lösungen zugunsten der Stadt regional zu finanzieren. Regelrecht „entsetzt“ äußert sich der Regionalpräsident aber über die „Fundamentalopposition der Landkreise. So kommen wir nicht weiter in der Region“.

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