Bei der Bevölkerung kommt Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador gut an. Foto: dpa

Die ersten 100 Tage von Andrés Manuel López Obrador haben Mexiko deutlich verändert. Die Untergangsszenarien haben sich nicht bewahrheitet, doch die Politik des Präsidenten hat auch ihre Schattenseiten.

Mexiko City - Um die ersten drei Monate von Andrés Manuel López Obrador an der Spitze Mexikos zu bewerten, empfiehlt sich ein Blick auf die Wirtschaftsdaten des Landes. Die Währung ist so fest wie seit Jahren nicht mehr, Investoren schießen Milliarden in das Land, die Verbraucher sind zuversichtlich, und der Wachstumsabschwung fällt moderater aus als prognostiziert. Die zweitgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas blüht unter dem ersten linken Präsidenten der Geschichte des Landes nahezu auf.

„Alle Katastrophen- und Untergangsszenarien, die vor allem die internationalen Ratingagenturen gezeichnet haben, haben sich nicht erfüllt“, sagt Rodolfo Navarrete, Chefökonom des mexikanischen Börsenhauses Vector im Gespräch mit dieser Zeitung.    Die ersten mehr als 100 Tage der Regierung von López Obrador waren gekennzeichnet von Überraschungen wie diesen, aber auch von Aktionismus, von erfüllten Versprechen – aber auch von heftig kritisierten Entscheidungen.

„AMLO“ hat Versprechen schnell umgesetzt

Der Auftakt der Amtszeit des  65-Jährigen ist das spiegelgetreue Abbild seines Wahlkampfs. Das ist ein Novum in Mexiko. AMLO, wie der Staatschef nur kurz genannt wird, hat Versprechen schnell umgesetzt, sich mit Nichtregierungsorganisationen angelegt, staatliche und halbstaatliche Institutionen abgeschafft. Alles dient dem übergeordneten Ziel seiner Präsidentschaft: „Wir wollen ein Wirtschafts- und Sozialmodell in Mexiko etablieren, in dem es keine Korruption gibt und wir mit Ehrlichkeit regieren“. Dabei behält López Obrador seinen autoritären, provokanten, Ich-bezogenen und bisweilen ruppigen Stil aus dem Wahlkampf auch als Präsident bei.

Gerade erst sorgte er in Spanien, aber auch in der Heimat, mit der Forderung für Aufregung, die Regierung in Madrid möge sich  für die Übel der Kolonisierung bei Mexiko entschuldigen. Denn die Taten der Eroberer müssten heute als „Menschenrechtsverletzungen“ kategorisiert werden. Gleiches forderte López Obrador von Papst Franziskus, dem Oberhaupt der Katholischen Kirche. Schließlich sei die Eroberung Mexikos „mit Schwert und Kreuz“ erfolgt.

Kritik an den Wutanfällen des Präsidenten

Die harsche Ablehnung dieser Forderung durch die sozialistische Regierung Spaniens war noch zu erwarten. Überraschender war schon das fast einheitliche Kopfschütteln der gesamten mexikanischen Intellektuellen – von links bis rechts. Undiplomatisch, schädlich für die internationalen Beziehungen lauteten noch die wohlmeinenderen Kommentare. Die Forderung sage vor allem viel über López Obrador selbst aus, der einen willkürlichen Politikstil pflege und „wenig von diplomatischen Gepflogenheiten“ verstehe, urteilt der Analyst Jorge Zepeda Patterson, der gewöhnlich der Politik des Linkspräsidenten sehr zugewandt ist.

Fernab solcher „Wutanfälle“, wie Zepeda Patterson die Forderung von López Obrador nennt, hat sich der Präsident jedoch als akribischer Arbeiter erwiesen. Fünf Mal die Woche zitiert er die Hauptstadtpresse um sieben Uhr morgens in den Nationalpalast im Herzen von Mexiko-Stadt zu einer Konferenz, in der er gut gelaunt, bestens informiert und bisweilen belehrend die Themen des Tages vorgibt.

Seit seinem Amtsantritt am 1. Dezember dominieren Themen wie der Aufbau einer Nationalgarde zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, die Schaffung einer Wahrheitskommission, um die Verbrechen an den 43 Studenten von Ayotzinapa aufzuklären, und die Abschaffung der Privilegien für Staatsdiener diese Konferenzen.

Mehr Geld für Sozialprogramme

Für all diese Maßnahmen lieben die Mexikaner ihren Präsidenten. 80 Prozent der Bevölkerung bescheinigen ihm in der Startphase seiner Regierung einen sehr guten Job. Im Umfragen werden vor allem die Streichung der Pensionen für Ex-Präsidenten, die Kürzung der Gehälter für Staatsdiener  – inklusive seines eigenen – und der Verkauf des Präsidentenflugzeuges sowie die neue Nationalgarde hervorgehoben. Die vor allem durch den Privilegien-Abbau eingesparten Gelder sollen in Sozialprogramme fließen. Auch der Mindestlohn wurde deutlich angehoben. 

López Obrador habe das „ganze Land durchgeschüttelt“, sagt Eduardo Huchim. „Vor allem die politische Klasse“. Die „republikanische Enthaltsamkeit und sein Kampf gegen Korruption sind eine völlig neue Erfahrung für Land und Leute“, ergänzt der Analyst und Schriftsteller.    Für Jorge Zepeda Patterson kann die Präsidentschaft des ersten linken Staatschefs in der Geschichte des Landes eine Erfolgsgeschichte werden. López Obrador müsse sich dafür aber auf seine Kernthemen konzentrieren: Armutsbekämpfung, soziale Ungleichheit und Kriminalitätsbekämpfung. Wenn er überall Streit suche und Fronten eröffne, wo keine sind, werde er „sehr wenig erreichen“.