Schwerbewaffnete Polizisten bewachen Badende am Strand von Acapulco: das einstige Urlauberparadies ist wegen eines Bandenkriegs nicht mehr sicher. Foto: AFP

Schwerbewaffnete Polizisten bewachen Badende am Strand von Acapulco: das Urlauberparadies ist nicht mehr sicher. Doch es hat Gründe, warum Mexiko mit dem Bandenkrieg nicht fertig wird.

Jedes Wochenende in Acapulco bringt derzeit Nachrichten hervor wie diese. Zwei junge Männer werden am beliebten Strand Caleta aus einem Auto heraus niedergemäht, bevor sie unter den Badegästen Zuflucht vor ihren Häschern finden können. Hunderte Mediziner demonstrieren gegen die Unsicherheit in dem einstigen Pazifikparadies Mexikos, nachdem ein Augenarzt in seinem Auto von Unbekannten erschossen wurde. Eigentümer von Tacobuden und Saftständen fallen Killern zum Opfer oder geben ihr kleines Geschäft auf, weil sie das geforderte Schutzgeld nicht zahlen wollen.

Solche Episoden des kleinen Horrors wiederholen sich jeden Tag in Acapulco und erzählen die Geschichte vom großen Absturz eines Ferienortes, der einst Lieblingsziel der Reichen, Schönen und Berühmten war.

Acapulco verbindet sich mit Bildern von Klippenspringern, Sunset und Jetset

In den 1950er und 1960er Jahren verband man Acapulco mit Bildern von kühnen Klippenspringern, spektakulären Sonnenuntergängen und Promitourismus. Elizabeth Taylor, Brigitte Bardot, John F. Kennedy und Tarzan-Darsteller Johnny Weissmüller verbrachten hier ihre Ferien – nur drei Flugstunden von Los Angeles entfernt. Mehr als 200 Filme wurden in der Stadt gedreht. Später wuchsen die Hotelburgen um die Bucht. Jahrzehnte blieb Acapulco ein Sehnsuchtsort für Stars und ein Muss für Touristen aus aller Welt.

Diese bleiben aber schon seit Jahren weg. Es sind vor allem die einheimischem Urlauber, die sich noch nach Acapulco trauen. Sie sind nicht so geschockt von Gefechten auf offener Straße und Leichen am Strand. Seit die 800 000-Einwohner-Stadt zum Schlachtfeld des organisierten Verbrechens verkam, gehört sie zu den tödlichsten Orten der Welt. 106 Morde pro 100 000 Einwohner werden hier verübt. In Deutschland liegt die Zahl bei rund einem Mord pro 100 000 Einwohner.

ES geht um Heroin und es geht um Kokain

In der Urlaubermetropole ringen Reste des Beltrán-Leyva-Kartells mit dem sogenannten Unabhängigen Kartell von Acapulco blutig um Routen und Reviere. Es geht um das Heroin, das in den Bergen des Bundesstaates Guerreros im Hinterland Acapulcos produziert wird, und um das Kokain, das aus Kolumbien kommt.

Verschärft wird der Konflikt noch durch das Kartell Jalisco Nueva Generación. Es ist eine Abspaltung des Sinaloa-Kartells von „El Chapo“ Guzmán. Nueva Generación gilt inzwischen als die mächtigste Mafia Mexikos; sie will alle kriminellen Geschäftszweige an sich reißen.

Die Folgen sind dramatisch. 3000 Restaurants, Hotels, Gemischtwarenläden und Betriebe haben aufgegeben. 80 Prozent der verbliebenen Geschäfte werden mit Schutzgelderpressungen bedroht. Restaurantinhaber und Hoteliers drohen, die Zahlung von Steuern zu verweigern, bis die Behörden endlich etwas gegen die Gewalt tun.

Ende September setzte Präsident Enrique Peña Nieto ein Zeichen. Er setzte das Militär Richtung Acapulco in Marsch. Sie besetzten das Polizeihauptquartier, entwaffneten 800 Lokalpolizisten, nahmen zwei Offiziere unter dem Vorwurf fest, auf der Lohnliste des organisierten Verbrechens zu stehen. Polizisten werden nun geprüft, ob sie wirklich dem Staat oder doch einer der Mafias dienen.

Viel gebracht hat es bisher nicht. Außer, dass noch weniger Touristen kommen. Wer badet schon gerne im Meer, wenn am Strand schwer bewaffnete Soldaten patrouillieren?

Ruhe zum Preis von Menschenrechtsverletzungen

Experten für organisierte Kriminalität bezweifeln zudem den Nutzen der Militarisierung. „Man bekommt Ruhe zum Preis von Menschenrechtsverletzungen“, sagt Edgardo Buscaglia, Professor am der Columbia-Universität. Die Militärs verfolgten die schwächste Gruppe am Ort, richteten ihre Mitglieder hin. „Kurzfristig schafft man so Ordnung, aber langfristig löst man so keine Probleme.“

Gebannt werde die Gewalt erst dann, wenn man die Verbindungen zwischen Politikern und organisiertem Verbrechen kappt, die Wahlkampffinanzierung durch die Mafias unterbindet und mit Drogengeldern finanzierte Firmen schließt.

Der Juli war der tödlichste Monat in Mexikos Geschichte

Solange das nicht geschieht, steckt Mexiko weiter in einer schier unendlichen Spirale der Gewalt. Die Zahlen des laufenden Jahres deuten darauf hin, dass 2018 ein neuer trauriger Rekord erreicht werden wird. In den ersten sechs Monaten des Jahres wurden 16 400 Menschen ermordet. Der Juli war der tödlichste Mo nat in Mexikos Geschichte, mit 2599 Morden.Seit der Staat Ende 2006 den Kartellen den Krieg erklärte, sind 200 000 Menschen eines unnatürlichen Todes gestorben. 37 000 Menschen gelten zudem als vermisst.

Daher hat der künftige Präsident, Andrés Manuel López Obrador, einen Strategiewechsel im Kampf gegen das organisierte Verbrechen angekündigt. Nach dem Machtwechsel am 1. Dezember würden die Verbindungen der Kartelle in die legale Wirtschaft zum Thema werden. Zudem werde mehr Augenmerk auf Prävention und Armutsbekämpfung gelegt. Für einfache Kämpfer der Kartelle könnte es eine Amnestie geben.