Andrés Manuel López Obrador lässt sich als Wahlsieger in Mexiko-Stadt feiern. Foto: AFP

Ein Linker mit konservativen Ansichten gewinnt die Präsidentschaft in Mexiko: der 64-jährige Andrés Manuel López Obrador, kurz „Amlo“. Er will die Armut und die Mafia bekämpfen.

Mexiko-Stadt - Der Mann, der Mexiko revolutionieren will, ist 64 Jahre alt, hat dichtes silbernes Haar, eine schrille Stimme und ein Durchhaltevermögen, das selbst seinen Gegnern Respekt abnötigt. Andrés Manuel López Obrador, kurz „Amlo“, hat gerade seinen dritten Präsidentschaftswahlkampf am Stück hinter sich gebracht. Zwölf Jahre war er praktisch im Wahlkampfmodus. Schon 2006 und 2012 war der Linkspolitiker jeweils fast am Ziel, verlor dann aber knapp gegen seine konservativen Gegenkandidaten Felipe Calderón und Enrique Peña Nieto.

López Obrador sei ein Gläubiger „jenseits der Vernunft“, sagt der Politologe Jesús Silva-Herzog, weil er an das „Unerreichbare glaubt“. Was unerreichbar schien, ist seit Sonntag Realität, und der 1. Juli 2018 wird als historisch in die mexikanische Geschichte eingehen. Das zweitgrößte Land Lateinamerikas und die zweitgrößte Volkswirtschaft der Region hat nun erstmals in der Geschichte einen Linkspräsidenten, der nichts weniger verspricht, als die „Macht-Mafia“ abzulösen. „Amlo“ will Mexiko auf neue Grundfesten stellen und dabei die Armen in den Fokus rücken. Ganz nebenbei hat López Obrador sich seinen politischen Lebenstraum erfüllt, den er schon hegte, als er im tropischen und armen Bundesstaat Tabasco in einfachen Verhältnissen heranwuchs.

Ein Erdrutschsieg – selbst der Sieger ist fast erschrocken

In seiner ersten Rede nach Bekanntgabe der Ergebnisse wirkte er nüchtern, fast schon erschrocken angesichts des Erdrutschsiegs, den er mit 53 Prozent der Stimmen erzielte, dazu einer Mehrheit im Parlament und großen Siegen in den Bundesstaaten. Korruption und Sicherheit sind die Themen, die den Mexikanern die meisten Sorgen bereiten. Und zumindest beim Thema Bestechlichkeit besteht bei López Obrador wirklich Hoffnung. Niemand hat ihm bisher Vorteilsnahme vorwerfen können. Seit Jahren wohnt er in einem Mittelklasseappartement im Süden von Mexiko-Stadt. Als Bürgermeister der Metropole zwischen 2000 und 2005 fuhr er ein einfaches Auto. Er lebt die Bescheidenheit vor, die er predigt. Und das ist in einem Land schon sehr viel, in dem die Regenten gerne einen Lebensstil pflegen, der an den der Vize-Könige zu Kolonialzeiten erinnert.

López Obrador sei der einzige Kandidat, der wirklich am Status quo etwas ändern und für die 50 Prozent Armen und Ausgeschlossenen in Mexiko Politik machen wolle, sagt der Analyst Jorge Zepeda Patterson. „Er hat einen komplizierten Charakter, hat in seiner Karriere mehr Niederlagen als Siege errungen, aber er ist weder ein Chávez noch ein Maduro“. „Amlo“ sei vielmehr ein Politiker, der die 50 unsichtbaren Prozent der mexikanischen Gesellschaft in den Vordergrund rücken wolle. Das aktuelle Wirtschaftsmodell schließe die Armen und Hungrigen aus und diejenigen, die im informellen Sektor der Volkswirtschaft arbeiten. All jenen verspricht AMLO eine Verbesserung ihrer Situation.

Menschenrechte interessieren ihn nur am Rande

Allerdings hat der künftige Präsident Mexikos auch Versprechen gemacht, die sich kaum halten lassen. Er will den kleineren Mitgliedern der Drogenkartelle eine Amnestie anbieten und behauptet, den bürgerkriegsähnlichen Krieg des Staates gegen das organisierte Verbrechen in drei Jahren zu beenden. Unter anderem das hat ihm schon den Beinamen „Tropenmessias“ eingebracht.

López Obrador ist kein klassischer Linker moderner Prägung. Experten halten ihn viel mehr für einen typischen Politiker, der sich an der mexikanischen Revolution orientiert. Er ist in der Form eher autoritär und hierarchisch, Zivilgesellschaft ist ihm suspekt. In sozialen Themen wie Schwangerschaftsabbruch und gleichgeschlechtlicher Ehe ist „Amlo“ konservativ. Um dieses Mal die Wahl auch wirklich zu gewinnen, hat er sich mit einer evangelikalen reaktionären Partei verbunden. Auch das Thema Menschenrechte, das in Mexiko immer größere Bedeutung erlangt, interessiert ihn nur am Rande. Während sich López Obrador in den Wahlkämpfen 2006 und 2012 klar auf Positionen festlegte, waren dieses Mal konkrete Ansagen zur Umsetzung seiner Versprechen Mangelware. Er sagt, dass alleine der Kampf gegen die Korruption ihm ein Budget von umgerechnet 215 Millionen Euro zusätzlich erbringe. Aber wie und wo er das Geld einsparen will, verrät er nicht. So bleibt an vielen Punkten rätselhaft, für was der Präsident Mexikos wirklich steht, der am 1. Dezember sein Amt antritt.