Bauern blockieren die Halle in Biberach und, wo die Grünen ihren politischen Aschermittwoch abhalten wollen. Foto: Andy Reiner//

Die gewalttätigen Bauernproteste vor der Stadthalle in Biberach zwingen die Grünen, ihren politischen Aschermittwoch abzusagen. Bei der CDU in Fellbach sitzen die Bauernvertreter friedlich im Publikum. Ein größerer Kontrast ist kaum denkbar.

Nach Bauernprotesten im Umfeld des politischen Streits um Einsparungen ist der politische Aschermittwoch der Grünen in Biberach abgesagt. Es habe zum Teil aggressive Stimmungen gegeben, sagte der Grünen-Kreisvorsitzende Michael Gross in Biberach. Er hoffe, dass man wieder zu einem konstruktiven Dialog zurückkomme.

Aufgeheizte Stimmung

Seit dem Morgen hatten überwiegend Landwirte in Biberach protestiert. Zwischen den Demonstranten fanden sich Augenzeugen zufolge aber auch einzelne Flaggen von Rechtsextremisten und Reichsbürgern. Bauern blockierten die Zufahrtswege nach Biberach mit Traktoren. Die Stimmung vor der Halle war merklich aufgeheizt. Am Morgen kam es zu mehreren Zwischenfällen.

Laut einem dpa-Reporter setzte die Polizei Pfefferspray gegen Demonstrierende ein, um den Weg für zwei Fahrzeuge freizuräumen, bevor Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) zu der Halle fahren sollte. Die beiden Fahrzeuge fuhren danach von der Stadthalle weg. An einem Fahrzeug war eine Scheibe eingeschlagen. Der Landesbauernverband in Baden-Württemberg hat nach eigener Auskunft nicht zu den Protesten aufgerufen oder diese im Vorfeld unterstützt.

Der Vorstand des Kreisbauernverbands, Karl Endriß, sagte der dpa, an die Stadthalle sei kein Herankommen, da überall drumherum Demonstrierende stünden. Zu den Protesten hatten laut Endriß verschiedene Gruppierungen aufgerufen. Unter den Demonstrierenden seien hauptsächlich Bauern, aber auch Fuhrunternehmer seien beteiligt.

Bei der angemeldeten Kundgebung von Bauern auf dem Gigelberg hinter der Stadthalle, wo Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir zu den Bauern sprechen sollte, war die Stimmung friedlicher. Als Özdemir auf die Bühne trat, wurde gebuht und gehupt. Er rief zur Fairness auf und betonte das Entgegenkommen bei der KfZ-Steuer und beim Agrardiesel. ,,Ich weiß dass sie von vielem, was gesagt wurde sehr enttäuscht sind und ich gehöre sicher nicht zu denen, die sagen wir haben alles richtig gemacht, aber auch das gehört zur Fairness das anzuerkennen“, sagte er.

Kretschmann und Lang kommen gar nicht an

Die Grünen treffen sich seit Jahren in Biberach, wo in diesem Jahr wieder viel Bundesprominenz erwartet worden war. Neben Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, der als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge von Ministerpräsident Winfried Kretschmann gilt, waren die Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang und Urgestein Jürgen Trittin erwartet worden. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte ebenso wie Ricarda Lang bereits auf dem Weg zur Halle kehrt gemacht.

Ganz offensichtlich war die Lage anders eingeschätzt worden. Ein Statement der Polizei wurde am Mittag erwartet. Der Grüne Landesverband hatte nach Angaben der Vorsitzenden Lena Schwelling mit etwa 4000 Demonstrierenden gerechnet. „Es ist die Art und Weise, mit der wir nicht gerechnet haben“, sagte die Co-Landesvorsitzende Lena Schwelling. Der Co-Vorsitzende Pascal Haggenmüller sagte, es sei nicht gelungen, mit den Demonstrierenden in einen Dialog zu treten.

Die Grünen treffen sich seit Jahren in Biberach, wo in diesem Jahr wieder viel Bundesprominenz erwartet wird. Neben Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, der als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge von Ministerpräsident Winfried Kretschmann gilt, waren die Bundesvorsitzende Ricarda Lang und Urgestein Jürgen Trittin als Redner erwartet worden.

Der CDU-Landesvorsitzende freut sich über seine Gäste

Größer ist der Kontrast zwischen den Aschermittwochskundgebungen der Grünen und der CDU in Baden-Württemberg wenn überhaupt, dann sicher nicht oft gewesen. Denn in Fellbach gibt es keine Traktoren, keine Demonstranten vor der Tür und auch keine Polizisten, die das Pfefferspray parat halten müssen. Stattdessen kann der CDU-Landesvorsitzende Manuel Hagel sich in seiner Rede auf offener Bühne freuen, dass in Fellbach so viele Verbandsvertreter der Bauern mit im prall gefüllten Saal der Alten Kelter sind. Und da geht es gesittet zu. Unzufriedenheit der Bauernfunktionäre mit den Regierenden von der CDU im Land? Fehlanzeige.

Schon zu Beginn seiner Rede solidarisiert Hagel sich mit den demonstrierenden Bauern. Der Protest sei in Ordnung, solange er ohne Einsatz von Gewalt stattfinde.

Zu dem Zeitpunkt sind die Nachrichten von der eskalierenden Aggression in Biberach in Fellbach noch nicht bekannt. „Jetzt wollen alle plötzlich Bauern sein. Jeder der schon mal ‚nen Schweinestall ausgemistet oder auf dem Traktor mitgefahren ist, ist plötzlich Landwirt. Aber unsere Bauern brauchen nicht die schönen Bilder, sondern echte und tatkräftige Unterstützung“, poltert der neue starke Mann der Südwest-CDU in Richtung Berlin. „Unsere Bauern demonstrieren nicht nur für sich, sondern auch für die Fleißigen im Land, die etwas leisten“, lobt Hagel. „Sie demonstrieren für Leistung, Fleiß und Anstrengung. Das sollten wir wieder zu positiven Begriffen machen. Das sind baden-württembergische Tugenden. Es wird Zeit, dass wir uns für sie einsetzen.“

„Nicht alle, die protestieren, sind rechte Spinner“

Hagel, der sich auch beim Aschermittwoch klar von der AfD abgrenzt, ist wichtig, dass die Demonstranten nicht alle pauschal in die rechte Ecke gestellt werden. „Alle, die hier mit den Bauern gemeinsam unterwegs sind, seien es Handwerker oder Ehrenamtliche, sind keine rechten Spinner. Das sind Leute aus der Mitte der Gesellschaft. Deshalb müssen wir so vorsichtig sein mit diesem Vorwurf.“

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl wollte auf Anfrage unserer Redaktion, die Entwicklungen in Biberach nicht bewerten. Er habe noch kein Lagebild und müsse erst erkunden, wie die Situation vor Ort ist.