Kampf gegen Kaugummis: Spezialreinigung auf der Königstraße Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die Stadt gibt viel Geld für eine Anti-Müll-Kampagne aus. Das ist sinnvoll. Doch ohne die Bürger geht es nicht. Jeder kann etwas dafür tun, dass die Stadt sauberer wird, schreibt Lokalchef Jan Sellner.

Stuttgart - Haben Sie Stuttgart schon bei Nacht gesehen? Dann dürfte Ihnen das nächtliche Wasserspektakel in der Königstraße zwischen Bahnhof und Schlossplatz nicht entgangen sein. Von einer Sehenswürdigkeit zu sprechen, wäre übertrieben. Tatsächlich ist das Ereignis nicht in einer Touristeninfo enthalten, sondern im Dienstplan des Amtes für Abfallwirtschaft. Der Wasserdampf, der dort nächtens aufstieg, stammte aus Reinigungsmaschinen, die im Auftrag der Stadt unterwegs waren, um den Bodenbelag von Kaugummiresten und sonstigem Schmutz zu säubern. Dauer: jeweils von 23 bis 5 Uhr morgens – Stuttgarter Kehrnächte sind lang. Jetzt ist das Reinemachen erst mal abgeschlossen. Nächstes Jahr – warum eigentlich erst dann? – geht’s im anderen Teil der Königstraße weiter.

Abfall wird weiterhin achtlos weggeworfen

Die Putzaktion ist Teil eines ehrgeizigen Programms mit dem Titel „Sauberes Stuttgart“. Auf Initiative von OB Kuhn hat der Gemeinderat dafür in diesem und dem nächsten Jahr zusammen 15 Millionen Euro locker gemacht. Stuttgart darf sich jetzt auf einen „deutlichen Ausbau der Reinigungsleistung“ freuen, wie das Amt für Abfallwirtschaft vielversprechend formuliert. Außerdem auf mehr Personal und mehr Papierkörbe, die zudem häufiger geleert werden sollen.

Alles schön und gut. Es gehören aber auch die Bürger dazu, die mitmachen. Daran hapert es, wie der Blick in die Stadt zeigt. Abfall wird weiterhin achtlos weggeworfen oder liegengelassen – zuletzt wieder rund um den Feuersee. Es gibt die Wildpinkler und die Wildspucker, und – Pardon – die Wildsäue außerhalb des Tierreichs. Flaschen bleiben stehen, wo sie geleert wurden. Kippen landen auf der Straße. Herumliegende Scherben bringen Unglück. Und Bubble Gum ist wie eh und je Trouble Gum – also ein echtes Problem.

Eine Gum-Wand für alte Kaugummis

Der berühmte Kennedy-Satz von der Eigenverantwortung wird oft strapaziert und variiert. In diesem Fall hat er seine volle Berechtigung, nämlich: Frag nicht zuerst, was die Stadt für die Sauberkeit tun kann, sondern, was du zur Sauberkeit der Stadt beitragen kannst. Und was ist eigentlich so schwer daran, Klümpchen aus Polyisobutylen, Polyvinylacetat, Aluminiumoxid, Kieselsäure, Weichmachern, Antioxidantien, Säuren und Emulgatoren – auch Kaugummi genannt – in Abfalleimern zu entsorgen? Vielleicht steht dafür in der Stadtmitte demnächst sogar eine sogenannte Gum-Wand zur Verfügung: eine Fläche, an die man Kaugummis kleben kann. Zu wünschen wäre es. Denn Müllbeseitigung kann Spaß machen. Das zeigen die witzigen Aschenbecher, die der Förderverein Sauberes Stuttgart aufgestellt hat, ein Verein, der nicht mit Kittelschurz, sondern mit Ideen auftritt.

Wenn sich Stuttgart herausputzt, ist das sehr zu begrüßen, wenn es sich putzt nicht minder. Spießig ist der, der andere seinen Müll aufspießen lässt.

jan.sellner@stzn.de