Eine Einigung um den Paragrafen 219a ist nicht in Sicht. Foto: dpa

Bis Jahresende wollte sich die Koalition darauf einigen, ob und wie das Werbeverbot für Abtreibungen überarbeitet wird. Doch ein Kompromiss beim Paragrafen 219a ist weiter nicht in Sicht.

Frankfurt - Im Koalitionsstreit um die Strafbarkeit von Werbung für Abtreibungen ist weiter keine Einigung in Sicht. Während Spitzenpolitiker der Union darauf drängen, den Paragrafen 219a im Strafgesetzbuch nicht anzutasten, werden die Stimmen in der SPD nach einer Reform lauter. „Uns wurde erst versprochen, dass es bis Herbst einen Kompromiss beim 219a gibt, dann hieß es: bis Weihnachten“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post der „Passauer Neuen Presse“ (Dienstag). Jetzt sei die letzte Sitzungswoche des Jahres. „Also wollen wir handeln“, betonte Post.

Er verlangte, dass die Koalitionsspitzen die Entscheidung im Bundestag als Gewissensentscheidung freigeben, sodass die Abgeordneten von Union und SPD an keine Absprachen gebunden wären. Bei einer Gewissensabstimmung hätte die SPD gute Chancen, zusammen mit Grünen, Linken und FDP den Paragrafen 219a zu ändern. Die Union lehnt das ab.

Hermann Gröhe schlägt ein Kompromiss vor

Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Hermann Gröhe (CDU), sagte der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Dienstag): „Die Tonlage der aktuellen Debatte lässt leider oft vermissen, dass wir auch über das Lebensrecht Ungeborener reden.“ Er bezweifele, „dass es ein Informationsdefizit gibt in der Frage, wo eine Abtreibung vorgenommen werden kann“. „Auch heute schon werden Frauen von Beratungsstellen und von ihren Ärzten informiert“, sagte der frühere Gesundheitsminister.

Gröhe schlägt einen Kompromiss vor, der ohne eine Aufhebung des Paragrafen auskommt. „Sollte dennoch mehr Information notwendig sein, kann dies beispielsweise über eine online verfügbare Liste geschehen, in der nach Postleitzahlen entsprechende Praxen und Kliniken aufgelistet sind. Eine Aufhebung des Werbeverbots braucht es dafür wirklich nicht“, sagte der CDU-Politiker, der der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) angehört.

Der Paragraf verbietet Werbung für Abtreibungen

Diese Position teilt auch die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU). Sie warb in der Heidelberger „Rhein-Neckar-Zeitung“ (Dienstag) für eine „Stärkung der unabhängigen Beratung, zu der auch die umfassende Information über die Arztpraxen gehören muss“. Die SPD beklage fehlende Informationen im Internet zu Ärzten, die Abtreibungen vornehmen, und fehlende Rechtssicherheit für Mediziner, sagte Winkelmeier-Becker: „Die Lösung dazu liegt seit Langem auf dem Tisch: eine aktuelle, deutschlandweite Adressliste im Internet, die alle Arztpraxen und Klinken benennt, die einen Abbruch durchführen.“

Hintergrund der seit mehr als einem Jahr andauernden Debatte sind Gerichtsentscheidungen gegen die Gießener Ärztin Kristina Hänel, die wegen des Verstoßes gegen den Paragrafen 219a zu einer Geldstrafe verurteilt worden war. Der Paragraf verbietet Werbung für Abtreibungen aus finanziellem Eigeninteresse oder „in grob anstößiger Weise“. Hänel hatte auf der Internetseite ihrer Praxis darüber informiert, dass sie Abtreibungen vornimmt.

Unter Federführung von Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) ringen Spitzenvertreter der Koalition seit Monaten um einen Kompromiss um das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche. Aus den Gesprächen ist bislang nichts öffentlich geworden.