Der Deutsche Gewerkschaftsbund feiert das seit sieben Jahrzehnten bestehende Betriebsverfassungsgesetz. Mit Blick nach vorne mahnt er dennoch erheblichen Reformbedarf in einer digitalen Arbeitswelt an.
Zu einem 70-Jahr-Jubiläum darf der Ehrengast gerne etwas mitbringen – erst recht, wenn das Betriebsverfassungsgesetz gefeiert wird. Also richtet die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Yasmin Fahimi, an Bundeskanzler Olaf Scholz sogleich die Erwartung: „Wir freuen uns über das eine oder andere Geschenk.“
Zur Festveranstaltung in Berlin hat der Sozialdemokrat Scholz zunächst viele wohltuende Sätze parat: „Unser Land braucht eine starke betriebliche Mitbestimmung“, sagt er. Und dass die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft nur gelingen werde, wenn die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mitreden könnten, wohin die Reise geht. Die Betriebsräte wüssten am besten, was vor Ort funktioniere und was am Arbeitsplatz helfe. Sie sorgten auch dafür, dass neue Techniken eingeführt und Anlagen angeschafft werden – und dass betriebliche Weiterbildung vorankomme. Außerdem vermittelten sie zwischen Geschäftsführung und Belegschaft, damit die Beschäftigten mit den Herausforderungen klarkämen.
Dann betont der Kanzler: „Damit die Betriebsräte das alles leisten können, wollen wir sie und ihre Arbeit stärken – deshalb haben wir uns vorgenommen, das Betriebsverfassungsgesetz weiterzuentwickeln.“ Nach dem erwartungsfrohen Applaus kündigt Scholz an: „Wir werden ein digitales Zugangsrecht für Gewerkschaften einführen, und Betriebsräte sollen selbst entscheiden, ob sie analog oder digital arbeiten.“ Zudem „werden wir dafür sorgen, dass die Behinderung demokratischer Mitbestimmung künftig auch ohne Strafantrag verfolgt werden kann“. Gemeint ist: Aus dem Antragsdelikt soll ein Offizialdelikt gemacht werden – also eine Straftat, die wegen ihrer Schwere von Amts wegen verfolgt werden muss. „Die Mitbestimmung gehört zur DNA unserer sozialen Marktwirtschaft – hier darf es keine Einschränkungen geben, auch und erst recht nicht in Zeiten der Krise“, betont der Kanzler.
Die Neuerungen kommen der Zuhörerschaft bekannt vor
Nun hatte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) die wenigen konkreten Neuerungen schon öfters angekündigt – sie kommen der Zuhörerschaft somit bekannt vor, auch aus dem Koalitionsvertrag. Zuvor hat Fahimi vor Scholz noch Druck gemacht und damit Erwartungen geschürt. Die Betriebsverfassung hat aus ihrer Sicht „nicht mehr die zeitgemäßen Werkzeuge“. So sei es der Demokratie „unwürdig, wenn Menschen ihre Grundrechte nicht wahrnehmen können, weil sie Angst haben müssen vor Repressalien oder Kündigung“. Sie erwarte, dass der Plan, Betriebsratsbehinderungen zu bekämpfen, „zügig umgesetzt wird“.
Zudem fordert der DGB ein „echtes Initiativ- und Mitbestimmungsrecht bei Maßnahmen für den Klima- und Umweltschutz“. Im Visier hat er strategische Investitionen in nachhaltige Prozesse, in Weiterbildung, Personalplanung und Personalbemessung.
Sind die Gastgeber mit den Geschenken einverstanden?
Das von Scholz angekündigte digitale Zugangsrecht bezeichnet Fahimi als „Selbstverständlichkeit“. Es gehe bei der Digitalisierung aber um weit mehr: Moderne Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) oder algorithmische Systeme könnten die Arbeit erheblich optimieren. „Wir wollen die Potenziale der Technologien nutzen, zur Humanisierung der Arbeit und für innovative, nachhaltige Unternehmen.“
Letztlich ist es Sache der Moderatorin, Skepsis über die luftigen Kanzlerpräsente zu äußern: „Ich weiß nicht, ob die Gastgeber zufrieden sind mit den Geschenken“, sagt sie. Bis diese ausgepackt werden dürften, vergehe ja noch Zeit mit Diskussionen in der Regierung und im Parlament. „Wahrscheinlich wird irgendetwas in den Paketen drin sein“, bemüht sie sich um etwas Zuversicht.