OB Werner Spec (links) spricht auf der Kundgebung gegen Fahrverbote, die Dieter Seipler (Mitte) organisiert hat. Foto: factum/Weise

Die Gegensätze könnten größer nicht sein: Junge Schüler fordern in Ludwigsburg neue Energien, ältere Herrschaften kämpfen für den Diesel. Mittendrin hat der OB Werner Spec Zweifel an den Messwerten.

Ludwigsburg - Das gibt es selten in der Barockstadt: An einem Tag gleich zwei Kundgebungen fast zum gleichen Thema, aber mit völlig unterschiedlichen Vorzeichen. Um 11 Uhr gehen 120 junge Menschen auf die Straße, um für den Kohleausstieg und neue Energien zu demonstrieren. Um 16 Uhr protestieren 200 vorwiegende ältere Herrschaften gegen Fahrverbote.

10.55 Uhr Es regnet in Strömen, die Schüler vor der Musikhalle in Ludwigsburg spannen ihre Schirme auf. „Ich hätte mit mehr Teilnehmern gerechnet, aber angesichts des Wetters ist das okay“, sagt Markus Moskau, der Organisator der Schülerdemo. Etliche junge Menschen finden sich doch ein. Gerüchte gehen um, eine Klasse habe nicht die Schule verlassen dürfen.

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11.05 Uhr Jetzt geht es los. In raschem Tempo marschiert der Zug in Richtung Schulzentrum. „Hopp, hopp, Kohlestopp“, ruft Moskau in sein Megafon, „macht mit, lauter, lauter!“ Die Menge stimmt ein. „Wir sind hier und wir sind laut, weil man uns die Zukunft klaut!“, heißt es immer wieder. In der Schule ist gerade Pause – der Andrang ist plötzlich riesig. Bauarbeiter heben die Daumen.

Das Motto: „Wer nicht hüpft, ist für die Kohle!“

11.30 Uhr Der Zug ist über die Friedrichstraße zum Landratsamt gezogen. Dort gibt es eine Kundgebung. „Geht bei der Kommunalwahl wählen, wählt Parteien, die unsere Ziele unterstützen“, sagt ein Schüler. Dann hüpfen alle, und Markus Moskau skandiert: „Wer nicht hüpft, ist für die Kohle!“ Mitarbeiter der Kreisbehörde schauen erstaunt zu.

11.45 Uhr Über das Blühende Barock geht es in Richtung Rathaus. Vergangene Woche war noch OB Werner Spec da und lobte das Engagement der Schüler. Diese kritisieren nun die Diesel-Demo, die am Nachmittag im Rathaushof beginnt. „Es ist ihr gutes Recht zu demonstrieren, aber wir haben auch eine Meinung“, sagt ein Redner. Es heiße immer, die Jungen sollen sich engagieren, aber dann müsste die „Generation 60 Plus“ auch mit Widerspruch rechnen.

Die Generatio 60 Plus ist für den Diesel

15.45 Uhr Die Generation 60 Plus ist am Nachmittag absolut in der Überzahl, als sich gut 200 Demonstranten im Rathaushof einfinden. Viele Ruheständler demonstrieren gegen Fahrverbote, einige mit gelben Warnwesten. Auch der CDU-Abgeordnete Fabian Gramling läut mit. Der Organisator Dieter Seipler spricht nicht selbst, sondern hat seine Rede vorher aufgenommen und spielt sie mit einem kleinen, tragbaren Lautsprecher ab. „Parteien sind im Zug nicht erlaubt“, stellt er klar.

16.15 Uhr Die Parolen des Bündnisses Pro Diesel sind weniger gut skandierbar als die der Schüler. „Keine Stickstoffdioxid-Lügentoten der DUH“, heißt es etwa. Oder „Stoppt die Falschmessungen der LUBW“. Es sind nicht alle ganz synchron, was dem Zug den Anschein eines Griechischen Chores verleiht, der vor sich hin murmelt. Mit der DUH ist die Deutsche Umwelthilfe gemeint, die für Fahrverbote klagt. Die LUBW ist die Landesanstalt, die Messstationen aufstellt, etwa in der Friedrichstraße.

16.25 Uhr Einige Senioren beäugen kritisch die Rohre und Stutzen der Messstation. Unter dem Getöse der Friedrichstraße gibt es eine Kundgebung. „Die Station ist falsch platziert“, ertönt die Stimme von Dieter Seipler, dem ehemaligen Chef von Mann und Hummel. Es gehe hier bergauf, die Autos müssten vor der Ampel anfahren, die Station sei in ein Gebäude eingefasst.

Der OB Werner Spec sieht viele Zweifel

16.30 Uhr Mitten in der Menge: der OB Werner Spec, der als Redner geladen ist. „Wir werden alles tun, um Fahrverbote zu vermeiden“, sagt er und erhält dafür Beifall. Es gebe Zweifel an der Messstelle in der Friedrichstraße, dies wolle man überprüfen. Zudem verweist er auf seinen „Green City Masterplan“ und erläutert diesen im Detail, was auch Widerspruch auslöst. „Elektroautos sind Quatsch“, sagt einer.

16.50 Uhr Es geht zurück in Richtung Innenstadt. Geordnet und – bis auf wenige Trillerpfeifen-Pfiffe – fast geräuschlos marschieren die Demonstranten. Die Dunkelheit bricht herein, ein Tag voller Gegensätze geht zu Ende: Junge Schüler, Senioren, Kohle und Diesel, zwei Welten.