Belgien plant einen Windpark und eine künstliche Insel mitten im Meer. Doch das Land setzt bei der Energiewende nicht alles auf eine Karte.
Belgien stolpert durch die Energiewende. Weit über eine Milliarde Euro will die Regierung in Brüssel in den kommenden Jahren nach eigenen Angaben zusätzlich in den Ausbau der erneuerbaren Energien stecken. Das meiste Geld fließt in den Ausbau der Windenergie in der Nordsee, betont Umweltministerin Tinne Van der Straeten. Dabei tun sich allerdings immer wieder neue Probleme auf.
Schon jetzt produzieren die belgischen Off-Shore-Anlagen rund zwei Gigawatt an Leistung, doch stößt die Modernisierung an enge technische Grenzen. So sind nach Aussagen der Betreiber unter anderem die Fundamente nicht ausgelegt für wesentlich leistungsstärkere Windräder. Auch würden höhere Windmühlen die Leistung der angrenzenden, bereits bestehenden Offshore-Parks beeinträchtigen.
Vorzeigeprojekt mitten in der Nordsee
Als Ausweg sieht die Regierung in Brüssel nur den Bau neuer, großer Windparks, weit vor der Küste. Zum Vorzeigeprojekt wird dabei eine Hightech-Anlage rund um eine künstliche Insel. In der „Prinzessin-Elisabeth-Zone“ sollen nicht nur hochmoderne Windmühlen mit einer Leistung von insgesamt 3,5 Giga-Watt Strom produzieren. Im Zentrum steht eine 100 mal 500 Meter große künstliche Insel, die wie eine Mehrfachsteckdose funktionieren soll. Dort soll der Stromfluss anderer Windkraftwerke auch aus britischen und dänischen Gewässern gebündelt und über mehrere Unterseekabel an Land geleitet werden. Verbunden werden sollen damit nicht nur Belgien, sondern auch Deutschland, Großbritannien, die Niederlande und Dänemark.
Nun präsentierte nach Angaben der belgischen Tageszeitung „Le soir“ die Umweltministerin Tinne Van der Straeten ihren Kollegen im Ministerrat eine böse Überraschung. Die Kosten für das Prinzessin-Elisabeth-Projekt würden um rund 60 Prozent steigen, von knapp 2,2 Milliarden Euro auf über 3,5 Milliarden Euro.
Die Kosten des Windparks steigen steil an
Gründe für die immense Steigerung gebe es viele, erklären die Verantwortlichen von Elia, der Betreibergesellschaft der Hochspannungsnetze in Belgien. So seien etwa die Inflation und die hohen Zinsen ein Kostentreiber, aber auch die Preise für Rohstoffe seien zuletzt geradezu explodiert. Tinne Van der Straeten hätte gewarnt sein müssen, denn bereits Ende Februar waren die geplanten Ausgaben allein für das Fundament der rund sechs Hektar großen künstlichen Insel von 450 Millionen auf 600 Millionen gestiegen.
Trotz der Probleme zweifelt niemand daran, dass der Ausbau der Anlage von Belgien weiter vorangetrieben wird, denn auch die Nachbarstaaten haben ein großes Interesse an dem ehrgeizigen Projekt. Im Frühjahr fand in der Küstenstadt Ostende ein Gipfeltreffen statt auf dem sich die Staats- und Regierungschefs aus neun Staaten einfanden. Ihr erklärtes Ziel: die Nordsee bis 2050 zum größten Energielieferanten Europas zu machen. Belgiens Regierungschef Alexander De Croo erläuterte, der Plan sei es, dass diese Länder bis 2030 gemeinsam 134 Gigawatt Offshore-Leistung erzielten. Bis 2050 sollten es mehr als 300 Gigawatt sein.
Belgien setzt weiter auf Atomkraft
Allerdings wird Belgien bei der eigenen Versorgung nicht alles auf die Karte der erneuerbaren Energien setzen. Jüngst hat die Regierung den Ausstieg aus dem bereits beschlossenen Atomausstieg bekannt gegeben. Die Laufzeiten der beiden Atommeiler Tihange 3 und Doel 4 werden bis 2035 verlängert. In Belgien wird rund die Hälfte des Strombedarfes von Atommeilern gedeckt, wohl deswegen fielen die Proteste dagegen eher spärlich aus.