So schlimm wie im US-Katastrophenfilm „2012“ von Regisseur Roland Emmerich (aus dem Jahr 2009) muss es nicht enden. Aber bedrohlich ist die Lage auch ohne Apokalypse. Foto: Sony Pictures

Ab dem 8. August leben wir auf Pump und zapfen die stillen Reserven der Erde an. Der „Earth Overshoot Day“, der Welterschöpfungstag ist gekommen. Alle Ressourcen, die die Erde dieses Jahr auf natürlichen Wegen ersetzen könnte, sind aufgebraucht. Das Besorgniserregende ist: Dieser Tag kommt von Jahr zu Jahr früher.

Stuttgart - „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet Ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“ (Weissagung der nordamerikanischen Cree-Indianer)

Man muss nicht zur großen Gemeinde der Endzeit-Jünger gehören, um einzugestehen, dass es um die Zukunft des Homo sapiens auf diesem einsamen kosmischen Eiland namens „Terra“nicht unbedingt zum Besten bestellt ist. Überbevölkerung, Umweltzerstörung, Vergeudung der natürlichen Ressourcen, Kriege. Endlos ist Liste an Bedrohungen, die auf der Gegenwart der Menschheit lasten und ihre Zukunft bedrohen.

Die Erde ist erschöpft

Am diesem Montag leben wir Menschen nicht nur auf großem Fuß, sondern auch auf Pump. „Earth Overshoot Day“ – der Welterschöpfungstag ist gekommen. Der Tag, an dem alle Ressourcen aufgebraucht sind, welche die Erde in diesem Jahr ersetzen könnte. Und dieser Tag kommt von Jahr zu Jahr früher.

„Earth Overshoot Day“ oder „Ecological Debt Day“ (Ökoschuldentag) ist eine Kampagne der Organisation „Global Footprint Network“: Der 2003 von Umweltaktivisten in Oakland (US-Bundesstaat Kalifornien) gegründete „Think tank“ (Denkfabrik) will damit auf die Notwendigkeit einer ökologisch nachhaltigen, globalen Entwicklung hinweisen. Um dieses Projekt statistisch zu untermauern, berechnet die Organisation den Zustand der Erde, den „Ecological Footprint“ (Ökologischen Fußabdruck).

Die stillen Reserven der Erde schwinden

Ab diesem Montag sind also die natürlichen Ressourcen, welche die Erde innerhalb eines Jahres erneuern kann, aufgebraucht. Nach Angaben der Naturschutzorganisation WWF („World Wide Fund For Nature“) ist der Überlastungstag des Blauen Planeten im Vergleich zum vergangenen Jahr um fünf Tage nach vorne gerutscht. 2015 reichten die globalen Ressourcen bis zum 13. August, 2016 nur bis zum 8. dieses Monats. Für den Rest des Jahres lebt die Menschheit von den stillen Reserven der Erde, die zunehmend schwinden.

Der „Earth Overshoot Day“ basiert nicht auf harten wissenschaftlichen Fakten. Er ist eher eine vage Annahme, die von zeitlichen und ressourcenabhängigen Trends ausgeht. Das jeweilige Datum des Jahres wird berechnet, indem der globale ökologische Fußabdruck (das heißt: die Nachfrage der Menschheit an natürlichen Ressourcen innerhalb dieses Jahres) und die gesamte globale Biokapazität (also die Summe der in diesem Jahr neu entstandenen natürlichen Ressourcen) miteinander verglichen werden. Das Ziel der Kampagne von „Global Footprint Network“ ist es, die Grenzen der natürlichen Ressourcen stärker ins Bewusstsein der Menschen zu rücken.

Die ökologische Verschuldung der Menschheit

„Seit über 30 Jahren häufen wir jährlich neue Schulden an“

„Der globale Kontostand rutscht auch 2016 wieder kräftig ins Minus. Und das nicht zum ersten Mal. Seit über 30 Jahren häufen wir jährlich neue Schulden an“, warnt Eberhard Brandes, Geschäftsführer des WWF Deutschland. „Wir müssen endlich einen Weg finden, in den natürlichen Grenzen unseres Planeten zu leben und zu wirtschaften. Das ist die größte Herausforderung unserer Zeit. Wenn wir diese Herausforderung nicht meistern, werden unsere Kinder und Enkel massiv unter den Folgen zu leiden haben.“ Doch es sieht nicht danach aus, dass sich etwas zum Positiven ändert.

„Die Erde ist voll“

Beispiel Überbevölkerung: „Die Erde ist voll“, hat der renommierte US-Ökonom Jeffrey Sachs bereits vor Jahren gewarnt. Wie viel Individuen der Gattung „Homo sapiens“ verträgt die Erde? 7,44 Milliarden Menschen leben laut der Stiftung Weltbevölkerung derzeit auf dem Planeten. 7,44 Milliarden, die genug zu essen und zu trinken wollen. Die nicht nur überleben wollen, sondern nach Wohlstand und Glück streben. In den Industrieländern haben die meisten diesen Lebensstandard erreicht. In den aufstrebenden Schwellenländern sind Chinesen, Inder und Brasilianer dabei, es ihnen nachzumachen.

Doch was, wenn zwei bis drei Milliarden weitere Menschen so viel Fleisch konsumieren, Strom und Öl verbrauchen und Müll produzieren wie Deutsche oder Amerikaner? Dann wären die langsam zur Neige gehenden Ressourcen der Erde bald erschöpft. Wie schnell, lässt sich nur mutmaßen. Heute verbraucht die Menschheit mehr als 1,5-mal so viel Ressourcen, wie der Planet auf natürliche Weise erneuern kann.

36 Milliarden Tonnen Kohlendioxid jährlich

Beispiel Energieverbrauch: Allein die CO2-Emissionen haben sich laut WWF seit dem Jahr 1970 mehr als verdoppelt. Sie spielen eine bedeutende Rolle beim ökologischen Fußabdruck: Beim CO2-Ausstoß wird berechnet, welche Waldfläche theoretisch nötig wäre, um das Treibhausgas aufzunehmen und wieder aus der Atmosphäre zu entfernen. Weil die Emissionen steigen, vergrößert das den ökologischen Fußabdruck der Menschheit. CO2 trägt bereits 60 Prozent zum ökologischen Fußabdrucks der Menschheit bei.

Weltweit werden zwischen 35 und 36 Milliarden Tonnen Kohlendioxid durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Erdöl, Gas und Kohle in die Atmosphäre geblasen. Hinzu kommen rund 6,5 Milliarden Tonnen, die durch Abholzung und Brandrodung entstehen. Trotz aller Bemühungen ist der CO2-Ausstoß seit 2000 um ein Drittel angestiegen. Grund ist vor allem die rasante Industrialisierung von Schwellenländern wie China und Indien.

Bedrohlicher Klimawandel

Um die Folgen des Klimawandels zu begrenzen, muss das globale Energiesystem auf eine neue Basis gestellt werden. Energie muss effizienter genutzt, regenerative Quellen wie Sonne, Wind, Wasser oder Biomasse müssen stärker angezapft werden. Die Energiewende dient nicht nur der Abkehr vom Atomstrom, sondern soll auch einen entscheidenden Beitrag zu einer wesentlichen Reduzierung der Treibhausgase leisten.

Doch was nützt ein Alleingang Deutschlands, wenn weltweit Dutzende neue Atomkraftwerke in Planung sind und immer mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre geblasen wird? Während Deutschland zum Sonnen- und Windstromland werden will und fast 65 Prozent seines Hausmülls wiederverwertet, wird in vielen Staaten hemmungslos weiter auf Kosten der Umwelt gelebt.

Die Menschheit bräuchte zwei Planeten

Lebte die Menschheit unverändert weiter wie bisher, benötigten wir bis zum Jahr 2030 zwei Planeten, um unseren Bedarf an Nahrung und nachwachsenden Rohstoffen zu decken. Bis 2050 wären es knapp drei, prognostiziert der WWF. Zum Vergleich im Rückblick: 1961 benötigte die Menschheit nur zwei Drittel der zur Verfügung stehenden Ressourcen. Im Moment liegt der Faktor, um den die Menschheit die Biokapazität der Erde überlastet, bei 1,6. Für Industrieländer ist der Wert aber viel höher, weil sie deutlich mehr Energie und Güter verbrauchen als etwa Entwicklungsländer.

Wie lange geht es noch gut?

Naht das Ende der Menschheit?

Zivilisationskritiker sehen das Ende der Menschheit nicht erst jetzt heraufziehen. Schon vor 44 Jahren sorgte der „Club of Rome“ mit seiner apokalyptischen Zukunftsvision „Die Grenzen des Wachstums“ für Furore. 1977 gab der damalige US-Präsident Jimmy Carter „Global 2000“ in Auftrag. Die Umweltstudie befasste sich mit den grundlegenden Entwicklungen der Umweltbedingungen und ihre Auswirkungen auf die Zukunft der Menschheit bis zum Jahr 2000.

Aber allen Unkenrufen zum Trotz hat der moderne Mensch mit Hilfe seiner Rationalität und seines Erfindungsreichtums sowie des technischen Fortschritts noch immer eine Lösung gefunden: Dank der grünen Revolution konnten die landwirtschaftlichen Erträge enorm gesteigert werden. Dank des medizinischen Fortschritts wurde die Kindersterblichkeit massiv gesenkt. Dank verbesserter Bildungschancen haben immer mehr die Chance zum sozialen Aufstieg.

Unbegrenztes Wachstum, begrenzte Ressourcen

Doch wie lange wird das noch gut gehen? Dass angesichts der begrenzten Ressourcen ein globales Umdenken und Umsteuern stattfinden muss, ist unbestritten. Die Frage ist, wo der Hebel zu einem ökologisch nachhaltigen Weltwirtschaftssystem ansetzen soll. 7,44 Milliarden Menschen – bis 2050 werden es mehr als zehn Milliarden sein – mit den elementaren Dingen des Lebens zu versorgen.

Das ist eine gewaltige Herausforderung, die nur durch mehr Wachstum zu leisten ist – anders als bisher allerdings mit weniger Naturverbrauch und Raubbau. Der Wandel in Richtung mehr Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit muss gelingen. Sollte er scheitern, werden sich die globalen Krisensymptome weiter verschärfen. Dann könnte die Warnung des australischen Umweltaktivisten und früheren Chefs von Greenpeace International, Paul Gilding, Wirklichkeit werden: „Mit dem Zwang zu immer mehr Wachstum und einer Überforderung des Planeten frisst sich unser System selbst auf.“