Überleben oder Untergang: Für die Menschheit ist es drei Minuten vor zwölf, warnen Atomwissenschaftler Foto: Fotolia

Die symbolische Weltuntergangsuhr tickt unaufhaltsam. So nahe an der globalen Katastrophe stand die Menschheit seit 1984 nicht mehr, warnt die Elite der Nuklearwissenschaftler.

Stuttgart - Wenn Karl Marx (1818-1883), der große deutsche Philosoph, Ökonom und Stammvater des Kommunismus, heute leben und sein berühmtes „Kommunistisches Manifest“ von 1848 noch einmal schreiben würde, könnte sein legendärer Aufruf „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“ vielleicht ganz anders lauten: „Apokalyptiker aller Länder, vereinigt euch!“

2012 ist die Menschheit noch glimpflich davongekommen

Auch wenn der 21.Dezember 2012 – an dem nach den angeblichen Berechnungen des Maya-Kalenders die Welt untergehen sollte – spurlos an der Menschheit vorübergegangen ist, bedeutet dies nicht, dass sie aus dem apokalyptischen Schneider ist. Anders als mancher Esoterik-Begeisterter vermutet, enthalten die Maya-Inschriften keine Hinweise auf eine Weltuntergangs-Prophezeiung. Dagegen sollte man die aktuellen Warnungen einer Gruppe namhafter Wissenschaftlern todernst nehmen.

Man muss nicht zur großen Gemeinde der Endzeit-Jünger gehören, um zuzugegeben, dass es um die Zukunft des Homo sapiens auf diesem einsamen kosmischen Eiland namens „Terra“nicht unbedingt zum Besten bestellt ist. Wer Ohren hat zu hören, der muss nicht gleich zur Bibel greifen, um Genaueres über das Ende der Zeiten und das Jüngste gericht zu erfahren. Es genügt schon ein Blick in die aktuellen Nachrichten. Dort ist nämlich zu lesen, dass die „Doomsday clock“ – die sogenannte Atomkriegsuhr – auf drei Minuten vor zwölf gestellt worden ist.

Weltuntergangsuhr und die Elite der Atomforschung

Hinter diesem bizarr anmutenden Vorgang verbergt sich nicht etwa ein Club überängstlicher Esoteriker, sondern die weltweite Elite der Nuklearforscher. Zusammen mit 17 Nobelpreisträgern hat der Aufsichtsrat der Fachzeitschrift „Bulletin of the Atomic Scientists“ (Berichtsblatt der Atomwissenschaftler) die „Uhr des Jüngsten Gerichts“ um zwei Minuten vorgestellt. Das letzte Mal wurde sie im Jahr 2012 bei 11.55 Uhr angehalten.

Die Atomkriegsuhr ist eine symbolische Uhr des „Bulletin of the Atomic Scientists“ und spielt auf die Metapher „Es ist fünf Minuten vor zwölf“ an, wenn ein äußerst besorgniserregendes Ereignis unmittelbar bevorsteht. 1947 – zu Hochzeiten des Kalten Krieges – wurden die Zeiger bei sieben Minuten vor zwölf gestartet.

1953 – zwei Minuten vor zwölf: die  ersten Wasserstoffbomben-Tests

Seitdem wurde das Uhrwerk insgesamt 21-Mal vor- und zurückgedreht – je nachdem wie die Experten die Weltlage einschätzten. Es pendelte sich zwischen 11.43 Uhr und 11.58 Uhr ein.

Nur drei Mal in 67 Jahren standen die Zeiger bei drei Minuten vor zwölf: zum jetzigen Zeitpunkt, 1953, als die Sowjetunion ihre erste Atombombe zündete sowie 1984, als sich das Wettrüsten zwischen den Großmächten verschärfte. Nur einmal standen die Zeiger bisher auf zwei Minuten vor zwölf: 1953, als die UDSSR und die USA ihre ersten Wasserstoffbomben testeten.

In Zeiten der politischen Entspannung standen der Zeiger auch mal bei 17 Minuten vor zwölf: Damals im Jahr 1991 unterzeichneten die Großmächte die Start-Verträge, die das Atomwaffenarsenal drastisch reduzieren sollten.

Neu dazugekommen zu den  apokalyptischen Reitern – der Klimawandel

Die jüngste Anpassung sei Ausdruck der Unzufriedenheit mit dem „unkontrollierten Klimawandel, der globalen Modernisierung von Atomwaffen und übergroßen Atomwaffenarsenalen“, heißt es im Statement der Wissenschaftler. Diese Faktoren seien eine „außergewöhnliche und unleugbare“ Bedrohung für das Fortbestehen der Menschheit, Und weiter: „Die Uhr tickt jetzt drei Minuten vor zwölf, weil die politischen Führer in ihrer wichtigsten Aufgabe versagen: Gesundheit und Leben der Menschheit zu schützen“

Das „Bulletin of Atomic Scientists“ wurde von Mitarbeitern am Manhattan-Projekt, dem US-Atomwaffenprogramm während des Zweiten Weltkriegs, gegründet. Seither treffen sich im Aufsichtsrat des Blattes regelmäßig die besten Nuklearforscher, um über die Weltlage und Gefahr eines Atomkriegs zu debattieren. 2007 wurde erstmals der Klimawandel in den Beschluss des Expertengremiums einbezogen.

Die Welt im Jahr 2050 – einfach gruselig

Würde man die Uhr vordrehen – zum Beispiel auf das Jahr 2050 –, könnten sich noch ganz andere, weitaus heiklere Herausforderungen für die Menschheit ergeben. Bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts wird die Weltbevölkerung von derzeit rund sieben auf zehn Milliarden Menschen ansteigen. Sie alle fordern ihr Recht auf ausreichend Nahrung, medizinische Versorgung und ein Leben in Würde und Freiheit ein.

Dass diese berechtigten und nachvollziehbaren Wünsche schon jetzt illusorisch sind und in Zukunft noch schwerer zu erfüllen sein werden, dürfte inzwischen den meisten bekannt sein. Auf der Erde wird es zunehmend enger. Die Abholzung der Wälder, die Verschmutzung der Flüsse und Meere, die Verschlechterung der Böden – all das schreitet in einem erschreckenden und dramatischen Tempo voran.

Von den rund 3,2 Milliarden Hektar potenziellem Ackerland auf dem Blauen Planeten steht heute weniger als die Hälfte für die Landwirtschaft zur Verfügung. Bis 2030 müsste die verfügbare landwirtschaftliche Fläche laut Welthungerhilfe um mehr als 500 Millionen Hektar wachsen, um eine ausreichende Versorgung der Weltbevölkerung zu gewährleisten. Doch schon heute hungern eine Milliarde Menschen, weil Boden, Nahrung und Ressourcen ungleich verteilt sind.

Immer mehr Menschen leben auf immer weniger Raum

Es sind nicht noch mehr Waffen, welche die Zukunft der Menschheit in Frage stellen. Die Gefahr eines globalen nuklearen Winters infolge eines thermonuklearen Krieges ist heute – und dürfte auch in Zukunft – weit geringer sein als der regionale und globale Zusammenbruch ganzer Ökosysteme. Auf einen Nenner gebracht: Immer mehr Menschen leben auf immer weniger Raum und teilen sich immer weniger Energie, Nahrung und Wasser.

2014 war das wärmste Jahr seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen im Jahr 1881. Nicht nur das: Neun der zehn wärmsten Jahre wurden seit Beginn des neuen Milleniums gemessen. Sollten die anthropogenen, also die vom Menschen bewirkten Umweltveränderungen so weitergehen oder sich sogar verschärfen, wird die globale Erwärmung bis Ende des Jahrhunderts auf drei bis acht Grad ansteigen, prognostiziert der Weltklimarat IPCC ganz nüchtern und ohne Panikmache.

Ein neuer Lebensstil – oder das schleichende Aussterben?

Wenn sich die Menschheit nicht endlich besinnt und ihren Lebensstil grundlegend ändert, könnte die Atomkriegsuhr im Jahr 2050 auf fünf Minuten nach zwölf stehen. Dann droht der Menschheit ein schleichendes Aussterben – ganz ohne Apokalypse und den großen „Bang“ aus dem Weltall.