Donald Tusk wird wahrscheinlich neuer Premierminister von Polen. Foto: dpa/Petr David Josek

Polen steht wohl vor dem Machtwechsel. Das ist ein großer Sieg für die Demokratie, doch der neue Premier Tusk steht vor gewaltigen Aufgaben, kommentiert unser Brüssel-Korrespondent Knut Krohn.

Nicht nur bei vielen Polinnen und Polen ist das Aufatmen nach der Wahl groß. Aus ganz Europa kommen die Glückwünsche an Donald Tusk, den wahrscheinlich nächsten Premierminister in Warschau. Zwar ist die nationalkonservative Partei PiS wohl stärkste politische Kraft geblieben, dennoch könnten drei proeuropäische Oppositionsparteien die neue Regierung bilden.

Erleichterung herrscht vor allem in Berlin und Brüssel. Dort ist die Hoffnung groß, dass ein möglicher Machtwechsel auch eine Wende in der polnischen Außenpolitik bedeutet. PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski versuchte während des Wahlkampfes mit seinen hasserfüllten Tiraden gegen den Nachbarn Deutschland bei den Wählern zu punkten. Die Bundesregierung hat in dieser Situation richtig gehandelt und sich auch von der Forderung nach Weltkriegsreparationen in Höhe von 1,3 Billionen Euro nicht provozieren lassen. Jede harsche Reaktion aus Berlin wäre Wasser auf die Mühlen der Nationalkonservativen gewesen.

Große Erleichterung in der EU

Auch Brüssel hat trotz aller Beschimpfungen aus Polen verbissen geschwiegen. Umso größer ist nun die Erleichterung, dass der zuletzt beängstigende Aufstieg der Rechtspopulisten in den EU-Staaten nicht unaufhaltbar scheint. Und mehr noch: in Sachen Europa dürfte Warschau in Zukunft vom Blockierer wieder zum Teamplayer werden. Über Jahre lag Brüssel im harten Clinch mit Polen, weil die Regierung gezielt die Demokratie und den Rechtsstaat aushöhlte. Auch aus diesem Grund ist die Abwahl der Nationalkonservativen umso bedeutender einzuschätzen, denn der Wahlkampf verlief alles andere als fair. So wurde etwa im von der Regierung kontrollierten staatlichen Fernsehen die Opposition massiv verunglimpft. Dem Herausforderer Donald Tusk wurde vorgeworfen, eine Marionette Deutschlands zu sein und russische Interessen zu vertreten.

Doch offensichtlich hat der mit missionarischem Eifer agierende Jaroslaw Kaczynski die Stimmung im Land falsch eingeschätzt. Die polnische Gesellschaft hat sich in den vergangenen Jahren grundlegen verändert, sie ist in der Breite wohlhabender, westlicher und auch selbstbewusster geworden. So hat etwa die geplante drastische Verschärfung des Abtreibungsrechtes sehr viele Frauen motiviert, an die Urnen zu gehen. Sie wollten sich nicht dem antiquierten Frauenbild der Nationalkonservativen von Kinder, Küche, Kirche unterordnen.

Die Stammwähler halten zur PiS

Umfragen nach der Wahl belegen allerdings, dass die alte Stammwählerschaft fest zu Jaroslaw Kaczynski gehalten hat. Den Ausschlag gegeben habe die Menschen, die bei einer Rekordwahlbeteiligung für ein modernes Polen gestimmt haben, die angewidert sind von Hass und Ausgrenzung, diesem permanenten Ausnahmezustand, auf dem die Nationalkonservativen ihre Macht aufgebaut haben.

Das System ist fest in der Hand der PiS

Die Freude über den möglichen Machtwechsel in Polen, könnte allerdings schnell in eine Katerstimmung umschlagen. Denn Jaroslaw Kaczynski hat seinen Einfluss über Jahre tief im System verankert. Der staatliche Rundfunk und auch das Fernsehen sind fest in nationalkonservativer Hand. Dasselbe gilt inzwischen fast für das gesamte polnische Justizsystem. Die Gefahr besteht, dass das Verfassungsgericht Beschlüsse des demokratisch gewählten Parlaments schlicht aushebelt. Auch wird Polens amtierender Präsident Andrzej Duda den Machtverlust seines Ziehvaters Kaczynski nicht einfach hinnehmen. Er kann mit seinem Veto wichtige Gesetze blockieren oder zumindest verzögern.

Auf Donald Tusk warten große Aufgaben. Sein Land zurück in die Familie der Pro-Europäer zu führen, dürfte schnell gelingen. Die wirkliche Herausforderung wird sein, eine zutiefst gespaltene polnische Gesellschaft zu versöhnen.