Wer warum als Kandidat für das Richteramt an einem Bundesgericht vorgeschlagen wird, bleibt oft ein Rätsel Foto: dpa

Wer Richter an einem Bundesgericht werden will, braucht die Hilfe der Politik: ein Verfahren, das schon seit langem öffentlichen Unmut erregt. Jetzt wagen die Justizminister der Länder einen neuen Reformvorstoß.

Stuttgart - Die anhaltende öffentliche Kritik am Wahlverfahren für den Bundesgerichtshof, den Bundesfinanzhof und andere Bundesgerichte hat die Länderjustizminister zu einem neuen Reformvorstoß bewogen. Auf ihrer Konferenz am 17. und 18. Juni in Stuttgart wollen sie das Bundesjustizministerium um eine Prüfung der bestehenden Regelungen bitten, die allgemein als intransparent angesehen werden.

„Es besteht Regelungsbedarf“, sagte Baden-Württembergs Justizminister Rainer Stickelberger (SPD). Bisher fehle ein eindeutiges und einheitliches Verfahren, wie die Vorschläge für die höchsten deutschen Gerichte zustande kommen. Das Vorschlagsrecht steht dem zuständigen Bundesminister sowie den Mitgliedern des Richterwahlausschusses zu, der aus der gleichen Anzahl Landesministern und Bundestagsabgeordneten besteht. Dabei spielt der Länderproporz ebenso eine Rolle wie die Parteizugehörigkeit der Kandidaten.

2014 wurden offenbar drei Entscheidungen des Wahlausschusses angegriffen

Wenn er selbst Vorschläge mache, so Stickelberger, achte er außer auf die Befähigung und Leistung der Kandidaten auch darauf, dass bei gleicher Eignung Frauen zum Zug kommen: „Diese Regeln haben wir uns aber selbst gegeben.“ Nirgendwo stehe geschrieben, dass Bundesgerichte nach Länderproporz besetzt werden müssten. Regelungsbedarf sieht Stickelberger auch angesichts von „immer mehr Konkurrentenklagen“. Allein im vergangenen Jahr wurden offenbar drei Entscheidungen des Wahlausschusses angegriffen – was die Besetzung der Richterstellen erheblich verzögerte.

Der bekannteste Fall ereignete sich im Jahr 2004, als zwei Kandidaten zu Richtern am Bundesgerichtshof gewählt worden waren, obwohl der Präsidialrat des Gerichts – er darf ein nicht bindendes Votum abgeben – diese als ungeeignet abgelehnt hatte. Darunter war der Lübecker Richter Wolfgang Nescovic, der mit seiner Forderung nach einem „Recht auf Rausch“ bundesweite Bekanntheit erlangt hatte.

Schon damals war massive Kritik an dem Wahlverfahren laut geworden – von Rechtspolitikern wie Ulrich Goll (FDP) ebenso wie vom Deutschen Richterbund. Doch eine Reform blieb aus. Schleswig-Holsteins Justizministerin Anke Spoorendonk (SSW) macht nun einen erneuten Anlauf und will dafür in Stuttgart ihre Länderkollegen gewinnen.

Richter sollten sich selbst auf die begehrten Posten bewerben dürfen

Im Beschlussvorschlag heißt es, die Ministerrunde sei sich darüber einig, dass dem Wahlverfahren nicht nur mit Blick auf die besten Kandidaten eine zentrale Bedeutung zukomme, sondern auch „mit Blick auf die Gewährleistung der gesellschaftlichen Akzeptanz und des Vertrauens in die obergerichtliche Rechtsprechung“. Die gegenwärtig angewandte Methode werde in Öffentlichkeit, Politik und Justiz zunehmend kritisch betrachtet.

Eine Reformvariante wäre zum Beispiel, dass Richter sich selbst auf die begehrten Posten bewerben dürfen, was bisher so nicht vorgesehen ist. In der Praxis scheint dies aber hin und wieder vorzukommen, wie Stickelberger sagte: „Manche Bewerber melden sich.“ Sein Haus wisse aber genau, wer für solche Stellen geeignet sei. Ohnehin sei die Tätigkeit an einem obersten Gericht nicht für jeden Juristen spannend, denn diese sei stark wissenschaftlich geprägt.

Als Bundesrichter bezeichnet man in Deutschland die Richter am Bundesgerichtshof, am Bundesverwaltungsgericht, am Bundesfinanzhof, am Bundesarbeitsgericht, am Bundessozialgericht und am Bundespatentgericht. Die Richter des Bundesverfassungsgerichts werden landläufig auch als Bundesrichter bezeichnet, sie haben jedoch eine Sonderstellung als Verfassungsorgan. Auch die Richterwahlausschüsse sind für sie nicht zuständig.