Satte 105 Tonnen wiegt der schwerste der sechs Stahlbetonträger. Foto: Eibner/Alessandro Marcigliano

Der Einhub von sechs Brückenträgern über der A 81 am Wochenende läuft wie geplant. Die siebte von elf Vollsperrungen hatte auf den Umleitungsstrecken aber Staus zur Folge. Auch im gesperrten Engelbergtunnel lief alles glatt, er öffnete am Sonntag aber mit Verspätung.

Auf der Autobahn zwischen Böblingen und Sindelfingen herrscht am Samstag eine ungewohnte Ruhe. Dort, wo sonst bis zu 130 000 Fahrzeuge täglich über den Asphalt brausen, liegt das Straßenband still in der Spätsommersonne. Der Grund ist die siebte von elf geplanten Vollsperrungen dieser wichtigen Verkehrsader im Zuge des sechsspurigen Ausbaus. Die Sperrung war nötig, um den zweiten Teil der Brücke der Calwer Straße einzuheben. Um Platz für die verbreiterte Fahrbahn zu schaffen, musste sie komplett abgebrochen und in zwei Teilen wieder neu errichtet werden. Das wurde nun vollendet.

Unvermeidliche Staus „Wir haben dieses Wochenende in den Ferien gewählt, da es das vermeintlich verkehrsärmste sein würde“, sagt der Projektverantwortliche Johannes Kuhn, der sich dafür immer mit der Autobahn GmbH abstimmt. Dennoch pfropft der Verkehr am Samstag von Norden kommend schon auf der Ableitung der A 8 am Stuttgarter Kreuz. Aus Fahrtrichtung Singen bildete sich nach der Ausfahrt Ehningen eine Blechschlange. Am Sonntag kam es auf der Umleitungsstrecke durch Sindelfingen zu langen Autoschlangen. Der Rückstau reichte auf der Autobahn bis zum Kreuz Stuttgart und zeitweise darüber hinaus. Auch der Engelbergtunnel war von Samstag auf Sonntag gesperrt. Wer am Sonntagmorgen zur veröffentlichen Uhrzeit um 8 hindurchfahren wollte, hatte Pech: Wegen technischer Störungen konnte der Tunnel nach der nächtlichen Sperrung nicht, wie geplant, um 8 Uhr für den Verkehr freigegeben werden, sondern erst gegen 10.40 Uhr.

Vor dem Zeitplan Nach dem Kraftakt an diesem ersten Septemberwochenende ist es dann bald vollbracht, und zwischen Böblingen und Dagersheim stehen wieder je Fahrtrichtung zwei Fahrspuren zur Verfügung. Derzeit wird der Verkehr auf nur je einer Spur schon über den bereits fertiggestellten Teil geleitet. „Wir sind heute schneller als gedacht“, sagt Kuhn von der – Achtung, Wortungetüm: Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs und -bau GmbH, kurz: Deges. Sie koordiniert das 360-Millionen-Euro-Projekt, das Anfang 2027 fertig sein soll.

Gewichtige Angelegenheit Kuhn: „Der Kranfahrer hat schon heute Morgen um 9 Uhr den dritten Träger eingehoben, obwohl das erst für 12 Uhr geplant war.“ Das war einer der größeren und schwereren der insgesamt sechs Stahlverbundträger, die den nördlichen Teil der Brücke bilden. „Der wiegt ziemlich genau 105 Tonnen, weil auf der Außenseite noch der Radweg entlangführt“, sagt Kuhn. Die schmaleren Träger bringen es „nur“ auf 90 bis 95 Tonnen. 600 Tonnen Material schweben also an diesem Wochenende zentimetergenau an ihren Platz.

Komplexe Maschinerie Damit das reibungslos funktioniert, setzte sich am Freitagabend eine enorme Maschinerie in Gang, deren Fäden bei Kuhn zusammenlaufen. „Zuerst musste die Firma Zeppelin die gesamte Verkehrssicherung einrichten und ein Autobahnmeister das abnehmen“, sagt der Projektleiter. Als die Sperrung eingerichtet war und der Verkehr über Nebenadern floss, türmte sich der riesige blaue Liebherr-Spezialkran neben der Brücke auf, um die Stahlbetonmonster nach oben zu hieven. Mit seiner Tragkraft von 700 Tonnen könnte er die Brücke theoretisch an einem Stück lupfen. Muss er aber nicht: Sie besteht ja aus sechs Einzelteilen.

Zentimeterarbeit Nur mit einem kleinen Joystick dirigiert der Kranführer die imposanten Träger an Ort und Stelle. Sie hängen an Drahtseilen, so dick wie Kinderbeine, an denen zur Befestigung Schäkel hängen, so dick wie Männerarme. „Einer von den Schäkeln wiegt 30 bis 40 Kilo“, sagt Kuhn. Stimmt: Allein um einen anzuheben, braucht es mehr als einen starken Arm. Hängen die Brückenteile einmal daran in der Luft, lassen sie sich trotz ihres enormen Gewichts noch mit Seilen an Ort und Stelle lenken. „Dafür müssen die Arbeiter am Boden engen Kontakt mit dem Kranführer halten“, sagt Kuhn. Am Samstag klappt das wie am Schnürchen: Der 105-Tonnen-Koloss sitzt und passt.

Kurze Wege Einfacher hatte es der Trupp diesmal mit der Anlieferung der Stahlträger. Denn die massiven Streben stammen zwar aus einer Fabrik in der Nähe des Brenners in Österreich, sie mussten aber zur Montage nicht wie zuvor erst nach Nordhessen gekarrt werden und dann per Schwertransport nach Böblingen. „Diesmal haben wir die sechs Träger auf unserer Multifunktionsfläche auf dem Flugfeld vormontiert“, sagt Kuhn. Auf dem eineinhalb Fußballfelder großen Areal warten die drei verbleibenden Brückenteile auf ihre endgültige Bestimmung.

Nächste Sperrung In der Reihe der Vollsperrungen der A 81 im Zuge des Ausbaus war dies die siebte. Vier weitere werden es mindestens noch sein, rechnet der Bauleiter Kuhn vor. Immerhin sind mit der jetzt geschlagenen Brücke schon drei der vier Überführungen geschafft, inklusive Eisenbahnbrücke. Als Nächstes ist die Brücke der Wolfgang-Brumme-Allee dran, die aber nur zwei statt vier Vollsperrungen benötigt.

Ausbau und Überdeckelung der A 81

Sechs Spuren
Die A 81 wird zwischen den Anschlussstellen Böblingen-Hulb und Sindelfingen-Ost von vier auf sechs Spuren plus temporär befahrbaren Standstreifen ausgebaut. Spatenstich war Anfang Juli 2021.

Überdeckelung
Ungefähr ab Höhe des Sindelfinger Schauwerks bis zum ehemaligen Roten Kreuz sollen die Spuren zu Lärmschutzzwecken eingehaust werden.

Kostenrahmen
Veranschlagt für dieses Mammutprojekt waren anfangs 360 Millionen Euro. Allerdings ist durch die Inflation und Baukostensteigerungen damit zu rechnen, dass dieser Rahmen nicht reichen wird.

Zeitplan
Ursprünglich sollte von Ende 2026 der Verkehr wieder ungehindert fließen. Jüngst gab die Deges bekannt, dass es wohl Anfang 2027 werden wird.