Zwei aus dieser Gruppe sind beim Haushalt außen vor: CDU-Fraktionschef Alexander Kotz (blaue Krawatte) und FW-Chef Jürgen Zeeb (2. v. re.) sind beim Megabündnis nicht dabei. Foto: Lichtgut/Peter-Michael Petsch

Im Gemeinderat sitzen 60 Stadträte. Fünf Fraktionen, die 40 Sitze beanspruchen, wollen die Akzente für den Doppelhaushalt 2020/2021 setzen.

Stuttgart - Der Doppelhaushalt der Landeshauptstadt soll an diesem Freitag verabschiedet werden. Die dritte, öffentliche Lesung beginnt um 8.30 Uhr im Rathaus. Überraschungen wird es kaum mehr geben, das haben Grüne, Linksfraktion, SPD, Liberale und die Fraktion Puls am Mittwoch bei einer Pressekonferenz, in der sie eine Bilanz der Haushaltsberatungen zogen, betont und sich gegenseitiger Treue versichert.

Das neue, ökologisch-sozialliberale Bündnis werde in einigen Bereichen einen „Paradigmenwechsel“ einleiten, sagte Grünen-Sprecherin Gabriele Nuber-Schöllhammer. So soll es deutlich mehr Personal geben als von der Verwaltungsspitze vorgesehen. Auf die 736 „stellenrelevanten Vorgänge“ (es sind 636 Neuschaffungen) im Entwurf von OB Fritz Kuhn (Grüne) sattele das Bündnis 192 Stellen drauf, sagte FDP-Fraktionschef Matthias Oechsner. In der Summe geht es um 828 neue Stellen. Die Verwaltung hat für 2020 außerdem 96 Stellenstreichungen vorgesehen. Für die Liberalen sei die Personalpolitik entscheidend dafür gewesen, das Bündnis-Experiment einzugehen. Man fühle sich „gut aufgehoben“, so Oechsner, der Gemeinderat sei „keine Spielwiese für Parteipolitik“.

Das Klimathema wird weiter verhandelt

Die fünf Fraktionen bilden eine Zweidrittelmehrheit, mit Kuhn (Grüne) verfügen sie über 41 der 61 Stimmen im Rat. Am Mittwoch lobten sie sich selbst und gegenseitig. Linksbündnis-Sprecher Hannes Rockenbauch (SÖS) sprach über die Linksfraktion vom „ökosozialen Gewissen des Rates“ – die Fraktionen folgten seinem Drängen, die Klimaneutralität der Stadt von 2050 auf 2030 vorzuziehen, aber nicht. Das Thema werde „weiter verhandelt, wir glauben, dass wir dazu ein Klimareferat brauchen“, so der Fraktionssprecher. Das mit 200 Millionen Euro dotierte Klimapaket sei das wohl umfangreichste einer Großstadt, sagte Grünen-Sprecher Andreas Winter. Entgegen ersten Plänen der Grünen erhalten die SSB zudem 120 Millionen Euro für Sanierungen und den Ausbau ihrer Flotte. Auch diese Investitionen werden vom Bündnis als Investition in den Klimaschutz gewertet.

Co-Sprecher Thomas Adler (Linke) monierte, dass das Bündnis sich gegen eine Neuverschuldung stemme. An der schlechten Versorgung von Rentnern und Mietern mit kleinem Geldbeutel „wird sich nicht viel tun“, kritisierte er. Den Paradigmenwechsel sehe er nicht, so Adler. Rockenbauch räumte ein, dass womöglich nicht alle acht Räte aus der Linksfraktion dem Haushalt zustimmen würden.

Stadt schiebt Bugwelle an Investitionen vor sich her

Neue Schulden seien bei wohl bald 800 Millionen Euro genehmigter Investitionsmittel aus Vorjahren, die vor allem wegen Personalmangel nicht abgearbeitet werden konnten, nicht sinnvoll, so SPD-Chef Martin Körner. Er hob das 365 Euro-Ticket im VVS für Schüler, Azubis und Meisterschüler hervor, man wolle dies auch für Studenten erreichen. Außerdem begrenze man Mieterhöhungen durch Sanierungen. SPD-Co-Sprecherin Jasmin Meergans betonte, dass die Fach- und Meisterschulgebühren abgeschafft würden und diese Schüler bald kein Materialgeld mehr zahlen müssten. Es gebe Verbesserung in den Kitas, bei der Nachmittagsbetreuung und der Toilettenreinigung in den Ganztagsschulen.

Auch die junge Fraktion Puls lobt. Es werde ein Mountainbike- und Hallenkonzept und mehr Schulsozialarbeit geben, das günstige VVS-Ticket komme, „wir finden uns wieder“, sagte Christian Walter (Junge Liste). Thorsten Puttenat (Stadtisten) verteidigte die Entscheidung, zwar zum Beispiel die Kulturinsel, nicht aber die Bach-Akademie oder das Flamenco-Festival zu fördern. Das sei „keine Willkür“, so Puttenat, der einräumte, das Festival nicht zu kennen.

Grüne: Kommunalwahl-Ergebnis umgesetzt

Mit dem Doppelhaushalt gebe es eine zusätzliche „breite Kulturförderung“, sagte Grünen-Sprecher Andreas Winter, man gebe fünf Millionen Euro zusätzlich. „Es ist aber nicht so, dass Geld keine Rolle spielt“, warf Nuber-Schöllhammer ein. „Bei 1,5 Milliarden Euro Rücklagen sehen wir das etwas anders“, so Rockenbauch. Das Bündnis zeichne die „Vielfalt der Stadt“ nach, so Nuber-Schöllhammer – und es setze letztlich das Ergebnis der Kommunalwahl um, bei der öko-links eine Mehrheit erreichte, so Winter.