Hat eine 37 Jahre alte Frau aus Aichwald (Kreis Esslingen) versucht, ihre Kinder mit in den Tod zu nehmen? Der Fall beschäftigt derzeit das Stuttgarter Landgericht. Foto: Phillip Weingand

Im Dezember raste eine Frau mit vier Kindern im Auto gegen die Endersbacher Kelter im Rems-Murr-Kreis. Nun musste ein Sachverständiger klären, ob die Frau schuldfähig ist.

Ein tragischer Unfall – oder versuchter Mord? Eine 37 Jahre alte Frau aus Aichwald (Landkreis Esslingen) steht derzeit vor dem Stuttgarter Landgericht. Der Vorwurf lautet auf zweifachen versuchten Mord und zweifachen versuchten Totschlag an ihren eigenen Kindern. Auch wenn die Indizien gegen die Frau sprechen, wird doch immer unwahrscheinlicher, dass sie ins Gefängnis muss. Der psychiatrische Sachverständige Peter Winckler hat sie am Montag in seinem Gutachten für nur eingeschränkt schuldfähig erklärt.

Am 7. Dezember war die Frau mit ihrem Auto, in dem auch ihre vier Kinder saßen, zunächst ziellos durch die Gegend gefahren. Bei Weinstadt-Endersbach kam sie schließlich von einem Feldweg ab – und der VW Sharan krachte mit großer Wucht gegen die Mauer der dortigen Kelter. Rund 65 Stundenkilometer, schließt die Staatsanwaltschaft aus den Spuren, soll dabei ihre Geschwindigkeit betragen haben. Zwei der Kinder – heute sind sie zwischen einem und fünf Jahre alt – waren nicht angeschnallt – in diesen beiden Fällen geht die Staatsanwaltschaft daher von versuchtem Mord aus. Kurz nach dem Aufprall wurde der Unfall damals von einem Mann und einer Frau entdeckt – Arbeitskollegen, die dort über einen Schleichweg auf dem Weg zur Arbeit waren.

Die beiden erkannten, dass die Insassen keine allzu schweren Verletzungen davongetragen hatten. Während sich die 37-Jährige vor Gericht an die Irrfahrt und die Situationen zuvor kaum erinnern konnte, hatte sie den beiden Ersthelfern in deren Auto jedoch gestanden, dass sie den Unfall absichtlich verursacht hatte. Und damit nicht genug: In einem Streit mit ihrer Mutter soll sie sogar angekündigt haben, dass sie den Kindern und sich selbst etwas antun wollte.

Gutachten wurde mit Spannung erwartet

„Ich war nicht Herrin meiner Sinne“, hatte die Frau im Prozess mehrmals gesagt. Stimmen, die ihr die Tat befohlen hätten, habe sie aber nicht gehört. Sie sagte, sie habe die Mauer nicht gesehen, sei vor dem Unfall von einer vertrockneten Kontaktlinse beeinträchtigt und durch die ihr ins Gesicht blasende Lüftung des Autos abgelenkt gewesen.

Insgesamt machte ihre Aussage – und im Kontrast dazu die Aussagen aller Zeugen – aber eher den Anschein, dass die Mutter möglicherweise selbst verdrängt, zu einer solchen Handlung fähig zu sein. Doch reicht das für eine Schuldunfähigkeit? Das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen wurde daher mit Spannung erwartet.

Dieser konnte zwar keine psychische Erkrankung der Frau im engeren Sinne finden. „Allerdings handelte es sich um eine akute psychische Belastungssituation aufgrund einer längeren allgemeinen Überlastung“, so der Sachverständige. Die Frau, die in einer Fernbeziehung lebt und sich im Wesentlichen allein um die vier Kinder kümmert, sei chronisch erschöpft, müde und habe schließlich an jenem Morgen einen psychischen Zusammenbruch erlitten. „Ich gehe von einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit aus“, so Winckler weiter. Er halte es trotzdem nicht für nötig, dass die Aichwälderin in eine Psychiatrie zwangseingewiesen wird. „Dafür müsste sie unter anderem eine Gefahr für die Allgemeinheit sein, und das sehe ich bei ihr nicht.“ Auch sehe er eine gute Prognose für die Frau, die bis dato noch nie straffällig gewesen ist. „Das gilt auch für die Kinder – ich gehe nicht davon aus, dass sie anhaltend gefährdet sind.“

Der Prozess gegen die vierfache Mutter neigt sich nun dem Ende zu, das Urteil fällt voraussichtlich am 19. Juni.