Im schon jahrelang anhaltenden Streit um das Fernwärmenetz gibt es eine überraschende Wende. Die EnBW will deshalb das Verfahren in die nächste und letzte Instanz führen.
Stuttgart - Im Streit zwischen der Landeshauptstadt und der Energie Baden-Württemberg (EnBW) um das Eigentum am Fernwärmenetz in der Stadt hat das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) am Donnerstag für eine überraschend neue Sichtweise gesorgt. Die Vorgängerinstanz hatte die Klage der Stadt auf Herausgabe des Netzes (der Konzessionsvertrag war 2013 ausgelaufen) 2019 abgelehnt. Der Gemeinderat hatte nach einem Bürgerbegehren beschlossen, die Übernahme anzugehen. Ziel ist, Nahwärmenetze in die bisher durch große Kohle- und Gaskraftwerke sichergestellte Versorgung einzubinden und diese letztlich abzulösen.
Gericht: Patt durch Verhandlung auflösen
Stadt und EnBW seien „aneinandergekettet“, es bestehe rechtlich gesehen eine Pattsituation, konstatierte der Vorsitzende Richter des 2. Senats, Christoph Stefani. Für die EnBW, und hier korrigierte Stefani die Sicht der Vorgängerinstanz, bestehe kein Anspruch auf einen neuen Konzessionsvertrag. Der Inhalt des alten könne auch nicht neu ausgelegt werden, denn in ihm finde sich keine Regelungslücke. Aber die Stadt könne auch nicht darauf beharren, dass die Leitungen automatisch ihr gehörten. „Der wirtschaftlich einzig sinnvolle Weg ist, sich aufeinander zuzubewegen“, riet Stefani. Ansonsten könne die Stadt auf die Beseitigung der Leitungen pochen und wohl selbst als Versorger tätig werden.
Das Netz stillzulegen und 75 000 Menschen nicht mehr zu versorgen bezeichnete der von der EnBW beauftragte Anwalt Ulrich Büdenbender als „Lehrbuchbeispiel einer verbotenen Schikane“. Er forderte das Gericht auf, die Revision der Entscheidung (Verkündung soll am 26. März sein) beim Bundesgerichtshof zuzulassen.
Mit dem Netz ist Geld verdient
Tatsächlich will niemand das Netz ausgraben. Anwalt Matthias Albrecht für die Stadt appellierte, die EnBW solle die Infrastruktur zum objektiven Ertragswert abgeben. „Mit dem Fernwärmenetz-Monopol kann man sehr viel Geld verdienen“, sagte er. Die Stadt wolle „gestalten, und zwar schnell“. Das Stuttgarter Wasserforum, das die Rekommunalisierung fordert, begrüßte die Überlegungen des 2. Senats. Wenn es keine andere Möglichkeit gebe, müsse die EnBW die Wärmerohre eben entfernen.
Andrea Klett-Einiger aus dem Referat von OB Fritz Kuhn kommentierte die Ausführungen des Gerichts als „wichtigen Baustein für Verhandlungen“. Man sei zufrieden.
Martin Körner, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Rathaus, erneuerte seine Forderung, Stadt und Land sollten sich auf eine gemeinsame Strategie zur Umstellung der Stuttgarter Wärmeversorgung auf erneuerbare Energiequellen einigen. „Es kann doch nicht wahr sein, dass sich die Stadt Stuttgart mit ihren Stadtwerken und das Land Baden-Württemberg mit der EnBW nicht auf einen gemeinsamen Weg zu einem effektiven Klimaschutz in Stuttgart einigen können. Ohne Wärmewende erreichen wir unsere Klimaziele nicht“, so Körner. Der Gang bis in die letzte Instanz sei keine Lösung.