Sogenannte Ewigkeits-Chemikalien werden auch in Kosmetika eingesetzt. Sie sind so gut wie nicht abbaubar. Foto: H/Stefan Schweihofer/Pixabay

Baden-Württemberg will, dass die „Ewigen Chemikalien“ unter bestimmten Umständen weiter eingesetzt werden dürfen.

Die Situation ist ein Dilemma. Für die Produktion von Windrädern, E-Autos, Energiespeicher oder Halbleiter werden oft giftige Stoffe benötigt. Dazu zählen die sogenannten PFAS-Chemikalien. Ohne diese per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen ließen sich die Schlüsseltechnologien der Transformation zur Klimaneutralität nicht herstellen, heißt es von Seiten der Industrie. Ein pauschales Verbot gefährde die Klimaziele der Europäischen Union.

Dennoch arbeitet die EU-Kommission aktuell an einer Regelung für ein Verbot von rund 10 000 dieser Chemikalien, die in der Natur extrem langlebig sind. Mehrere Studien kommen zum Schluss, dass PFAS Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit haben oder zu Entwicklungsverzögerungen bei Kindern führen können. Auch ein erhöhtes Risiko für bestimmte Krebsarten wird angeführt.

Plädoyer für lange Übergangsfristen

Das Verbot der sogenannten Ewigkeits-Chemikalien hatten Anfang des Jahres Deutschland und vier weitere Staaten gefordert. Am Montag geht die Frist für eine öffentliche Konsultation der EU-Kommission zu dem Thema zu Ende. Auch das Land Baden-Württemberg hat als wichtiger europäischer Industriestandort in Brüssel eine Stellungnahme abgegeben.

In dem Papier, das unserer Zeitung vorliegt, plädiert die Landesregierung für einen „differenzierten Regulierungsrahmen“. Unter anderem fordert sie: „Bei gesellschaftlich relevanten Verwendungen, in denen es keine Alternativen zur PFAS-Anwendung gibt, muss es angemessene Übergangsvorschriften und adäquate Ausnahmen geben.“ In diesem Fall liegt das Land auf einer Linie mit der EU-Kommission. Der Vorschlag aus Brüssel sieht vor, dass Unternehmen je nach Verwendungszweck und Verfügbarkeit zwischen anderthalb und zwölf Jahren Zeit gegeben werden soll, um auf alternative Stoffe umzustellen. Auch fordert Stuttgart, die Suche nach Ersatzstoffen zu verstärken.

Alle Risiken sollen abgewogen werden

Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut hat sich in den vergangenen Monaten immer wieder mit Vertretern von Unternehmen, Verbänden und Forschungseinrichtungen getroffen, um die Position des Landes deutlichzumachen. „Dass die EU-Kommission ein pauschales Verbot von PFAS vorsieht, stellt nicht nur unsere Unternehmen vor ein großes Problem“, unterstreicht die Ministerin. „Die Folgen wären auch für unsere Gesellschaft gravierend.“ Selbstverständlich sei ein sehr sorgfältiger Umgang mit den Stoffen notwendig, um Mensch und Umwelt bestmöglich zu schützen, sagt Hoffmeister-Kraut. Gleichzeitig müsse aber eine „genaue Abwägung zwischen dem Nutzen für Mensch, Umwelt und Gesellschaft und den Risiken, die bei der Verwendung dieser Stoffe auftreten können“ erfolgen. Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) plädiert für einen differenzierten Umgang mit der Chemikaliengruppe. „Bessere Regulierung dort, wo es für den Verbraucherschutz notwendig ist, aber keine Überregulierung für die Wirtschaft, wo es Wachstum und Technologieentwicklung hemmt“, betonte jüngst der Grünen-Politiker.

Die EU entscheidet nach den Konsultationen

Schätzungen zufolge werden in den kommenden 30 Jahren mindestens 4,4 Millionen Tonnen PFAS in die Umwelt gelangen, wenn es keine Regelung für die risikoreichen Chemikalien gibt, wie es in dem EU-Papier für ein Verbot der Stoffe heißt. Die EU-Chemikalienagentur ECHA will nach Ablauf der öffentlichen sechsmonatigen Konsultation, die am 25. September endet, ein mögliches Verbot beurteilen. Die Entscheidung trifft die Europäische Kommission schließlich gemeinsam mit den EU-Mitgliedsstaaten. Mit einer Umsetzung des Verbots wird frühestens 2026 gerechnet.