Eine Umfrage der Tageszeitungen in Baden-Württemberg zeigt, dass nur gut ein Drittel der Baden-Württemberger hinter der neuen grün-schwarzen Koalition steht.
Stuttgart - Die Baden-Württemberger blicken generell optimistischer in die Zukunft als noch vor einem halben Jahr – und sie haben der Landesregierung zum Auftakt ihrer Amtszeit ein umfangreiches Aufgabenpaket geschnürt. Doch wer genau eigentlich im Kabinett sitzt, wissen die wenigsten. Zwar kennt fast jeder der Befragten beim aktuellen BaWü-Check der Tageszeitungen den Ministerpräsidenten – 92 Prozent erklärten, sie hätten von Winfried Kretschmann gehört oder gelesen –, aber dann nimmt der Bekanntheitsgrad der Regierungsmitglieder rapide ab.
Die unbekannten Minister
Auch in seiner zweiten Amtszeit als Innenminister wissen nur 58 Prozent der Befragten, wer Thomas Strobl (CDU) ist. Sozialminister Manfred Lucha bringt es in der Coronakrise auf einen Bekanntheitsgrad von 42 Prozent, Verkehrsminister Winfried Hermann (beide Grüne) kann noch 36 Prozent verbuchen. Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) kennen 32 Prozent. Hauks Parteifreundin, Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut, ist nur 21 Prozent der Befragten ein Begriff, Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) nach zwei Amtszeiten nur 15 Prozent.
Den Namen des neuen grünen Finanzministers Danyal Bayaz haben der Befragung zufolge bereits 13 Prozent gehört, den der neuen Kultusministerin Theresa Schopper zehn Prozent. Die anderen neuen Ministerinnen Thekla Walker (Grüne), Nicole Razavi und Marion Gentges (beide CDU) bleiben im einstelligen Bereich. Wer die Regierenden kennt, stellt ihnen jedoch ein gutes Zeugnis aus. Thomas Strobl hat seit dem BaWü-Check vom Februar sogar Boden gut gemacht. Jetzt loben ihn 59 Prozent der Befragten, vor der Landtagswahl sahen ihn 46 Prozent positiv. Auch Winfried Hermann ist im Ansehen gestiegen: von 49 Prozent Zustimmung im Februar auf jetzt 58 Prozent.
Wie lange soll der Regierungschef bleiben?
Die Nummer eins bleibt Winfried Kretschmann. Fast jeder kennt ihn, 72 Prozent haben eine gute Meinung von ihm. Die Frage ist, ob der jetzt 73-Jährige die volle Amtszeit von fünf Jahren absolvieren wird. Von den Anhängern seines Bündnispartners CDU befürworten das fast genau so viele wie von Kretschmanns grünen Parteifreunden. Die Opposition dagegen sähe den populären Regierungschef am liebsten auf dem Altenteil. Von allen Befragten sprechen sich 45 Prozent für eine volle Amtszeit Kretschmanns bis zum Jahr 2026 aus. Von den Grünen-Anhängern wollen 68 Prozent möglichst lange einen Ministerpräsidenten Kretschmann, doch der grüne Regierungschef findet auch große Unterstützung im CDU-Lager. Dort plädierten 64 Prozent für eine volle Amtszeit des grünen Frontmanns.
Skepsis gegenüber der grün-schwarzen Koalition
Bei aller Unterstützung für den Ministerpräsidenten schlagen der neuen Koalition jedoch erhebliche Zweifel entgegen. Zum dritten Mal führt Winfried Kretschmann eine Landesregierung im Südwesten. Nach der grün-roten Koalition von 2011 bis 2016 und der ersten grün-schwarzen Landesregierung, hat im Mai die zweite grün-schwarze Koalition ihre Arbeit aufgenommen. Das finden lediglich 35 Prozent aller Befragten gut. Auch von den Grünen-Anhängern kann sich nicht einmal die Hälfte für die Neuauflage des Bündnisses erwärmen. Grün-Schwarz kam dort auf eine Zustimmungsrate von 47 Prozent. Ganz anders beim kleineren Koalitionspartner CDU: 72 Prozent der Befragten, die sich der CDU nahe fühlen, stehen hinter der neuen Landesregierung. Mehr als einem Drittel aller Befragten (34 Prozent) ist es egal, wer das Land regiert, 31 Prozent hätten lieber eine Ampel aus Grünen, SPD und FDP gehabt.
Geteilte Meinungen zur Schulpolitik
Einen gravierenden Wechsel hat die grün-schwarze Landesregierung in ihrer zweiten Auflage in der Schulpolitik vorgenommen. Das Kultusministerium wird jetzt von den Grünen und nicht mehr von der CDU geführt. Das stößt auf ein äußerst gespaltenes Echo. Ein Drittel der Befragten findet den Wechsel gut, 30 Prozent finden ihn schlecht, unentschieden sind 37 Prozent der Befragten. Etwas positiver wird die Veränderung bei Eltern von Schulkindern aufgenommen. 39 Prozent von ihnen äußerten sich positiv, 31 Prozent negativ. Von den zehn Prozent der Befragten, denen die neue Kultusministerin Theresa Schopper überhaupt etwas sagt, äußerten sich jedoch 70 Prozent positiv über sie.
Ansichten über den Sozialminister
Frappierend sind die Aussagen über Sozialminister Manfred Lucha, der in der Coronapandemie in den Fokus gerückt ist. Dass der Grüne aus Oberschwaben in eine zweite Amtszeit geht und Wege aus der Pandemie organisieren soll, ist drei Viertel der Befragten schlichtweg gleichgültig. Einen anderen Gesundheitsminister hätten sich 14 Prozent der Befragten gewünscht, gut finden die Entscheidung, Lucha erneut zum Sozialminister zu machen, elf Prozent. Ein milderes Urteil fällen diejenigen unter den Befragten, die angegeben haben, Lucha zu kennen. Von ihnen hat jeder zweite eine gute Meinung über den Minister.
Aufgabenkatalog für die Regierung
Die Befragten sehen eine große Bandbreite an Themen, die die neue Landesregierung dringend angehen sollte. Angeführt von der Forderung, Grün-Schwarz solle für ausreichend bezahlbaren Wohnraum sorgen, folgt der Kampf gegen die Pandemie auf Platz zwei der Prioritätenliste. Die Bürger erwarten, dass die Regierung die digitale Ausstattung von Schulen verbessert und die Kriminalität bekämpft. Sie soll den Umwelt- und Klimaschutz fördern und für flächendeckend schnelles Internet in ganz Baden-Württemberg sorgen. Sie soll Unternehmen und Selbstständige, die von der Coronakrise besonders betroffen sind, finanziell unterstützen und das Straßen- und Schienennetz im Südwesten verbessern beziehungsweise ausbauen. Nicht zuletzt erwarten die Bürgerinnen und Bürger, dass die grün-schwarze Landesregierung eine verlässliche Kinderbetreuung sicherstellt und für eine effiziente Verwaltung sorgt. Der Abbau von Schulden rangiert mit 22 Prozent eher unten auf der Prioritätenliste.
Bürger gegen neue Schulden
Die Rückzahlung der Kredite ist vielen Befragten zwar nicht besonders wichtig. Neue Schulden soll die Regierung nach dem Willen der großen Mehrheit der Befragten aber vermeiden. 61 Prozent von ihnen sehen auch in der Coronakrise keinen Anlass, die in der Landesverfassung verankerte Schuldenbremse in Frage zu stellen. Abschaffen würden sie nur 19 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Umfrage.
Zweifel an der Fähigkeit zur Modernisierung
Grüne und CDU versprechen in ihrem neuen Koalitionsvertrag, dass sie die Verwaltung modernisieren und effizienter machen wollen. Die Verfahren sollen durch die Digitalisierung beschleunigt werden. Doch die Bürger haben ihre Zweifel an der Botschaft. Nur 29 Prozent der Befragten trauen der neuen Landesregierung zu, dass es ihnen gelingt, die Modernisierung der Verwaltung voranzubringen, 40 Prozent glauben nicht, dass die Verantwortlichen dies schaffen. Kein Urteil wollen 31 Prozent dazu abgeben.
Relative Mehrheit steht hinter der Solarpflicht
Eine klare Meinung haben die meisten Befragten dagegen zum Vorhaben der Landesregierung, dass von Januar 2022 an Fotovoltaikanlagen auf Neubauten installiert werden müssen. Von allen Befragten halten 47 Prozent das Vorhaben für richtig, unter denen, die sich zu den Anhängern der Grünen zählen, sind es sogar zwei Drittel. Als nicht richtig stufen 37 Prozent der Befragten die Solarpflicht für Neubauten ein. 16 Prozent gaben sich unentschieden.
Klare Position zum Hundeführerschein
Eine entschiedene Position vertreten 90 Prozent der Befragten beim Thema Hundeführerschein. Die Regierung hat einen Sachkundenachweis für Hundehalter eingeführt. Wer einen Hund hat, muss schriftlich und praktisch nachweisen, dass er den Hund unter Kontrolle hat und weiß, wie man ihn richtig hält. Das halten 57 Prozent der Befragten für eine gute Sache. Noch stärker dafür sind diejenigen, die gar keinen Hund haben. Von ihnen befürworten 63 Prozent den Hundeführerschein. Von den Hundehaltern dagegen meinen 52 Prozent, die Vorschrift sei übertrieben, nur 40 Prozent von ihnen stehen hinter dem verpflichtenden Hundeführerschein.