Die Unterbringung von ukrainischen Kriegsflüchtlingen gestaltet sich im Kreis Esslingen schwierig. Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Jede Woche kommen 100 Menschen aus der Ukraine hier an, ihre Aufnahme bringt den Kreis Esslingen finanziell ans Limit. Bei den Kosten sieht man das Land und den Bund in der Pflicht.

Der Flüchtlingsstrom aus der Ukraine stellt den Landkreis Esslingen vor große Herausforderungen. Mittlerweile geht die Verwaltung davon aus, dass im Laufe des Jahres 6000 Menschen aufgenommen werden müssen – bis Ende Juli rechnet man bereits mit 5200 Geflüchteten, berichtete Landrat Heinz Eininger in der jüngsten Sitzung des Verwaltungs- und Finanzausschusses des Kreistages.

Ungleiche Verteilung der Standorte

Der Landrat ermahnte die Städte und Gemeinden zu mehr Engagement – Unterkünften fehlten. Es sei daher dringend geboten, dass die Kommunen „rasch und ausreichend Kapazitäten in der Anschlussunterbringung schaffen“. In der Erstunterbringung sollten die Geflüchteten eigentlich höchstens sechs Monate bleiben, „aber wir tun uns schwer damit, sie an die Kommunen zu vermitteln“, klagte Eininger. Die Kreisverwaltung habe inzwischen in elf Notunterkünften gut 1600 Plätze geschaffen, diese seien auf nur sechs Kreiskommunen verteilt. Um dieses Ungleichgewicht bei den Standorten zu kompensieren, sollen den betroffenen Städten und Gemeinden 20 Prozent bei der Quote für die Anschlussunterbringung angerechnet werden.

Zudem wird um die Erstattung der Kosten gestritten, die sich durch den sogenannten Rechtskreiswechsel ergeben. Der überwiegende Teil der kreisweit registrierten ukrainischen Flüchtlinge erhielt bis Ende Mai Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, seit Juni nun erhalten sie Geld vom Jobcenter oder, sollten sie nicht arbeiten können, vom Sozialamt. Der Landrat kritisierte die vom Bund und den Ländern beschlossene Maßnahme als „völlig überstürzt“ . Die Übergabe der Menschen aus dem einen in das andere Hilfesystem bedeute nicht nur einen „erheblichen bürokratischen Aufwand und eine enorme Belastung für die Mitarbeiter der betroffenen Ämter“, so Eininger. Man müsse nun in erheblichem Umfang in Vorleistung gehen, „obwohl das ganz klar eine staatliche Aufgabe ist“, monierte der Landrat. Nach „vorsichtigen Schätzungen“ könnten in diesem Jahr 6,9 Millionen Euro für die Existenzsicherung der ukrainischen Flüchtlinge am Kreis hängenbleiben.

Auskömmliche Erstattung der Kosten gefordert

„Eine Schlechterstellung der Kommunen durch den Systemwechsel ist nicht akzeptabel“, erklärte Eininger, der von den Ausschussmitgliedern einstimmig den Auftrag erhielt, über die Spitzenverbände der Landkreise und der Kommunen bei der Landesregierung entsprechend nachzuhaken. Baden-Württemberg habe schließlich im Bundesrat zugestimmt, das Land müsse deshalb zu seiner Verantwortung stehen, sagten die Vertreter der Fraktionen unisono. Das Gremium fordert vom Land „eine auskömmliche Erstattung der Kosten“ und eine verlässliche Unterstützung auch in anderen Bereichen der Flüchtlingshilfe. Kostenintensiv sind laut Eininger nämlich auch die Verpflegung, die Sicherheitsdienste und die ambulante medizinische Betreuung in den großen Unterkünften. In welcher Form diese bislang ungedeckten Kosten vom Land übernommen werden, sei völlig unklar.

Man dürfe aber auch die „normale“ Zuwanderung nicht aus dem Blick verlieren, appellierte der Landrat. Monat für Monat müsse der Kreis Esslingen durchschnittlich 70 Asylbewerber aus allen Krisenherden dieser Welt aufnehmen – und auch für diese Menschen würden Unterkünfte benötigt.

In 21 Einrichtungen kreisweit stehen zurzeit 1514 Plätze zur Verfügung, diese seien aber bereits jetzt nahezu vollständig belegt. „Wir prüfen ständig neue Unterbringungsmöglichkeiten“, teilte Eininger mit und räumte ein: „Angesichts der angespannten Wohnungssituation sowie fehlender verfügbarer Flächen und Liegenschaften gestaltet sich die Akquise neuer Kapazitäten jedoch sehr schwierig.“