Bis zu 800 Menschen sollen in der Stuttgarter Messe Platz finden. Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Aus den Erfahrungen des Jahres 2015 kann der Südwesten in manchen Bereichen seine Lehren ziehen. In vielen Punkten ist die Situation aber komplett anders.

Um Probleme zu lösen, gilt es zunächst einmal, diese zu benennen. Aber selbst das kann zum Problem werden, wenn man keinerlei Einfluss auf das Geschehen hat. Vor diesem Dilemma stehen gerade die Politiker im Land, und nicht nur dort.

Der Krieg in der Ukraine verursacht millionenfach menschliches Leid – und millionenfach machen sich die Menschen auf den Weg, um wenigstens ihr nacktes Überleben zu retten. Mehr als sechs Millionen Menschen fliehen innerhalb des Landes, meist in Richtung Westen. Rund 3,5 Millionen haben die ukrainischen Grenzen bereits überschritten, um in anderen Ländern Unterschlupf zu finden. In Deutschland sind bisher mehr als 230 000 Flüchtlinge erfasst. Wie viele tatsächlich im Land sind, weiß niemand. Anders als bei der großen Fluchtbewegung 2015 müssen die Flüchtlinge kein Asylverfahren durchlaufen, bei dem festgelegte, staatliche Mechanismen greifen. Wer will, darf mit dem Reisepass visafrei einreisen, und findet oft bei Verwandten oder Freunden eine Herberge.

Land richtet sich auf viele Menschen ein

In Baden-Württemberg waren es bei der Fluchtbewegung in den Jahren 2015/16 rund 101 000 Menschen pro Jahr, die in den Südwesten gekommen sind. „Wir richten uns darauf ein, dass die Zahl von damals nun übertroffen wird“, sagt die für Migration zuständige Justizministerin Marion Gentges (CDU). In den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes seien bisher 7752 Flüchtlinge empfangen worden, wie viele tatsächlich schon im Südwesten sind, bleibt offen.

Kommunen müssen die Sporthallen öffnen

Wenn sich der Landtag an diesem Mittwoch mit dem Thema befasst, dann steht fest, dass man aus den Erfahrungen des Jahres 2015 in manchen Punkten Lehren ziehen kann, in vielen Bereichen ist die Situation aber anders. „Das wird kein Kurzstreckenlauf, das wird ein Marathon, und der kann sich über viele Wochen ziehen“, sagt Gentges. In dieser Zeit braucht es zunächst einmal Unterkünfte. „Wahrscheinlich werden die Kommunen nicht umhinkommen, Sporthallen zur Verfügung zu stellen, auch wenn das nach pandemiebedingter Sportunterbrechung besonders bitter ist“, so die CDU-Politikerin.

Die deutsche Zeugnisbürokratie als Hindernis

Anders wird der Umgang mit arbeitswilligen Ukrainern. Theoretisch dürfen sie vom ersten Tag an Geld verdienen, aber viele Menschen haben auf der Flucht nicht ihre Papiere mitgenommen. Wie die deutsche Zeugnisbürokratie auf diese Fälle reagiert, ist weitgehend offen.

Das gilt auch für den Umgang mit den zahlreichen Kindern. Sie haben ein Recht auf Bildung, und nach einem halben Jahr sogar die Pflicht zur Schule. In überfüllten und mit Lehrern nicht gerade überversorgten Lehranstalten wird das nicht einfach. Ebenso wenig in Kindergärten, wo es mancherorts schon für die bisher dort lebenden Kleinen Wartelisten gibt.

Großes Lob an die freiwilligen Helfer

„Wir müssen alles dafür tun, dass die positive Grundhaltung, die es in der Bevölkerung gerade gibt, möglichst lange erhalten bleibt“, sagt Marion Gentges, die voll des Lobes für das Engagement der zahlreichen Freiwilligen ist. Um die – und auch die Menschen aus der Ukraine zu unterstützen – ist eine Informationsseite im Internet auf Ukrainisch und Russisch eingerichtet worden, unter der Nummer 0800 7022500 können Fragen auf Russisch beantwortet werden.

Derzeit prüfe man in unterschiedlichen Bereichen völlig unterschiedliche Maßnahmen der schnellen Hilfe, sagt Gentges. Das gehe von der Möglichkeit, auch in Gewerbegebieten Wohnraum zu schaffen bis hin zur Erleichterung bei Tollwutimpfungen für mitgebrachte Hunde.