Die Elternzeit soll es Müttern und Vätern leichter machen, nach der Geburt eines Kindes Beruf und Familie zu vereinbaren. Doch nicht immer ziehen die Arbeitgeber mit.

Stuttgart - Auf ihre Firma hat Christina M. (Name geändert) einst große Stücke gehalten. Schon während ihres Studiums lernte die Betriebswirtin verschiedene Stationen kennen, anschließend arbeitete sie mehr als zehn Jahre in unterschiedlichen Bereichen – von Marketing bis Produktmanagement. Doch dann bekam sie das erste Kind – und mit der Geburt endete ihre Karriere jäh.

Über ihren Wiedereinstieg könne man später reden, jetzt dürfe sie sich erst einmal auf ihr Kind freuen, hatte ihr Vorgesetzter bei einem Gespräch vor Beginn des Mutterschutzes gesagt. „Damals hielt ich es für Großzügigkeit, erst später wurde mir klar, dass er mich loswerden wollte“, erzählt die 40-Jährige.

Gerichte gaben dem Arbeitgeber recht

Als sie während der Elternzeit einen Antrag auf Teilzeitarbeit stellte, lehnte das Unternehmen ihren Wunsch ab – wegen Umstrukturierungen gebe es ihre bisherigen Aufgaben nicht mehr, wurde ihr mitgeteilt. Angeboten wurde ihr eine einfache Tätigkeit, bei der sie ein Drittel weniger verdient hätte. Sie sagte Nein und klagte. Doch das Arbeitsgericht im Südwesten und das Landesarbeitsgericht gaben dem Arbeitgeber recht – dem Teilzeitverlangen stünden dringende betriebliche Gründe entgegen, so die Richter.

Auch heute, vier Jahre später, ist offen, ob und wann Christina M. wieder in das Unternehmen zurückkehren kann. Mittlerweile ist sie zum zweiten Mal Mutter geworden. Erneut verweigerte ihr die Firma eine Teilzeitstelle. Und wieder scheiterte sie mit ihrer Klage vorm Arbeitsgericht.

Doch damit will sie sich nicht abfinden: „Dass es für mich keine Arbeit geben soll, ist vorgeschoben“, davon ist sie überzeugt. Schließlich habe das Unternehmen mehr als 1000 Mitarbeiter. Aufgrund ihrer Erfahrung sei sie außerdem in vielen Bereichen einsetzbar, sagt sie – und vermutet, dass sie der Firma inzwischen einfach zu teuer geworden ist. Möglicherweise wird sie erneut in Berufung gehen.

Immer wieder bleibt nur der Klageweg

Christina M. ist kein Einzelfall. Zwar erheben die Arbeitsgerichte keine Statistik. Aber immer wieder bleibt Mitarbeitern und vor allem Mitarbeiterinnen nur der Klageweg, um ihr Recht auf Teilzeit während der Elternzeit einzufordern.

Einem Verkäufer wollte sein Chef eine Stundenreduzierung verweigern, weil er ein unverzichtbarer Ansprechpartner für die Kunden sei. Das sahen die Richter anders: Bei einer Öffnungszeit von 60 Stunden pro Woche könne der Mitarbeiter diese Forderung ohnehin nicht erfüllen.

Seit 2000 können Mütter und Väter während der Elternzeit ihre Arbeitszeit verringern. In Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten haben sie Anspruch, bis zu 30 Stunden wöchentlich zu arbeiten, wenn dem keine „dringenden betrieblichen Gründe“ entgegenstehen und sie mehr als sechs Monate in dem Unternehmen tätig sind. Lohn oder Gehalt dürfen in dieser Zeit nur entsprechend ihrer Beschäftigungszeit gekürzt werden. Nach Ablauf der Elternzeit müssen die Unternehmen ihren Mitarbeitern einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen – oder ihnen kündigen.

Lehnt ein Arbeitgeber eine Teilzeitbeschäftigung ab, muss er darlegen, weshalb eine solche Regelung nicht möglich ist. Im Fall von Christina M. erklärte der Anwalt des Unternehmens vor Gericht, ihre bisherigen Tätigkeiten seien weggefallen. Dass die Firma zwischenzeitlich eine Leitungsstelle in diesem Bereich ausgeschrieben hatte, war aus Sicht der Richter nicht relevant.

Nord-Süd-Gefälle in Sachen Arbeitgeberfreundlichkeit

M.s Anwalt ist verwundert über die Entscheidung der Richter. Denn eigentlich müssen Firmen in solch einem Fall exakt vorrechnen, wie hoch der Arbeitsbedarf ist und wie sich die Besetzungssituation tatsächlich darstellt. Auf die Darlegung des Arbeitsbedarfs hätten jedoch sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht verzichtet – aus seiner Sicht ein Verstoß gegen geltendes Recht. Doch Revision hatte das Landesarbeitsgericht erst gar nicht zugelassen.

Bei den Arbeitsgerichten komme es auf die jeweiligen Richter an, das Landesarbeitsgericht sei eher arbeitgeberfreundlich, sagt Anette Sauer, Verantwortliche für Frauen- und Gleichstellungspolitik bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi Baden-Württemberg. Da existiere ein Nord-Süd-Gefälle. So gab beispielsweise das Arbeitsgericht Hamburg einer Mitarbeiterin recht, die ihre wöchentliche Arbeitszeit auf 20 Stunden reduzieren wollte.

Auch deren Arbeitgeber hatte das abgelehnt. Begründung: Es gebe keinen Beschäftigungsbedarf. Die Richter berücksichtigten bei ihrer Entscheidung, dass kurz vor der Verhandlung einer der Geschäftsführer des Unternehmens in einem Interview über neue Kunden und höhere Umsätze gesprochen hatte. Die Firma habe weder alle Einsatzmöglichkeiten für die Klägerin angegeben noch dargelegt, wie diese tatsächlich besetzt seien.

Wichtige Rolle spielten starke Betriebsräte

Bei einem Teil der Unternehmen sei das Thema Familienfreundlichkeit noch nicht angekommen, sagt Sauer. Es gebe aber auch viele positive Beispiele – manchmal brauche es allerdings einige Gespräche. „Wenn Betriebe das wollen, finden sie einen Weg“, weiß sie aus vielen Beratungsgesprächen. Eine wichtige Rolle spielten starke Betriebsräte. Lande der Streit erst vor Gericht, sei eine Rückkehr oft schwierig.

Manche Betriebe sträubten sich gegen Arbeitszeitmodelle, die den Eltern entgegenkommen, weil sie den Aufwand scheuen, befristet Ersatz zu suchen, sagt Gabriele Frenzer-Wolf, Vizechefin des Deutschen Gewerkschaftbundes Baden-Württemberg.

Mitunter versuchten Unternehmen, auf diesem Weg Personal abzubauen. Etwa indem sie Müttern oder Vätern Arbeitsplätze zu ungünstigen Zeiten oder an weit entfernten Orten anbieten. Manche Eltern geben dann entnervt auf, den Weg zum Gericht wählen nur wenige Betroffene.

Hohe Teilzeitquote in Baden-Württemberg

Schwierigkeiten drohen Frauen aber nicht nur, wenn sie in Teilzeit gehen, sondern auch, wenn sie wieder zur Vollzeit zurückkehren wollen. Direkt nach der Elternzeit ist dies zwar möglich. Wer aber darüber hinaus kürzer arbeitet, hat keinen Rechtsanspruch, später seine Arbeitszeit wieder zu verlängern. Allerdings muss ihn der Arbeitgeber bevorzugt berücksichtigen, wenn entsprechende Stellen frei werden.

Das passiert leider nicht immer, sagt Frenzer-Wolf. Die hohe Teilzeitquote in Baden-Württemberg führt sie auch darauf zurück, dass zu wenig Vollzeitplätze angeboten werden. Nach einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung würde jede Fünfte der 30- bis 40-jährigen Frauen in Teilzeit gern länger arbeiten. Die Bundesregierung müsse endlich einen Rechtsanspruch auf Rückkehr zur Vollzeit einführen, fordert sie deshalb.

Rechtsansprüche allein genügten aber nicht. Auch im Bewusstsein von Vorgesetzten und Mitarbeitern müsse sich einiges ändern, sagt Frenzer-Wolf. Bisher entscheiden sich Männer viel seltener für Elternzeit und oft nur für die Mindestzeit von zwei Monaten. Unter ihnen viele Lehrer – im öffentlichen Dienst sind die Hürden in der Regel niedriger als in der Wirtschaft. Wenn er in Elternzeit gehe, werde er zurückgestuft, drohte ein Abteilungsleiter einem Projektmitarbeiter. Die Firma hat sich Familienfreundlichkeit auf die Fahnen geschrieben.