Vor einer Bundeswehr-Kaserne in NRW: US-Army übt wieder das schnelle Verlegen nach Osten Foto: dpa

US-Präsident Trump beklagt: Deutschland tut zu wenig für Europas Verteidigung. Ein US-General schlägt vor: Das Verkehrsnetz soll modernisiert und bei Verteidigungsausgaben berücksichtigt werden. Wie realistisch ist das?

Stuttgart - Griechenland wird lobend erwähnt, weil es das Zwei-Prozent-Ziel der Nato erfüllt. Doch ein großer Teil des griechischen Verteidigungshaushalts fließt nicht in echte Verteidigungsausgaben, sondern wird für Personalkosten und großzügige Pensionen aufgewandt. Ein Großteil der griechischen Militärausrüstung ist gegen die Türkei gerichtet – ein Nato-Partner. Großbritannien hat die Kosten für Nachrichtendienste in den Verteidigungshaushalt aufgenommen. So erfüllt London die Zwei-Prozent-Auflage. Doch Flugzeuge für ihre neuen Flugzeugträger haben die Briten nicht, und ihr Heer schrumpft weiter.

Fragwürdige Beispiele wie diese zeigen: „Eine auf zwei Prozent verkürzte Debatte um die Verteidigungsfähigkeit verstellt den Blick auf die wahre Lastenverteilung in der Nato“, sagt Christian Mölling, Experte von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Das schade unter Umständen mehr als dass es nützt. Auch wenn alle 29 Nato-Mitglieder auf ihrem Gipfel 2014 in Wales vereinbart haben, für die Verteidigung bis 2024 jene zwei Prozent ihrer Wirtschaftskraft auszugeben.

In diese Lücke stößt der US-General Ben Hodges, bis Ende 2017 Kommandeur des US-Heeres in Europa, mit seinem Vorschlag: Deutschland soll seine Straßen, Brücken, Eisenbahn und Häfen militärtauglich machen. Diese Investitionen sollten wie Verteidigungsausgaben auf das Zwei-Prozent-Ziel der Nato angerechnet werden. „Europa benötigt von Deutschland mehr als Panzer, es braucht deutsche Züge“, sagt Hodges unserer Zeitung. Er weiß, dass unter den Europäern der politische Appetit auf Erhöhungen des Verteidigungshaushaltes nicht sehr groß ist. „Deutschland ist unser wichtigster Verbündeter. Klar müssen sie mehr für die Verteidigung tun, aber wir müssen auch bessere Anreize für eine Lastenverteilung schaffen.“

Für den Ernstfall noch zu langsam

Aus seiner Manövererfahrung der vergangenen Jahre kennt Hodges die eklatanten Defizite, wenn es darum geht, Truppen und Material schnell quer durch Europa zu verlegen: eine für Militärtransporte unzulängliche Infrastruktur und obendrein eine komplizierte Zollbürokratie. So brauchte eine US-Einheit mit 80 Stryker-Panzern im vergangenen Jahr ganze vier Monate von Deutschland nach Polen. Zu lange, um im Ernstfall gegen ein aufmarschierendes Russland an der Grenze zum Baltikum zu reagieren. Hodges schwebt etwa ein Hafenausbau in Bremerhaven vor oder dass die Bundesregierung mit der Bahn Verträge schließt, die jederzeit den Transport einer bestimmten Menge Ausrüstung zum Beispiel per Flachwagen garantiert.

Verteidigungsexperte Mölling findet die Idee, Investitionen ins Verkehrsnetz auf Militärausgaben anzurechnen „politisch“ sinnvoll, „solange nicht auf einmal jede Kreisstraße panzerfit gemacht werden muss“. Das Verteidigungsministerium will sich dazu nicht äußern. Die Frontlinie von Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) gegen Angriffe Trumps verläuft anders: Es gehe „nicht nur um Geld, sondern auch um Fähigkeiten und Verpflichtungen“, so ein Sprecher. Deutschland sei der zweitgrößte Truppensteller, der zweitgrößte Nettozahler in der Nato und übernehme eine Führrungsrolle bei vielen Nato-Missionen. Am Weg „in Richtung zwei Prozent“ halte man fest.

„Friedenspolitisch verheerend“

Hodges Ideen sind ohnehin Zukunftsmusik. Das Bündnis müsste sich erst darauf verständigen. Der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid lehnt den Vorschlag zur Verbesserung der militärischen Mobilität ab. Er sei gegen die „Fixierung“ auf die zwei Prozent. Den „Bau von Straßen und Schienen zu den Verteidigungsausgaben zu zählen, geht an der Sache vorbei“, so der Nürtinger Bundestagsabgeordnete. Demgegenüber sieht der Koalitionspartner Roderich Kiesewetter (CDU) darin „einen wichtigen Beitrag im Sinne des Zwei-Prozent-Ziels“. „Für unsere glaubwürdige Rückversicherung des Baltikums sind diese Maßnahmen notwendig.“ Auch der Grünen-Verteidigungspolitiker Tobias Lindner ist dafür, Infrastrukturinvestitionen als Nato-Ziel aufzunehmen. Er wendet sich aber entschieden gegen Trumps „finanzielles Nullsummenspiel“.

Sevim Dagdelen, Fraktionsvize der Linken, kritisiert dagegen scharf: „Im Ergebnis bliebe trotzdem eine gigantische Aufrüstung Deutschlands.“ Es sei unverantwortlich, dass Berlin Trump folge: „Das Zwei-Prozent-Ziel ist friedenspolitisch und sozialpolitisch verheerend.“