Die Zinsen auf kurzfristige Bankeinlagen dürften erst 2020 steigen. Beobachter erwarten, dass die EZB im nächsten Jahr allenfalls die umstrittenen Negativzinsen abschafft.
Frankfurt - Seit 2011 geht es mit den Leitzinsen im Euroraum bergab – doch für nächstes Jahr stellt die Europäische Zentralbank (EZB) eine Erhöhung in Aussicht. Genauer: Sie schließt sie ab Herbst nicht mehr aus. Doch die meisten Analysten rechnen zu diesem Zeitpunkt nur mit einer Linderung der umstrittenen Negativzinsen, nicht mit einem Einlagensatz über null. Die forscheren Prognosen gehen davon aus, dass Ende 2019 ein anderer Leitzins – der Hauptrefinanzierungssatz – auf 0,25 Prozent steigt. Er wirkt sich aber weniger auf die Sparzinsen als auf die Kreditkosten aus.
Der Hintergrund: Gegenwärtig zahlen Banken drauf, wenn sie Mittel bei der EZB parken – und einige geben diese Kosten an Großkunden weiter, hauptsächlich Unternehmen. Für sie wäre eine Abschaffung der Strafzinsen eine Erleichterung, für die meisten Sparer würde sie aber nichts ändern. „Mit einer Anhebung des Einlagensatzes durch die EZB würde der Druck auf die Banken sinken, Negativzinsen an ihre Kunden weiterzugeben. Die meisten Institute tun das bislang nicht, was sie Geld kostet. Ein Wegfall dieser Kosten heißt aber noch nicht, dass sie dann höhere Einlagenzinsen zahlen“, sagt Jan Holthusen von der DZ Bank.
Auch die Commerzbank erwartet bei der Verzinsung von Giro- und Tagesgeldkonten im nächsten Jahr keine Bewegung. Ähnlich äußert sich die Direktbank ING Diba: „Stand heute rechnen wir nicht mit einem Anstieg der Zinsen für Sparprodukte 2019.“
Positive Realzinsen werden noch länger auf sich warten lassen
Auch wenn 2020 die Einlagenzinsen steigen, dürfte die Erhöhung nicht reichen, um der schleichenden Geldentwertung durch Inflation entgegenzuwirken. Die Teuerungsrate lag zuletzt über zwei Prozent. Nächstes Jahr erwartet die Bundesbank einen Rückgang auf 1,4 Prozent, 2020 aber wieder einen Anstieg auf 1,8 Prozent im Jahresmittel. „Positive Realzinssätze wird es in Deutschland in naher Zukunft nicht geben“, meint der Chef-Anlagestratege der Deutschen Bank, Ulrich Stephan.
Etwas höhere Zinsen als auf dem Tagesgeldkonto gibt es für Spareinlagen mit längeren Laufzeiten wie Festgeldkonten. Auch hier liegen die Zinsen aber meistens unter der Inflationsrate, nur bei Laufzeiten von zehn Jahren oder ausländischen Banken ist mehr möglich. Bei letzteren ist aber auf die Einlagensicherung des betreffenden Landes und auf etwaige Wechselkursrisiken zu achten. Wenig Hoffnung gibt es für Sparer, die ihr Geld nur für einige Monate festlegen wollen: „Die Festgeld-Zinsen hängen wesentlich vom Leitzins und auch den Erwartungen an die EZB ab. Ein Zinsschritt von 0,25 Prozent würde bei Einlagen mit Laufzeiten von weniger als einem Jahr wohl kaum etwas ändern“, sagt Holthusen. „Mehr Bewegung wäre denkbar, wenn die Notenbank weitere Zinserhöhungen signalisiert.“
Baugeld dürfte teurer werden
Für Kreditnehmer immerhin sind die niedrigen Zinsen von Vorteil. Die weitere Entwicklung der Darlehenszinsen hängt unter anderem davon ab, ob die EZB ihren Hauptrefinanzierungssatz schon Ende 2019 oder erst 2020 erhöht. Bei Baufinanzierungen allerdings hängen die Kosten nicht an den Leitzinsen. Maßgebliche Orientierungsgrößen sind hier die Renditen zehnjähriger Pfandbriefe und zehnjähriger Bundesanleihen, erläutert Marc-Philipp Unger vom Finanzdienstleister MLP.
Anstieg erwartetBislang drückte die Europäische zentralbank durch den groß angelegten Kauf von Staatsanleihen die Renditen von Bundesanleihen. Da sie ihre Bestände künftig konstant halten will, erwarten viele Banken einen Anstieg der Bund-Renditen. Die Landesbank LBBW und die Deutsche Bank beispielsweise sehen sie Ende 2019 bei rund einem Prozent, das wären 0,7 Prozentpunkte mehr als jetzt. „Auch bei den Zinsen für Immobiliendarlehen sollte die Tendenz leicht nach oben gehen“, sagt LBBW-Experte Elmar Völker. „Man kann darüber nachdenken, sich jetzt die günstigen Konditionen zu sichern, Aber es ist auch nicht so, dass in den nächsten drei bis sechs Monaten die Zinsen davonlaufen.“
Längerfristig wird die Zinsentwicklung nicht nur von der Geldpolitik, sondern auch von anderen Faktoren wie dem demografischen Wandel beeinflusst. So prognostiziert das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in einer neuen Studie zwar einen Realzins von 1,3 Prozent im Jahr 2025, danach aber wieder einen Rückgang bis auf null Prozent im Jahr 2050.