Die 25-jährige Caroline Messick hat im Pole Dance ihren Sport gefunden. Seit zwei Jahren tanzt sie in Vaihingen, inzwischen ist sie selbst Trainerin. Foto: Lichtgut - Oliver Willikonsky

Neue Sportarten haben heute englische Bezeichnungen, kombinieren bereits bekannte Bewegungsformen zu etwas Neuem. Was einst als Striptease verpönt war, gilt längst als Trendsport. Ein Besuch in einer Pole Dance-Schule.

Stuttgart - Pole Dance. Das klingt anrüchig und schmuddelig, nicht nach anstrengendem Sport. Nach Striptease und Rotlichtmilieu statt nach Ästhetik und künstlerischer Performance. Macht aber nichts. Wenn es um Trendsportarten geht, muss der moderne Großstädter längst einiges auf sich nehmen. Niemand geht heutzutage abends profan joggen oder zum Bauch-Beine-Po-Kurs. Gymnastikkurs in der örtlichen Mehrzweckhalle? Hört sich miefig und kleinbürgerlich an. Stand Up Puddling, Nacktyoga und veganes Street Bodyforming sind halt zwar schon wieder total 2014, aber klingen hip. Längst nicht mehr die allergrößte Neuheit, aber bei Frauen in den letzten Jahren immer populärer, ist Pole Dance. Auf Deutsch: der Tanz an der Stange.

Das Nachtclub-Image hat die Sportart inzwischen abgelegt

Und der hat sein Nachtclub-Image inzwischen abgelegt und gilt nicht nur, sondern ist tatsächlich ein anstrengender Sport, den viele Frauen zur Verbesserung von Kraft, Ausdauer und Körperhaltung betreiben. Die knappen Hotpants und Mega-Highheels trägt man dabei laut Caroline Messick nicht nur aus Gründen der Sexiness. In erster Linie habe dies einen sportlichen und funktionellen Wert: Der direkte Hautkontakt sei nötig, um sich an der Stange halten zu können. Aber natürlich ist es auch ein bisschen erotischer, als sich in der ollen Jogginghose an der Stange zu verrenken. Denn, Pole Dance sei zwar sportlich anstrengend und man benötige viel Kraft, aber das ästhetisch-tänzerische steht ebenso im Vordergrund, sagt Messick. „Aber natürlich strecken hohe Schuhe die Beine“, sagt die 25-jährige Studentin und Pole-Dance-Trainerin.

Immer noch würden viele Pole Dance gerne mit Table Dance verwechseln. Anrüchige Kommentare musste sich die Stuttgarterin bisher allerdings selten anhören in ihrem Umfeld. „Frauen haben eher Respekt und sagen ‚oh, voll der krasse Sport‘ und Männer finden es tatsächlich vor allem ästhetisch“, so ihre Erfahrungen.

Seit etwas mehr zwei Jahren tanzt sie selbst, seit einigen Monaten ist sie auch Trainerin bei Pole Dance Stuttgart in Vaihingen in der Kupferstraße 36. Dort hat sie auch angefangen zu trainieren, ausgebildet wurde sie von der Chefin und Gründerin Ariane Matthes. Messick fand vor allem die Kombination aus Sport und Tanz interessant. „Joggen fand ich langweilig, Fitnessstudios mag ich nicht“, sagt sie. Vor mehreren Jahren habe sie ein Video gesehen. „Damals war Pole Dance aber nicht populär“, erzählt sie. Und ja, so recht getraut habe sie sich noch nicht. Denn ein gewisses Selbstbewusstsein und Mut, in Highheels an, um und auf einer Stange zu tanzen, gehören zu dem Sport dazu. „Heute bin ich mehr mit mir im Reinen“, sagt die 25-Jährige. Jetzt fühlt sie sich wohl.

Die entspannte Atmosphäre in der Mädels-Gruppe habe ihr die restlichen Sorgen genommen. Inzwischen tanzt sie nicht nur selbst, sondern gibt auch Kurse für Anfängerin und vermittel Basistechniken: Wie man mit der Stange umgeht, Drehungen und Tricks ebenso wie einfache Choreografien und wie man „ästhetisch ein- und wieder aussteigt.“

Sieben Level bietet Matthes, die in Stuttgart quasi die Pionierin im Pole Dance ist, in ihrer Schule in Vaihingen an. Die höheren Level übernimmt die Chefin selbst. Inzwischen hat sie drei Trainerinnen, die sie bei den Anfängerkursen unterstützen. Matthes hat Trainerkurse besucht, verschiedene Zertifikate bei nahmhaften Ausbildern absolviert. „Geschützt ist der Trainerbegriff im Pole Dance leider nicht“, sagt sie. Tanzlehrer kann in Deutschland jeder sein. Sie rät dazu, bei der Auswahl eines Kurses darauf zu achten, dass die Trainerinnen eine qualifizierte Ausbildung und viel Erfahrung haben. Sie trainiert seit 2009. Davor habe sie Cheerleading gemacht. „Mir ist deshalb die tänzerische Komponente wichtig“, sagt die 33-Jährige. In anderen Schulen stehe der Fitnessaspekt im Vordergrund, Pole Dance habe zig Stilrichtungen. Die Zielgruppe ist grob zwischen Ende 20 und Mitte 40.

Pole Dance ist erotisch und sexy, aber keinesfalls billig

Natürlich gibt es im Pole Dance, wie in jeder Sportart, Wettkämpfe und Meisterschaften. Für Matthes und Messick ist das nichts: „Wir machen das nur für uns“, sagen beide. Einfach weil es Spaß macht.

Das Image der Sportart hat sich in den letzten Jahren längst gewandelt. Der anrüchige Touch ist weg. Zumal der sportliche Effekt in etwa derselbe wie in der Fitnessgymnastik oder beim Zumba ist. Der Vorteil von Pole Dance: Es kombiniert vieles. Für die Figuren braucht man viel Kraft, für eine anspruchsvolle Choreografie Ausdauer. Und natürlich bedarf es einer gewissen Eleganz damit es schön und ästhetisch aussieht. Pole Dance hat durchaus etwas Erotisches, ist sexy, aber nicht billig.

Wem das doch zu anstrengend oder gar zu heiß ist: Dieses Jahr soll laut dem Internetportal „Spiegel Online“ das „Authentic Urban Retro Running“ total angesagt sein. Bei dieser Disziplin laufe man völlig „ohne Hilfsmittel wie Stöcke oder Getränkegurte“ durch die Straßen, gerne „todesmutig in den Klamotten vom letzten Jahr“. Anfänger nennen es Joggen.